Alois Riegl

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Alois Riegl, Aufnahme von ca. 1890

Alois Riegl (* 14. Januar 1858 in Linz; † 17. Juni 1905 in Wien) war ein österreichischer Kunsthistoriker, Denkmalpfleger und Vertreter der Wiener Schule der Kunstgeschichte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1894 wurde er außerordentlicher, 1897 ordentlicher Professor für Kunstgeschichte an der Universität Wien. 1902 bis 1905 war Riegl neben seiner Professur Generalkonservator der Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Seine mehrjährige Bemühungen um ein österreichisches Denkmalschutzgesetz waren wenig erfolgreich, wiewohl er den Bedenken privater Denkmalbesitzer (Adel, Kirche) gegenüber den drohenden finanziellen Belastungen weitgehend entgegenzukommen bereit war.

Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem ehrenhalber gewidmeten Grab bestattet.[1]

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kunsttheorie

Alois Riegl prägte für die Kunsttheorie den einflussreichen Begriff des Kunstwollens als definierende Kraft einer Stilepoche. Er wendete sich gegen eine an Werteurteilen orientierte Kunstgeschichtsschreibung und betonte die Bedeutung der damals als „Verfallszeiten“ geltenden Epochen (Spätantike). Seiner Ansicht nach ist die antike Kunst Ausgangspunkt sowohl der frühmittelalterlichen wie auch der orientalischen Kunst.

Denkmalpflege

Einflussreich wurden auch Riegls Konzepte in Sachen Denkmalschutz. Ähnlich Georg Dehio in Deutschland plädierte Riegl gegen die im 19. Jahrhundert verbreitete „Perfektionierung“ und den purifizierenden Weiterbau historischer Bauwerke (etwa gotischer Kirchen). Zum Unterschied von Dehios eher national geprägter Denkmalsicht vertrat Riegl aber einen supranational und universalistisch geprägten Denkmalbegriff, dessen Kern der Alterswert darstellt. (Riegls ideelles Wertesystem unterschied Gegenwartswerte und Erinnerungswerte. Zu den Gegenwartswerten zählte er den Gebrauchswert und den relativen Kunstwert, zu den Erinnerungswerten den historischen Wert und den von ihm besonders hervorgehobenen Alterswert.) Riegl wandte sich unter anderem im Falle des Diokletianspalastes in Split gegen eine Herausschälung des antiken Monuments und die Beseitigung der späteren ebenfalls schon historisch gewordenen Zubauten.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1954 wurde in Wien-Floridsdorf (21. Bezirk) die Rieglgasse nach ihm benannt.

