Adolf Hitlers Monorchie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Adolf Hitlers Monorchie (Einhodigkeit) wurde lange diskutiert, auch als psychohistorischer Grund für sein Verhalten.[1] Die Tatsache gilt als gesichert,[2] die Deutung ist wissenschaftlich umstritten.[3]

Befund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Arzt Eduard Bloch, Hausarzt der Familie zu Hitlers Jugendzeiten, berichtete 1943 im amerikanischen Exil bei einer durch den Psychoanalytiker Walter Charles Langer geleiteten Befragung, dass Adolf Hitlers Genitalien bei einer Untersuchung als Kind „vollständig normal“ gewesen seien.[4][5]

Während der Schlacht an der Somme wurde Hitler am 5. Oktober 1916 durch einen Granatsplitter am Oberschenkel bzw. in der Leistenregion verwundet.[6] Der Sanitäter Johan Jambor vertraute sich 1960 dem Priester Franciszek Pawlar an mit der Aussage, dass Hitler durch diese Verwundung einen Hoden verloren habe. Die erste Frage von Hitler nach der Notoperation an die Sanitäter soll gewesen sein: „Werde ich noch Kinder zeugen können?“ Das Dokument wurde 2008 öffentlich gemacht.[7]

Grafik die den Arzt-Vermerk vom 12. November 1923 im Gefangenen-Aufnahmebuch zeigt
Link zum Bild

(Bitte Urheberrechte beachten)

Im Dezember 2015 gab der Historiker Peter Fleischmann eine wissenschaftliche Dokumentenedition heraus, welche die Personalakte Hitlers während der Festungshaft in Landsberg am Lech und auch das Aufnahmebuch der Haftanstalt erschloss.[2] Das Aufnahmebuch ist eines von 500 Objekten, die der Freistaat Bayern im Juli 2010 in einem Fürther Auktionshaus beschlagnahmte. Laut Amtsgericht Fürth, das dies veranlasst hatte, handelt es sich um eine „behördliche Akte, die nicht auf legale Weise veräußert sein kann“.[8] Es ist außerdem mittlerweile im bayerischen Verzeichnis national wertvoller Archive gelistet.[9][10] Der Verkauf ins Ausland ist dann verboten.[11] Im Aufnahmebuch findet sich in der Spalte „Ärztlicher Befund“ das Ergebnis der medizinischen Aufnahmeuntersuchung Hitlers durch Obermedizinalrat[12] Josef Brinsteiner (* 8. November 1857 in Peterfecking,[13] heute Saal an der Donau; † 1944).[14] Brinsteiner hatte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Medizin studiert und seine Ausbildung 1884 mit der Promotion abgeschlossen. Er war lange Jahre Gefängnisarzt der Strafanstalt und hatte den Häftling Hitler bei dessen Aufnahme in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1923 untersucht.[14] Er trug in das Gefangenen-Aufnahmebuch ein: „rechtsseitiger Kryptorchismus“.[2] Kryptorchie bedeutet, dass im embryonalen Stadium oder Säuglingsalter ein Hoden nicht in den Hodensack gewandert ist, sondern im Hodenkanal verblieb.[14][15] In der urologischen Praxis wird der Begriff allerdings oft weit gefasst und für alle Anomalien verwendet, bei denen der Hoden nicht hauptsächlich im Hodensack anzufinden ist.

