Attaliden

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Die Attaliden waren ein Herrschergeschlecht zur Zeit des Hellenismus und die Herrscher von Pergamon.

Das Attalidenreich von Pergamon und die übrigen hellenistischen Monarchien um 200 v. Chr.

Aufstieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. gelang es dem General Philetairos, sich zwischen den rivalisierenden Diadochen Lysimachos und Seleukos I. einen faktisch unabhängigen Machtbereich im nordwestlichen Kleinasien zu schaffen: Ursprünglich diente Philetairos dem Lysimachos und beaufsichtigte für diesen einen Großteil des Staatsschatzes; 282 v. Chr. lief er aber endgültig zu Seleukos über. In der Folgezeit ließ er Münzen im Namen der Seleukiden schlagen, denen er sich weiter unterordnete, nutzte aber insbesondere seine Finanzmittel, um seinen Einfluss in der Region zu vergrößern. Sein Neffe Eumenes I. übernahm 263 die Herrschaft und stabilisierte das kleine Reich; er sagte sich von den Seleukiden los und konnte deren König Antiochos I. 261 oder 260 in einer Schlacht bei Sardeis besiegen. Fortan schlug er Münzen im eigenen Namen und schaffte es, seinem Herrschaftsgebiet den aus ökonomischen Gründen wichtigen Zugang zum Mittelmeer zu verschaffen. Sein Nachfolger Attalos I., nach dem die Dynastie benannt ist, nahm schließlich 238 den Königstitel an. Als Anlass diente ein Sieg seiner Truppen über die Galater.

Höhepunkt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anschließend nutzten die Attaliden die vorübergehende Schwäche der Seleukiden aus und eroberten größere Teile Kleinasiens; einige Jahre später gelang es den Seleukiden jedoch, diese Gebiete zurückzugewinnen und die Attaliden wieder auf ihr Kerngebiet um Pergamon zu beschränken.

Teilrekonstruktion des unter den Attaliden errichteten Pergamonaltars

Die Attaliden bauten ihre Residenzstadt prächtig aus (siehe Pergamonaltar) und schafften es, sich unter Ausnutzung der Konflikte der Großreiche als Mittelmacht zu etablieren. Früh lehnten sich die Könige eng an die Römer an, die seit 200 v. Chr. in den griechischen Osten vorstießen, und wurden dafür im Frieden von Apameia 188 v. Chr. mit erheblichen Gebietsgewinnen auf Kosten der Seleukiden belohnt. Unter Eumenes II. erreichten sie so den Höhepunkt ihrer Macht. Im Zusammenhang des Perseuskrieges fielen sie jedoch 168 v. Chr. ebenso wie Rhodos bei den Römern in Ungnade, nachdem sie sich offenbar um eine Vermittlung zwischen Rom und den Antigoniden bemüht hatten, was vom Senat als Illoyalität interpretiert wurde. Römische Politiker versuchten, Eumenes II. gegen seinen Bruder Attalos auszuspielen, um einen Bürgerkrieg in Pergamon auszulösen; dieser konnte nur knapp verhindert werden. Als Eumenes dann 166 v. Chr. ein großer Sieg über die Galater gelang, machten die Römer diesen Erfolg zunichte, indem sie den Besiegten die Freiheit und Unabhängigkeit garantierten. Die Attaliden mussten hilflos mitansehen, wie sie um die Früchte des teuer erkauften Sieges gebracht wurden.

Das Ende des Attalidenreichs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter Attalos II., der seinem Bruder Eumenes 159 v. Chr. auf dem Thron nachfolgte, führte man verlustreiche Kämpfe gegen Prusias II. von Bithynien; schließlich bat Attalos II. die Römer untertänigst um Hilfe, die diese auch gewährten. Damit waren die Attaliden endgültig zu ganz von Rom abhängigen Klientelkönigen geworden.

Der unbeliebte letzte attalidische Herrscher Attalos III. sah daher offenbar keine Zukunft mehr für sein Reich, sondern verfügte in seinem Testament, dass das Gebiet nach seinem Tod an Rom fallen solle. Möglicherweise wollte sich der kinderlose König auf diese Weise auch nur vorläufig, bis zur Geburt eines leiblichen Erbens, gegen einen Umsturz absichern; er starb aber bereits 133 v. Chr. Auf Betreiben des Volkstribuns Tiberius Sempronius Gracchus beschloss man in Rom jedenfalls, das Erbe nun tatsächlich anzunehmen, und der Versuch des Aristonikos, angeblich ein Cousin von Attalos III., sich gewaltsam gegen die Annexion zu wehren, scheiterte wenig später. Das einstige Attalidenreich bildete damit den Kern der römischen Provinz Asia.