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Altorientalische Teppiche. Leipzig 1892. Reprint Mäander Kunstverlag, Mittenwald 1979. Mit einer bibliographischen Einführung von Ulrike Besch. ISBN 3-88219-090-6.
  • Stilfragen. Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik. Berlin 1893 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv).
  • Volkskunst, Hausfleiß und Hausindustrie. Berlin 1894. Reprint Mittenwald, Mäander Kunstverlag, 1978 mit einem Nachwort von Mohammed Rassem. ISBN 3-88219-065-5.
  • Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn im Zusammenhange mit der Gesamtentwicklung der Bildenden Künste bei den Mittelmeervölkern. Wien 1901 (Digitalisat).
  • Das holländische Gruppenporträt. Österreichische Staatsdruckerei, Wien 1902 (Digitalisat).
  • Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung. Braumüller, Wien/Leipzig 1903 (Digitalisat).
    • Französische Übersetzung: Le culte moderne des monuments. Sa nature, son origine. Trad. et présenté par Jacques Boulet (= In Extenso. Band 3). École d'Architecture, Paris-Villemin 1984, ISBN 2-905222-02-6. Neuauflage: L'Harmattan, Paris 2003, ISBN 2-7475-5127-X.
    • Französische Übersetzung: Le culte moderne des monuments. Son essence et sa genèse. Trad. de l'allemand par Daniel Wieczorek. Éditions du Seuil, Paris 1984, ISBN 2-02-006821-4.
    • Englische Übersetzung: The modern cult of monuments: its character and origin. Tr. Kurt W. Forster and D. Ghirardo. In: Oppositions. Band 25, 1982, ISSN 0094-5676, S. 21–50.
    • Italienische Übersetzung: Il culto moderno dei monumenti. Il suo carattere e i suoi inizi. Tr.: Sandro Scarrocchia (= Rapporti della Soprintendenza per i beni artistici e storici per le province di Bologna, Ferrara, Forlì e Ravenna. Band 50). Nuova Alfa, Bologna 1985.
    • Spanische Übersetzung: El culto moderno a los monumentos. Caracteres y origen. Traducción de Ana Pérez López (= La balsa de la Medusa. Band 7). Visor, Madrid 1987, ISBN 978-84-7774-001-8 (2. Auflage ebenda 1999; 3. Auflage A. Machado Libros, Madrid 2008).
    • Spanische Übersetzung: El culto moderno de los monumentos, su carácter y sus orígenes. 1 ed. antológica y comentada en español por Aurora Arjones Fernández. Junta de Andalucía; Consejería de Cultura, Sevilla 2007, ISBN 978-84-8266-728-7.
    • Tschechische Übersetzung: Moderní památková péce; [prelozeno z nemeckých originálů. Ivo Hlobil; Ivan Kruis. Prekl. Ivo Hlobil ; Tomás Hlobil. Národní Památkový Ústav. Ed. a red.: Ivo Hlobil; Ivan Kruis. Prekl.: Ivo Hlobil ; Tomás Hlobil. Národní Památkový Ústav]. Národní Památkový Ústav, Ústrední Pracoviste, Prag 2003, ISBN 80-86234-34-7 (Übersetzung von Neue Strömungen in der Denkmalpflege und Der moderne Denkmalkultus).
  • Die Entstehung der Barockkunst in Rom. Akademische Vorlesungen … . Wien 1908. Mäander Verlag, München 1987, ISBN 3-88219-370-0
  • Gesammelte Aufsätze. Herausgegeben von Karl M. Swoboda. Filser, Augsburg / München 1929.
  • Historische Grammatik der bildenden Künste. Aus dem Nachlass herausgegeben von Karl M. Swoboda und Otto Pächt, Graz 1966; Nachdruck Mimesis Verlag, Sesto San Giovanni 2017, mit einer Einführung von Andrea Pinotti.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Person
Zum Werk
  • Renzo Casetti: Denkmalpflege und Öffentlichkeit – die Widersprüchlichkeit denkmalpflegerischer Entscheidungen – Klärungsversuch und Architekturtheorie. Zürich 1988, Forschungsprojekt des schweizerischen Nationalfonds (Methoden zur Erhaltung von Kulturgütern).
  • Renzo Casetti: Vom Nutzen und Nachteil der Historie im modernen Denkmalkultus. Der Einfluss von Friedrich Nietzsche auf Alois Riegl. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 62, 2008, Heft 1, S. 111–113.
  • Amir Djalali: Common Space: Politics and the Production of Architectural Knowledge. S. 97–147: Kapitel III. Will to Architecture. Alois Riegl’s Kunstwollen and the Politics of the Grossstadt, 1896–1936. doi:10.4233/uuid:52100da1-f6b1-42ce-929a-9fd329ab5d22.
  • Gabi Dolff-Bonekämper: Gegenwartswerte. Für eine Erneuerung von Alois Riegls Denkmalwerttheorie. In: Hans-Rudolf Meier, Ingrid Scheurmann (Hrsg.). DENKmalWERTE. Beiträge zur Theorie und Aktualität der Denkmalpflege. Georg Mörsch zum 70. Geburtstag. Deutscher Kunstverlag, Berlin, München 2010, ISBN 978-3-422-06903-9, S. 27–40.
  • Hans Fiebig: Kunst – Natur – Geschichte, wissenschaftsphilosophische und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen zum Positivismus in der Kunstgeschichte am Beispiel der Theorie Alois Riegls, Habilitationsschrift, Philosophische Fakultät, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel 1979 (unpubliziert).
  • Michael Gubser: Time's Visible Surface – Alois Riegl and the Discourse on History and Temporality in Fin-de-Siècle Vienna. Wayne State University Press, Detroit 2006.
  • Michael Falser: Zum 100. Todesjahr von Alois Riegl. Der ‚Alterswert’ als Beitrag zur Konstruktion staatsnationaler Identität in der Habsburg-Monarchie um 1900 und seine Relevanz heute. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege 59, 2005, Heft 3/4, S. 298–311.
  • Peter Noever, Artur Rosenauer, Georg Vasold (Hrsg.): Alois Riegl Revisited: Beiträge zu Werk und Rezeption. Contributions to the Opus and its Reception. Österreichische Akademie der Wissenschaften / MAK, Wien 2010, ISBN 978-3-7001-6498-2
  • Andrea Reichenberger: "Kunstwollen". Riegls Plädoyer für die Freiheit der Kunst. In: Kritische Berichte 31, 2003, Heft 1, S. 69–85 (Digitalisat).
  • Andrea Reichenberger: Riegls "Kunstwollen". Versuch einer Neubetrachtung. Academia-Verlag, Sankt Augustin 2003, ISBN 3-89665-252-4.
  • Hans Sedlmayr: Kunstgeschichte als Stilgeschichte. Die Quintessenz der Lehren Riegls. In: Hans Sedlmayr: Kunst und Wahrheit. Mäander Kunstverlag, Mittenwald 1978, ISBN 3-88219-075-2, S. 32–48.
  • Georg Vasold: Alois Riegl und die Kunstgeschichte als Kulturgeschichte. Überlegungen zum Frühwerk des Wiener Gelehrten. Rombach, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 978-3-7930-9402-9
  • Lambert Wiesing: Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Campus, Frankfurt am Main 2008, S. 57–91 (zu Riegls Bedeutung für die Entstehung der modernen Bildwissenschaften).
  • Richard Woodfield (Hrsg.): Framing Formalism: Riegls Work. G+b Arts International, Amsterdam 2001.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Grabstelle Alois Reigl (Memento vom 3. März 2021 im Internet Archive), Wien, Zentralfriedhof, Gruppe 30, Gruppe Erweiterung C, Reihe 7, Nr. 24. Abgerufen am 6. April 2024.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Alois Riegl – Quellen und Volltexte