Armenversorgung

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Albert Anker: Die Armensuppe (1893)

Die Armenversorgung bzw. Armenhilfe oder Armenfürsorge geht in ihren Anfängen bereits auf die ersten Jahrhunderte v. Chr. zurück.

Frühe Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Armenhäuser hat es wahrscheinlich schon im Perserreich zur Zeit des Kyros gegeben, und im Judentum war es Pflicht, Armen, Waisen und Witwen zu helfen. Verschiedene Kulturen kannten einen Zehnt, der sozialen Zwecken diente.

Forscher der Universität Münster haben den bisher ältesten hebräischen Text außerhalb der Bibel entziffert. Auf einer rund 3.000 Jahre alten Tontafel geht es um Sozialgesetzgebung und darum, wie Ausländer, Witwen und Waisen geschützt werden sollten.[1]

Christentum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Jerusalemer Urgemeinde wurde laut Apg 2 und 4 eine allgemeine Gütergemeinschaft gepflegt, um die Armen versorgen und gleichberechtigt aufnehmen zu können. Die Apostelgeschichte berichtet an mehreren Stellen darüber, aber auch von Verstößen dagegen.

Ab dem Mittelalter wurde die Fürsorge von verschiedenen Orden wie den Kreuzrittern (insbesondere Johanniter und Deutscher Orden), den Franziskanern oder Ursulinen übernommen. Viele Städte und Pfarren führten Armenkasten oder andere Einrichtungen für ihre „Hausarmen“.[2] Auch reformorientierten Herrschern wie beispielsweise Kaiser Joseph II. war die Errichtung von Armenhäusern und -spitälern ein großes Anliegen. Es wurde später teilweise von Sozialreformern aufgegriffen, aber auch von sozial gesinnten Landesfürsten und Statthaltern. Ein Beispiel für Letztere ist der böhmische Gubernator Karl Chotek von Chotkow, der sich um 1830 neben der Förderung des allgemeinen Schulwesens auch um die Errichtung von Anstalten zur Armenversorgung verdient machte.

Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Soziales Netz: Verteilung von medizinischen Masken zur Bekämpfung der Corona-Pandemie

In den Notzeiten des 20. Jahrhunderts gehörten zur Armenhilfe auch Lebensmittelkarten, nach 1945 Ausspeisungen (z. B. der US-Besatzungsmacht), Rationen für Familien und Rentner sowie Erholungsaufenthalte für Kinder. Mit der Entwicklung des Wohlfahrtsstaates wurden Errungenschaften wie allgemeine Gesundheitsversorgung, Kranken- und Pensionskassen sowie Familienbeihilfen selbstverständlich. Heute ist das „soziale Netz“ in den meisten Industrieländern zwar eng geknüpft, leidet aber unter finanziellen Engpässen. Als Folge davon entwickeln sich widerstrebende Forderungen nach Eigenvorsorge versus Grundeinkommen oder nach Betriebspensionen und einem Mindestlohn.

In Entwicklungsländern ist hingegen nach wie vor der Familienverband die wichtigste Absicherung gegen extreme Armut, gefolgt von religiös motivierten Hilfswerken (Mission, EZA usw.) und der Entwicklungshilfe.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Blum: Staatliche Armenfürsorge im Herzogtum Nassau 1806–1866. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1987, ISBN 3-922244-79-3.
  • Ingomar Bog: Über Arme und Armenfürsorge in Oberdeutschland und in der Eidegenossenschaft im 15. und 16. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung. Band 34/35, 1975, S. 983–1001.
  • Lukas Clemens, Alfred Haverkamp, Romy Kunert (Hrsg.): Formen der Armenfürsorge in hoch- und spätmittelalterlichen Zentren nördlich und südlich der Alpen (= Trierer historische Forschungen. Band 66). Kliomedia, Trier 2011, ISBN 978-3-89890-131-4.
  • Ulrich Eisenbach: Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau. Fürsorgewesen und Arbeitserziehung vom 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1994, ISBN 3-922244-95-5.
  • Christopher Landes: Sozialreform in transnationaler Perspektive. Die Bedeutung grenzüberschreitender Austausch- und Vernetzungsprozesse für die Armenfürsorge in Deutschland (1880-1914) (= Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft, Bd. 236). Steiner, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-515-11304-5.
  • Bernhard Schneider: Christliche Armenfürsorge. Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters. Eine Geschichte des Helfens und seiner Grenzen. Herder, München 2017, ISBN 978-3-451-30518-4.
  • Sabine Veits-Falk: Öffentliche Armenfürsorge in Österreich im 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft I/2005.
  • Marie-Luise Windemuth: Das Hospital als Träger der Armenfürsorge im Mittelalter (= Sudhoffs Archiv. Beiheft 36). Stuttgart 1995.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 3.000 Jahre altes Sozialgesetz. In: livenet.ch. 7. Juni 2012, abgerufen am 8. Juni 2012.
  2. Eintrag „hausarm“. In: drw-www.adw.uni-heidelberg.de. Abgerufen am 6. März 2021.