Die sowjetische Autopsie Hitlers nach dessen Suizid stellte das Fehlen des linken Hodens fest.[16]

Weitere Aussagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hitlers Ärzte, wie Erwin Giesing[17] und sein Leibarzt Theo Morell, hatten früher Monorchismus verneint.[18]

Eugen Wasner, ein österreichischer Jugendfreund Hitlers, erzählte 1943 als Gefreiter an der Ostfront, Hitler sei als Kind beim Versuch, in das Maul eines Ziegenbockes zu urinieren, der halbe Penis („Zippedäus“) abgebissen worden. Wasner wurde daraufhin vor einem Militärgericht der Wehrkraftzersetzung und Heimtücke angeklagt, zum Tod durch Fallbeil verurteilt und hingerichtet.[19]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon während des Zweiten Weltkriegs wurde zu Propagandazwecken das Lied Hitler Has Only Got One Ball („Hitler hat nur ein Ei!“) geschaffen, das zu der Melodie des Colonel Bogey March gesungen wurde, um die Moral der britischen Bürger zu stärken.[20] Das Lied wird im Film John Rabe von Ulrich Tukur und Steve Buscemi gespielt und gesungen.[21]

Curt Stenvert (1920–1992) ging hingegen 1967 in seiner Plastik Stalingrad – Oder: Die Rentabilität eines Tyrannenmordes davon aus, Hitler habe zwei Hoden gehabt, und brachte zum Ausdruck, dass mit einer rechtzeitigen Beseitigung des Tyrannen „141.999 Hirne & 283.998 Hoden“ in Stalingrad hätten gerettet werden können, während durch die „Investition“ einer Patrone bloß „1 Hirn & 2 Hoden“ abgestorben wären.[22]

Comedian Harald Schmidt griff 1999 das damalige Gerücht, Hitler habe durch eine Verwundung im Ersten Weltkrieg einen Hoden verloren, in einer Hitler-Parodie in der Harald Schmidt Show auf („Hitler hatte nur ein Ei!“) und stellte einen Zusammenhang zwischen Hitlers fehlendem Hoden und dem Zweiten Weltkrieg dar. Demnach habe Hitler den Krieg nur begonnen, um seine „fehlende Klöte“ finden zu lassen. Der Sketch wurde zu einem Klassiker der Harald Schmidt Show.[23][24] Schmidts Parodie war 2007 in Google Video unter den ersten hundert Treffern zu finden.[25][26]

Das den Kleidungsstil von Neonazis persiflierende Modelabel Storch Heinar, das 2008 gegründet wurde, zeigt im Logo einen Storch mit einem Storchenei. Einer der verwendeten Slogans ist „Der Führer hatte nur ein Ei“.[27]

Der österreichische Comiczeichner und Karikaturist Gerhard Haderer thematisiert die Monorchie als Running Gag in seiner Comicheftreihe Moff. und nahm darin 2011 Bezug auf das Spottlied aus dem Zweiten Weltkrieg.[28]

Bibliographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Holm Kirsten: „Weimar im Banne des Führers“. Die Besuche Adolf Hitlers 1925–1940. Böhlau, Köln [u. a.] 2001, ISBN 3-412-03101-1, S. 2.
  2. a b c Peter Fleischmann: Festungshaft Adolf Hitlers in Landsberg, 1923/24, publiziert am 17. Juni 2016, Historisches Lexikon Bayerns
  3. Jürgen Manemann: „Weil es nicht nur Geschichte ist“ (Hilde Sherman). Die Begründung der Notwendigkeit einer fragmentarischen Historiographie des Nationalsozialismus aus politisch-theologischer Sicht. Lit, Münster / Hamburg 1995, S. 58; Marcel Atze: „Unser Hitler“. Der Hitler-Mythos im Spiegel der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Wallstein, Göttingen 2003, S. 244.
  4. “they were completely normal”, Ron Rosenbaum: Explaining Hitler. The Search for the Origins of His Evil, überarbeite Ausgabe, 2014, S. 134 (Digitalisat).
  5. Ron Rosenbaum: Everything You Need To Know About Hitler’s ‘Missing’ Testicle, Slate, 28. November 2008.
  6. Anton Joachimsthaler: Hitlers Weg begann in München 1913–1923. Herbig, München 2000, ISBN 3-7766-2155-9, S. 164.
  7. Teil-Entmannung: Hitlers Hoden-Operateur vertraute sich Priester an. In: Spiegel Online, 20. November 2008.
  8. Jan Friedmann: Durchsuchung: Ermittler beschlagnahmen Hitler-Akten. In: Spiegel Online. 12. Juli 2010, abgerufen am 10. Juni 2018.
  9. Aufnahmebuch für Schutzhaft-, Untersuchungs- und Festungshaft-Gefangene der Festungshaftanstalt Landsberg (Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive)
  10. Gefangenenpersonalakte Adolf Hitler (Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive)
  11. http://www.bz-berlin.de/deutschland/arztdokument-belegt-adolf-hitler-hatte-nur-einen-hoden
  12. „Zum Waffen- und Hilfsdienst untauglich“. In: Der Spiegel. Nr. 51, 1982 (online20. Dezember 1982).
  13. Informationen zu Josef Brinsteiner: Brinsteiner, Josef, geb. 08.11.1857 in Peterfecking (Lkr. Kelheim), + ?, Bezirksarzt, Obermedizinalrat in München, Landgericht München II. In: Deutsche Digitale Bibliothek. Staatsarchiv München, abgerufen am 4. Mai 2019.
  14. a b c Sven Felix Kellerhoff: Der wahre Grund für Hitlers gestörtes Sexleben. In: Die Welt. 18. Dezember 2015, abgerufen am 4. Mai 2019.
  15. Hans Kratzer: Haft in Landsberg - Hitler war ein Luxushäftling. In: sueddeutsche.de. 20. Dezember 2015, abgerufen am 28. Januar 2024.
  16. Zeit Geschichte. Band 5, Geyer-Edition, 1977, S. 191; Jürgen Manemann: „Weil es nicht nur Geschichte ist“ (Hilde Sherman). Die Begründung der Notwendigkeit einer fragmentarischen Historiographie des Nationalsozialismus aus politisch-theologischer Sicht. Lit, Münster / Hamburg 1995, ISBN 3-8258-2345-8, S. 58; Lew Alexandrowitsch Besymenski: So starb Adolf Hitler. In: Die Zeit, August 1968.
  17. Henrik Eberle, Hans-Joachim Neumann: War Hitler krank? Ein abschließender Befund. Lübbe, Bergisch Gladbach 2009, S. 114.
  18. Wolfdieter Bihl: Der Tod Adolf Hitlers. Fakten und Überlebenslegenden. Böhlau, Wien 2000, S. 123.
  19. Dietrich Güstrow: Tödlicher Alltag. Strafverteidiger im Dritten Reich, Severin und Siedler, Berlin 1981, S. 95 ff. (Digitalisat).
  20. Did Hitler really only have ONE testicle? A historian sorts the extraordinary truth from the far-flung myths about the Fuhrer. In: Daily Mail, 20. November 2008.
  21. A. T. McKenna: Screening the Others of Nanjing. In: Lili Hernández (Hrsg.): China and the West: Encounters with the Other in Culture, Arts, Politics and Everyday Life. Cambridge Scholars, Newcastle upon Tyne 2012, ISBN 1-4438-3780-6, S. 61–72, hier S. 65.
  22. Johann Werfring: Rentabilität eines Tyrannenmordes. In: Wiener Zeitung, 24. September 2005, S. 15.
  23. Ausweitung der Schmidt-Zone. In: sueddeutsche.de. 13. Dezember 2011, abgerufen am 3. August 2018.
  24. Hitler hatte nur ein Ei. Sat.1, Harald Schmidt Show, Folge 520, 19. Januar 1999.
  25. Ernst Corinth: Hitler und das grüne Monster. In: Telepolis (Heise online), 9. Februar 2007.
  26. Harald Schmidt Show: Hitlers Klöten
  27. Storch Heinar. T-Hemd: Der Führer hatte nur ein Ei. Endstation Rechts, abgerufen am 26. August 2013.
  28. Moff. Band 4, 2011, S. 25 f.; Scherz & Schund Fabrik, Linz.