Herrscher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Philetairos (281–263 v. Chr.): Offizier des Diadochen Lysimachos, Schatzhüter. Indem er sich mit den Seleukiden (Nachfolger aus der Diadochendynastie, Herrscher über Syrien und Kleinasien) arrangierte, erklärte Philetairos seine Unabhängigkeit von Lysimachos und gründete ein autonomes, anfangs noch sehr kleines Reich mit Pergamon als Hauptstadt.
  • Eumenes I. (263–241 v. Chr.): Neffe und Adoptivsohn von Philetairos. Er griff seinen mächtigen Oberherrn, den Seleukiden Antiochos I., an, erlangte so die Unabhängigkeit und konnte das pergamenische Gebiet vergrößern.
  • Attalos I. (241–197 v. Chr.): Großneffe und Adoptivsohn von Eumenes I. Er gewann die Schlacht an den Kaïkosquellen gegen die keltischen Galater und nahm daraufhin den Königstitel an.
  • Eumenes II. (197–159 v. Chr.): Sohn von Attalos I. Er unterstützte die Römer 190 v. Chr. in der Schlacht bei Magnesia gegen den Seleukiden Antiochos III. und weitete nach dem Frieden von Apameia (im heutigen Syrien) 188 v. Chr. die Staatsgrenzen des Königreiches Pergamon auf den größten Teil Westkleinasiens aus; sogar im Osten Thrakiens hatten die Attaliden nun Besitz. Während seiner Zeit erlebte das pergamenische Reich eine Blütezeit; gegen Ende seiner Herrschaft fiel er jedoch bei Rom in Ungnade und verlor einen Teil der hinzugewonnenen Gebiete wieder.
  • Attalos II. (159–138 v. Chr.): Bruder von Eumenes II. und unter seiner Herrschaft bereits Mitregent. Er ließ die Attalos-Stoa in Athen errichten.
  • Attalos III. (138–133 v. Chr.): Neffe von Attalos II. Der letzte Herrscher der Attalidendynastie war kinderlos und vererbte Pergamon testamentarisch an die Römer.
  • Aristonikos (gest. 129 v. Chr.): illegitimer Sohn des Eumenes II. und einer Epheserin. Beanspruchte als Eumenes III. den Thron Pergamons; sein Aufstand wurden von den Römern gewaltsam niedergeschlagen.

Stammbaum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 
 
 
 
 
 
 
 
Attalos
 
Boa
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Eumenes
 
Satyra
 
Philetairos
Rg. 302–263 v. Chr.
 
 
 
 
 
 
 
Attalos
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Eumenes I.
Rg. 263–241 v. Chr.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Antiochis
Tochter des Achaios
 
Attalos
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Apollonis
 
Attalos I.
Rg./Kg. 241–197 v. Chr.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
?
 
Eumenes II.
Kg. 197–159 v. Chr.
 
Stratonike
Tochter des Ariarathes IV.
 
Attalos II.
Kg. 159–138 v. Chr.
 
Philetairos
 
Athenaios
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Aristonikos (Eumenes III.)
 
Attalos III.
Kg. 138–133 v. Chr.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Reginald Edgar Allen: The Attalid Kingdom. A Constitutional History. Oxford 1983, ISBN 0-198-14845-3.
  • Ulrich Gotter: Pergamons Athen. Zur imitatio Athenarum unter den späten Attaliden. In: Ulrich Gotter, Elisavet Sioumpara (Hrsg.): Identität aus Stein. München 2022, S. 115–127.
  • Joachim Hopp: Untersuchungen zur Geschichte der letzten Attaliden (= Vestigia. Band 25). München 1977, ISBN 3-406-04795-5.
  • Esther Violet Hansen: The Attalids of Pergamon (= Cornell studies in classical philology. Band 36). Ithaca 1971, ISBN 0-801-40615-3.
  • Noah Kaye: The Attalids of Pergamon and Anatolia: money, culture, and state power. Cambridge University Press, Cambridge, New York 2022, ISBN 978-1-316-51059-9. – Rezension von Bradley Jordan, Bryn Mawr Classical Review 2023.03.27
  • Clemens Koehn: Krieg – Diplomatie – Ideologie. Zur Außenpolitik hellenistischer Mittelstaaten (= Historia-Einzelschriften. Band 195). Stuttgart 2007.
  • Elizabeth Kosmetatou: The Attalids of Pergamon. In: Andrew Erskine (Hrsg.): A Companion to the Hellenistic World. Oxford 2003, S. 159–174.
  • Christoph Michels: Unlike any Other? The Attalid Kingdom after Apameia. In: Altay Coskun, David Engels (Hrsg.): Rome and the Seleukid East. Brüssel 2019, S. 333–352.
  • Hatto H. Schmitt, Johannes Nollé: Attaliden, Attalidenreich. In: Hatto H. Schmitt, Ernst Vogt (Hrsg.): Lexikon des Hellenismus. Wiesbaden 2005, S. 169–176.
  • Peter Thonemann (Hrsg.): Attalid Asia Minor. Money, International Relations, and the State. Oxford 2013, ISBN 978-0-199-65611-0.
  • Martin Zimmermann: Pergamon. Geschichte, Kultur, Archäologie. München 2011.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Attaliden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien