Aratea des Avienus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Aratea des Avienus ist eine von dem Dichter Avienus Mitte des 4. Jh. n. Chr. angefertigte Übersetzung des auf Griechisch verfassten astronomischen Lehrgedichtes Phainomena des Aratos von Soloi in die lateinische Sprache.

Quellen und Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Avienus hält sich im Aufbau des Werkes und in den Einzeldarstellungen der Sternbilder eng an sein Vorbild. Allerdings erweitert er das Lehrgedicht von 1154 auf 1878 Hexameter. Dabei geht es ihm nicht um zusätzliches astronomisches Fachwissen, sondern um poetischen und mythologischen Schmuck. Er übernimmt zahlreiche Sternsagen (= Katasterismen), die sich ähnlich in den Catasterismi finden, die mit Eratosthenes von Kyrene in Zusammenhang gebracht werden, und im Werk des Hyginus Mythographus. Auch von lateinischen Dichtern lässt er sich inspirieren, insbesondere von Vergil und Ovid[1].

Es finden sich Anklänge an die früheren lateinischen Übertragungen von Cicero und Germanicus[2]. Die Sprache des Avienus weicht aber wesentlich ab. Sie ist voller dichterischer Ausschmückung und zielt geradezu ins Grandiose. Zahlreiche Archaismen und sprachliche Neuprägungen zeigen sein Bemühen um die Erneuerung und Bewahrung des Althergebrachten[3]. Während Aratos und seine Übersetzer Cicero und Germanicus nach dem Proömium sachlich den Gedanken entwickeln, dass beschrieben wird, was am Himmel dahinzieht, heißt es bei Avienus:
...Nox agit et uerso ceu fixa trahuntur Olympo
Das neutrale lateinische caelum (= Himmel) hat er durch Olympo (= Götterhimmel) ersetzt. Das ungewöhnliche Füllwort ceu wird bereits vom frührömischen Dichter Quintus Ennius verwendet[4]. Auch Wortneubildungen, wie cetosa (=zu Seefischen gehörig) setzt er ein (Vers 100)[5].

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Proömium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Proömium[6] gestaltet Avienus abweichend von Aratos als Aretologie für Juppiter. Er wird als Weltenschöpfer, Erschaffer der Jahreszeiten und Sterne gepriesen. Überdies habe er den Menschen Kenntnisse des Himmelsgewölbes und Sternenlaufs gewährt. Besondere Vermittler dieser Kenntnisse seien Eudoxos von Knidos und Aratos von Soloi, dessen Werk Avienus bearbeiten will.

Es ist eine synkretistische philosophische Religion der Spätantike[7]. Dabei gibt es Anklänge an viele Werke antiker Dichter und Philosophen, ohne dass sich eindeutige Zitate feststellen ließen. Die Anrufung Juppiters erinnert an den orphischen Zeushymnus[8]. Einige Gedanken sind bei Vergil und Ovid vorformuliert, z. B. die Idee der Himmelsreise des Dichters (Vers 4) ähnlich bei Ovid (Metamorphosen 15, 147ff.). Auch von Platon werden Gedanken übernommen, etwa die Führung durch Iuppiter (Vers 1, 2) aus Phaidros 246e. Aber auch die Stoiker kommen zu Wort. Ein Abglanz des Lobs der Schönheit des Himmels und der Sterne aus dem neuplatonischen Text des Plotin Über die Natur, die Schau und das Eine (30) steht in Vers 33–35.

Sternbilder und Himmelskreise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Danach folgt Avienus eng seinem griechischen Vorbild. Er stellt die Sternbilder von Nord nach Süd fortschreitend dar (Vers 77–907), erwähnt die Planeten (Vers 908–929), die Himmelskreise (Vers 930–1012), beschreibt die Sternbilder des Tierkreises (Vers 1013–1059) und die Auf- und Untergänge der Sternbilder (Vers 1060–1325).

Kalender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Vers 1326 bis 1383 werden die Mondphasen und der Sonnenlauf beschrieben sowie der Kalender, der auf diesen beiden Himmelskörpern beruht. Während Aratos nur vage von 19 Kreisen der strahlenden Sonne spricht, nennt Avienus Meton als Schöpfer des Meton-Zyklus, der Synchronisation von Mond- und Sonnenjahr.

