Agathe Lasch

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Agathe Lasch Mitte der 1920er Jahre

Agathe Lasch (4. Juli 1879 in Berlin18. August 1942 in Riga) war eine deutsche Germanistin und die erste Professorin der Universität Hamburg sowie die erste des Faches Germanistik in Deutschland. Sie begründete die historische Erforschung der mittelniederdeutschen Sprache. Lasch war Jüdin und wurde während des Holocaust ermordet.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg
Gedenktafel, Agathe-Lasch-Platz, in Berlin-Halensee

Lasch wurde 1879 als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Wie ihre drei Schwestern absolvierte sie zuerst eine Lehrerinnenausbildung (1898) und war danach bis 1906 an verschiedenen Mädchen- und Gewerbeschulen lehrend tätig. 1906 holte sie ihr Abitur am Kaiserin-Augusta-Gymnasium in Berlin-Charlottenburg nach. Sie konnte danach in Halle und Heidelberg Germanistik studieren und promovierte 1909 bei Wilhelm Braune, während sie in Berlin 1908 als Frau nicht zu den Lehrveranstaltungen zugelassen wurde. Ihre sehr guten Leistungen brachten ihr einen Ruf als Associate Professor an die Frauenuniversität Bryn Mawr College in Pennsylvania/USA ein. Dort entstand ihre Mittelniederdeutsche Grammatik (1914), bis heute ein germanistisches Standardwerk. Aufgrund des Kriegseintritts der USA kehrte sie 1917 nach Deutschland zurück und wurde Assistentin am Deutschen Seminar in Hamburg. Nach ihrer Habilitation (1919) erhielt Lasch 1923 als erste Frau an der Universität Hamburg sowie als erste Germanistin in ganz Deutschland den Professorentitel. 1926 wurde für sie an der Hamburger Universität ein außerordentlicher Lehrstuhl für Niederdeutsche Philologie geschaffen. In Hamburg setzte Lasch die in ihrer Dissertation begonnenen Studien zur Berliner Sprachgeschichte fort, die sie in dem Buch Berlinisch (1928) veröffentlichte. Sie arbeitete außerdem mit Conrad Borchling an zwei großen Wörterbuchprojekten zur systematischen Erschließung des Sprachschatzes der Hansezeit und der Hamburger Mundart. Die ersten Lieferungen zum Mittelniederdeutschen Handwörterbuch konnte sie ab 1928 noch selbst veröffentlichen, das Hamburgische Wörterbuch erschien erst ab 1956 auf Grundlage ihrer Vorarbeiten.

Ihre sofortige Entlassung nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus konnte nur kurz durch die Intervention ausländischer Wissenschaftler verhindert werden. 1934 verlor sie dann doch ihren Lehrstuhl. Sie zog 1937 zu ihren Schwestern nach Berlin und versuchte weiter zu forschen, erhielt aber Publikationsverbot und durfte keine öffentlichen Bibliotheken mehr betreten. Am 8. Dezember 1938 wurden jüdischen Wissenschaftlern zudem Sondergenehmigungen entzogen, die zur Benutzung von Hochschulbibliotheken berechtigten.[2] Ihre eigene Bibliothek von etwa 4000 Bänden wurde am 9. Juli 1942 beschlagnahmt. 60 Bände aus dieser Bibliothek wurden bei der Suche nach NS-Raubgut in der Bibliothek des Germanistischen Seminars der Humboldt-Universität Berlin aufgefunden. Die Annahme von Rufen an ausländische Universitäten (1939 nach Dorpat und später nach Oslo) wurde von der deutschen Regierung verhindert. Am 13. August 1942 wurde sie zusammen mit ihren Schwestern ins Sammellager einbestellt und am 15. August nach Riga deportiert.[3] Sie erreichten das Ghetto nicht, sondern wurden nach ihrer Ankunft in Riga-Šķirotava am 18. August 1942 in den umliegenden Wäldern ermordet.[4]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenkstein für Agathe Lasch in der Erinnerungsspirale im Garten der Frauen

1971 wurde in Hamburg-Othmarschen der Agathe-Lasch-Weg nach ihr benannt.[5]

In der Universität Hamburg trägt ein Hörsaal seit 1999 ihren Namen.

