Algirdas Julien Greimas

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Algirdas Julien Greimas, litauische Briefmarke, 2017

Algirdas Julien Greimas (ursprünglich Algirdas Julius Greimas; * 9. März 1917 in Tula; † 27. Februar 1992 in Paris) war ein Semiotiker und Mitbegründer der École de Paris der Semiotik.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Familie Greimas, die während des Ersten Weltkriegs in Tula (Russland) lebte, kehrte 1919 nach Litauen zurück. Bis 1927 besuchte Algirdas Greimas das Progymnasium Kupiškis. Von 1929 bis 1931 lebte er in Šiauliai und besuchte das Jungengymnasium. Er absolvierte das Gymnasium Marijampolė. Von 1934 bis 1935 studierte Greimas Rechtswissenschaft an der Vytauto Didžiojo universitetas in Kaunas und von 1936 bis 1939 Linguistik in Grenoble, wo er provençalische Dialekte untersuchte. 1939 kehrte er nach Litauen zurück, wurde Soldat und kämpfte gegen die deutsche Wehrmacht. 1944 ging er nach Paris und schloss sein Studium an der Sorbonne ab. Danach war er als Lektor an den Universitäten in Ankara, Istanbul, Poitiers und Alexandria tätig. In Alexandria lernte er Roland Barthes kennen. Zwischen ihnen entwickelte sich ein intensiver Austausch und eine Beziehung. 1965 wurde er Professor in Paris.

Theorie und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Greimas veröffentlichte 1966 seine „Strukturale Semantik“ und begründete damit die moderne Textsemiotik. Greimas entwickelt hier eine strukturale Analyse, die sich eng an die Tradition und Weiterentwicklung der Konzepte von Saussure und Hjelmslev orientiert. Greimas begründete damit wesentlich die Pariser Schule als eigenständige Richtung in der Semiotik. Der narrative Text steht im Mittelpunkt der Analysen Greimas. Sein Theorie- und Forschungsprojekt wird als narrative Diskursgrammatik der Pariser Schule bezeichnet.

Greimas semiotisches Viereck

Seine Grundaussage über die Bedeutung der Narration (Erzählung) lässt sich mit dem Satz beschreiben: „Die Welt ist erzählbar“. Damit ist gemeint, dass nicht nur reale Erfahrungen und Fiktionen erzählbar und darüber erklärbar sind, sondern auch kulturelle und soziale Repräsentationen, wie die Konstruktionen von „Volk“, „Kultur“, „Nation“, „Demokratie“, „Internet“ etc. Diese lassen sich als „Erzählungen“ analysieren.

Greimas’ Definition der Semiotik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gegenstand der Semiotik ist nach Greimas nicht die Entwicklung einer Theorie der Zeichen, sondern die Theorie der Bedeutung (Signifikation), die sich mit den Ebenen über- und unterhalb des Zeichens beschäftigt.

Auf der Unterseite untersucht seine Semiotik die allgemein als Innenseite bezeichnete Seite des Zeichens und analysiert dort die kleinsten Teile von Bedeutung eines Zeichens, die Seme genannt werden. Auf der Oberseite des Zeichens werden Einheiten untersucht, die als „mehr als ein Zeichen“ Textstrukturen bilden.

Greimas’ Textsemiotik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Greimas’sche Textsemiotik basiert auf dem linguistischen Strukturalismus Louis Hjelmslevs, der strukturalen Anthropologie Claude Lévi-Strauss’ und der formalistischen Theorie des Märchens von Propp.

Greimas’ Strukturale Semantik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Greimas’sche Strukturale Semantik bezieht sich auf Saussures Konzept der Differenzqualität, Hjelmslevs Modell der glossomatischen Zeichen und der Dependenzgrammatik von Lucien Tesnière.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sémantique structurale. Paris: Larousse. 1966.
  • Du sens 1970.
  • Maupassant: La sémiotique du text. 1976.
  • Sémiotique et sciences socialles. 1976.
  • Du sens II: Essais sémiotiques. Paris: Editions du Seuil 1983.
  • Sémiotique. Dictionnaire raisonné de la théorie du langage, Band 1 u. 2., Paris 1979 u. 1986 (Zusammen Joseph Courtés).
  • Des dieux et des hommes. 1985.
  • De l'imperfection. 1987.
  • Dictionnaire de l’ancien francais : le Moyen Age 1992.

englische Ausgaben:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Stockinger: Semiotik. Beitrag zu einer Theorie der Bedeutung. Akademischer Verlag H.-D. Heinz, Stuttgart 1983.
  • Peter Stockinger: Gespräch mit A. J. Greimas. Zur aktuellen Lage der semiotischen Forschung. In: Zeitschrift für Semiotik 5/1983, S. 265–278.
  • Dirk de Geest: La sémiotique narrative de A. J. Greimas (traduction du néerlandais par Jan Baetens). In: Image & Narrativ. Online Magazine of the Visual Narrative. Januar 2003 Nr. 5.
  • Robert Drescher: Die Narrativik als wissenschaftliche Literaturtheorie. Wissenschaftstheoretische Untersuchungen zu den erzähltheoretischen Ansätzen von Franz K. Stanzel und Algirdas Julien Greimas. Tectum Verlag.
  • Oliver Schmidt: Algirdas Julien Greimas: Strukturale Semantik. In: Märchen, Mythen, Marlboro Man. Die Semiotik des Werbebildes. Ein Analyseversuch nach Roland Barthes und A. J. Greimas. Uni Bremen.
  • Hans Ulrich Gumbrecht: Algirdas Julien Greimas. In: Wolf-Dieter Lange (Hrsg.): Französische Literaturkritik der Gegenwart in Einzeldarstellungen (= Kröners Taschenausgabe. Band 445). Kröner, Stuttgart 1975, ISBN 3-520-44501-8, S. 326–350.
  • Winfried Nöth: Handbuch der Semiotik. 2. Auflage, 2000.
  • Peter W. Marx: Heiner Müller: Bildbeschreibung. 1998.
  • Taehwan Kim: Vom Aktantenmodell zur Semiotik der Leidenschaften. Eine Studie zur narrativen Semiotik von Algirdas J. Greimas. Narr, Tübingen 2002.

Zur Kritik

  • J. Gerniasca, D. Bertrand. In: Zeitschrift für Semiotik. 10/3–4, 1998.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]