Wetterzeichen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis zum Ende des Gedichtes beschreibt der Autor, eng seiner Vorlage folgend Ereignisse, die eine Vorhersage des Wetters gestatten sollen, zunächst Wolkenbildung, Wind und Himmelsverfärbung, dann Pflanzen- und Tierverhalten. Die Ereignisse enthalten keine abergläubischen Elemente und sind zum Teil genaue Naturbetrachtung, wie etwa die Zeit des Kranichfluges oder die Schwarmweite der Bienen.

Überlieferung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Werk wurde weniger rezipiert als die handlicheren Übersetzungen Ciceros und des Germanicus'. Dennoch finden sich in der nachfolgenden Dichtergeneration Beziehungen und Imitationen[9]. Der Text hat sich nur in zwei Handschriften erhalten, wobei der jüngere Codex Gudianus 132 in Wolfenbüttel von dem älteren Codex Vindobonensis Palatinus 107 (Philol. 128) aus dem 10. Jahrhundert abhängt. 1488 besorgten Giorgio Valla und Vittore Pisani eine erste gedruckte Ausgabe in Venedig[10].

Textausgaben und Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alfred Breysig: Rufi Festi Avieni Aratea. Teubner, Leipzig 1882 (Textausgabe, Digitalisat).
  • Gregor Fischer, Friedrich Köppner: Der gestirnte Himmel. Versuch einer Übersetzung der Phaenomena Aratea des Rufus Festus Avienus. Komotau 1893 (deutsche Übersetzung, Teil 1).
  • Gregor Fischer: Der gestirnte Himmel. Versuch einer Übersetzung der Aratea des Rufus Festus Avienus. Komotau 1896 (deutsche Übersetzung, Teil 2).
  • Jean Soubiran: Aviénus, les phénomènes d'Aratos. Les Belles Lettres, Paris 1981, ISBN 2-251-11020-8; ISBN 2-251-01020-3 (Textausgabe und französische Übersetzung).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dorothea Weber: Aviens Phaenomena, eine Arat-Bearbeitung aus der lateinischen Spätantike. Untersuchungen zu ausgewählten Partien (= Dissertationen der Universität Wien Bd. 173). VWGÖ, Wien 1986, ISBN 3-85369-622-8.
  • Kurt Smolak: Postumius Rufius Festus Avienus. In: Reinhart Herzog (Hrsg.): Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. Fünfter Band: Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr. C. H. Beck, München 1989, ISBN 3-406-31863-0, S. 320–327.
  • Franco Bellandi, Emanuele Berti, Maurizio Ciappi: "Iustissima Virgo". Il mito della Vergine in Germanico e in Avieno (saggio di commento a Germanico Arati Phaen. 96–139 e Avieno Arati Phaen. 273–352). Giardini, Pisa 2001, ISBN 88-427-0319-2.
  • Martin Fiedler: Kommentar von V. 367–746 von Aviens Neugestaltung der Phainomena Arats, Saur, München, Leipzig 2004, ISBN 3-598-77823-6.
  • Lothar Willms: Übersetzung, philologischer Kommentar und vergleichende Interpretation des Tierkreises in Aviens Phaenomena (Verse 1014–1325) (= AKAN-Einzelschriften – Antike Naturwissenschaften und ihre Rezeption Bd. 8). Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2014, ISBN 978-3-86821-508-3.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dorothea Weber: Aviens Phaenomena, S. 201ff.
  2. Dorothea Weber: Aviens Phaenomena, S. 200.
  3. Lothar Willms: Übersetzung, philologischer Kommentar und vergleichende Interpretation des Tierkreises in Aviens Phaenomena, S. 121.
  4. Karl Ernst Georges: Lateinisch-deutsches Handwörterbuch
  5. Karl Ernst Georges: Lateinisch-deutsches Handwörterbuch.
  6. Dorothea Weber: Aviens Phaenomena, S. 2–59.
  7. Kurt Smolak: Avienus. S. 326.
  8. Otto Kern: Orphicorum fragmenta, Berlin 1922, 21a.
  9. Kurt Smolak: Avienus S. 327.
  10. Jean Soubiran: Aviénus, les phénomènes d'Aratos, S. 76–79.