In Berlin-Halensee wurde 2004 der Agathe-Lasch-Platz[6] nahe dem Kurfürstendamm gewidmet.

2007 wurde auf Initiative des Vereins für Hamburgische Geschichte für Agathe Lasch ein Stolperstein in Hamburg vor dem Haus Nr. 9 in der Gustav-Leo-Straße (früher Rehagen) verlegt. Auch vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg in der Edmund-Siemers-Allee 1 liegt ein Stolperstein für sie. 2010 wurde in Berlin-Schmargendorf ein Stolperstein vor dem Haus Caspar-Theyß-Straße 26 für Agathe Lasch und ihre Schwestern Elsbeth und Margarete Lasch verlegt.

2009 stellte der Verein Garten der Frauen im Garten der Frauen auf dem Hamburger Ohlsdorfer Friedhof einen Erinnerungsstein für Agathe Lasch auf.

Agathe-Lasch-Preis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1992 verleiht der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg alle drei Jahre den mit 5.000 € dotierten Agathe-Lasch-Preis an Nachwuchswissenschaftler, die herausragende Leistungen auf dem Gebiet der niederdeutschen Sprachforschung erbracht haben.[7]

Preisträger:

  • 1992: Ingrid Schröder, Universität Hamburg
  • 1995: Jürgen Ruge, Universität Hamburg
  • 1998: Matthias Vollmer, Universität Greifswald
  • 2001: Christian Fischer, Universität Münster
  • 2004: Birgit Kellner, Universität Flensburg
  • 2007: Markus Denkler, Universität Münster
  • 2010: Wilfried Zilz, Universität Göttingen (jetzt Gymnasium Walsrode)
  • 2013: Tom Smits, Universität Antwerpen
  • 2016: Viola Wilcken, Universität Kiel
  • 2019: Marie-Luis Merten, Universität Paderborn[8]
  • 2023: Hannah Rieger, Universität Köln[9]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Dissertation, Universität Berlin 1909 (PDF)
  • Mittelniederdeutsche Grammatik (1914)
  • Der Anteil des Plattdeutschen am niederelbischen Geistesleben im 17. Jahrhundert, Habilitationsschrift, Universität Hamburg 1919
  • „Berlinisch“. Eine berlinische Sprachgeschichte (Berlin, 1928; 2. Bd. von: Berlinische Forschungen. Texte und Untersuchungen im Auftrage der Gesellschaft der Berliner Freunde der deutschen Akademie herausgegeben.). Digitalisierung: Zentral- und Landesbibliothek Berlin, 2007. URN urn:nbn:de:kobv:109-opus-63273
  • Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. (Lieferung 1 bis 7, Hamburg 1928 bis 1934), fortgeführt von Conrad Borchling. Hrsg. nach Gerhard Cordes und Annemarie Hübner von Dieter Mohn und Ingrid Schröder. Hamburg 1928 ff., Neumünster/Kiel 1956 ff.
  • Ausführliche Rezension zu Walter Lawrence Wardale: Albrecht van Borgunnien’s Treatise on Medicine (Sloane Ms. 3002, British Museum). Oxford/Edinburgh/Glasgow/London/New York 1936 (= St. Andrews University Publication. Band 38). In: AfdA. Band 56, 1937, S. 35–38.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Conrad Borchling: Agathe Lasch zum Gedächtnis. Ansprache auf der Jahresversammlung des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung zu Goslar am 28. September 1946. In: Niederdeutsche Mitteilungen. Herausgegeben von der Niederdeutschen Arbeitsgemeinschaft zu Lund, Jg. 2, 1946, S. 7–20.
  • Matthias Harbeck, Sonja Kobold: Spurensicherung – Provenienzforschung zur Bibliothek von Agathe Lasch. Ein Projekt der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin. In Stefan Alker; Christina Köstner; Markus Stump (Hrsg.): Bibliotheken in der NS-Zeit. Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. V & R Unipress, Vienna Univ. Press, Göttingen 2008, ISBN 978-3-89971-450-0.
  • Martta Jaatinen: Professor Dr. Agathe Lasch zum Gedächtnis. Ansprache im Neuphilologischen Verein in Helsinki am 29. März 1947. In: Neuphilologsche Mitteilungen 48 (1947), S. 130–141.
  • Christine M. Kaiser: Agathe Lasch (1879–1942). Erste Germanistikprofessorin Deutschlands (= Jüdische Miniaturen. Bd. 63). Teetz, Berlin 2007, ISBN 3-938485-56-6.
  • Christine M. Kaiser: ‚Ich habe Deutschland immer geliebt...‘ Agathe Lasch (1879–1942). In: Joist Grolle, Matthias Schmoock (Hrsg.): Spätes Gedenken (= Hamburgische Lebensbilder. Bd. 21). Ed. Temmen, Bremen 2009, ISBN 978-3-8378-2000-3, S. 65–98.
  • Christine M. Kaiser: „...bitte, fassen Sie dies rein sachlich auf.“ Die Thematisierung wissenschaftlicher Kontroversen in den Briefen der Germanistin Agathe Lasch (1879–1942). In Renata Dampc-Jarosz, Paweł Zarychta (Hrsg.): „...nur Frauen können Briefe schreiben.“ Facetten weiblicher Briefkultur nach 1750, Bd. 2, Peter Lang, Berlin u. a. 2019, ISBN 978-3-631-78030-5, S. 241–254.
  • Utz Maas: Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945. Eintrag zu Agathe Lasch (abgerufen: 15. April 2018)
  • Jürgen Meier: Lasch, Agathe. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 645 f. (Digitalisat).
  • Lasch, Agathe. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 15: Kura–Lewa. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 2007, ISBN 978-3-598-22695-3, S. 170–174.
  • Mirko Nottscheid u. a. (Hgg.): Die Germanistin Agathe Lasch (1879–1942). Aufsätze zu Leben und Wirkung, Nordhausen: Bautz 2009 (bibliothemata; 22). ISBN 978-3-88309-500-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Agathe Lasch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Agathe Lasch – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Abgerufen am 11. August 2020.
  2. Christine M. Kaiser: ‚Ich habe Deutschland immer geliebt...‘ Agathe Lasch.... In: Joist Grolle, Matthias Schmoock (Hrsg.): Spätes Gedenken. Hamburg 2009, ISBN 978-3-8378-2000-3, S. 66/67.
  3. Vgl. die Angaben zu Agathe Lasch bei Yadvashem
  4. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945: eine kommentierte Chronologie. Marix, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-059-5, S. 251 und 255.
  5. Horst Beckershaus: Die Hamburger Straßennamen, Verlag Die Hanse, Hamburg, ISBN 978-3-86393-009-7
  6. Agathe-Lasch-Platz. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  7. Agathe-Lasch-Preis, abgerufen am 10. Dezember 2019.
  8. Pressemitteilung der Stadt Hamburg: Zehnter Agathe-Lasch-Preis für niederdeutsche Sprachforschung verliehen. Förderpreis des Hamburger Senats geht an Dr. Marie-Luis Merten von der Universität Paderborn, abgerufen am 10. Dezember 2019.
  9. Elfter Agathe-Lasch-Preis für niederdeutsche Sprachforschung verliehen. Germanistin Dr. Hannah Rieger gewinnt Förderpreis des Hamburger Senats. In: hamburg.de. Abgerufen am 23. März 2023.