Deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

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Die Auswärtige Kulturpolitik, vollständig Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, kurz „AKBP“, bezeichnet die Kulturdiplomatie der Bundesrepublik Deutschland.[1]

Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff der (auswärtigen) Kulturpolitik wurde maßgeblich vom Leipziger Kulturhistoriker Karl Lamprecht mitgeprägt, der 1912 die vielbeachtete Rede „Über auswärtige Kulturpolitik“ auf der Tagung des 1911 gegründeten Verbandes für internationale Verständigung zu Heidelberg hielt.[2] Einem Zitat des ehemaligen (1966–1969) deutschen Außenministers Willy Brandt folgend, wird sie im politischen Sprachgebrauch schlagwortartig als dritte Säule der deutschen Außenpolitik bezeichnet, neben den beiden weiteren Säulen, der klassischen Außenpolitik und der Außenwirtschaftspolitik.[3][4] Inzwischen wurde der Begriff der Auswärtigen Kulturpolitik auf den der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik erweitert, wobei Bildung auch den internationalen Wissenschaftstransfer mit einschließt.[5]

Zutreffend daran ist, dass sie in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Tat ein Drittel des Haushalts des Auswärtigen Amtes beanspruchte.

Aufgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Zielen der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik gehört, dass die Zielgruppen im Ausland das aktuelle kulturelle Leben oder die deutsche Sprache durch kulturelle Angebote, Sprachkurse oder die Nutzung von Bibliotheken mit deutschsprachigen Medien kennenlernen können. Eine weitere Variante sind weltweit empfangbare Fernseh-, Radio- oder Internetprogramme aus und über Deutschland, die sich in ihrer Programmgestaltung und durch Fremdspracheneinsatz bewusst an das Ausland richten (Deutsche Welle). Außerdem wird der internationale Kulturaustausch gefördert, indem Veranstaltungen z. B. in den Bereichen Literatur, Film, Theater, Tanz, Bildende Kunst, Musik, Archäologie, Architektur, Design oder Mode konzipiert und realisiert werden. Hinzu kommt die Vermittlungs- und Verbindungsarbeit zwischen kulturellen Instituten, Fachleuten und Künstlern in Deutschland und im jeweiligen Gastland, mit dem Ziel des Auf- und Ausbaus von Netzwerken in den Kulturlandschaften, den Kunstszenen oder den Kreativwirtschaften.[6]

Auf völkerrechtlicher Ebene hat Deutschland über 100 Kulturabkommen mit anderen Staaten abgeschlossen.

Im Zeitalter der Globalisierung dient die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, die dem Bedarf an finanziellen Mitteln und know-how entsprechend besonders ressourcenträchtig von Industriestaaten wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich, und anderen betrieben wird, auch dem Wettbewerb um hochqualifizierte Wissenschaftler. Hierfür werden Stipendien vergeben und Hochschulpartnerschaften unterstützt. (DAAD) Residenzprogramme sind ein weiteres Format, Künstler und Wissenschaftler zu vernetzen.

Ein weiteres, regionalbezogenes Arbeitsgebiet umfasst die Aktivitäten im Rahmen der kulturellen Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Transformationsländern. Hierzu werden Programme der Kapazitätenentwicklung und Professionalisierung, etwa für Journalisten und Künstler, angeboten. Die 2008 vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufene Aktion Afrika ist in diesem auch als „Kultur und Entwicklung“ geläufigen Bereich ein zusätzliches Aktionsfeld. Kooperationen der Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik mit den Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungspolitik sowie Nichtregierungsorganisationen sind größtenteils noch punktuell, einer Intensivierung wird aber seit 2006 nachgegangen.

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gestaltet wird die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des deutschen Staates vor allem durch die vom Auswärtigen Amt finanzierten Kulturmittler:

Laut der Internetseite des AA sind auch die politischen Stiftungen, die Kulturstiftung des Bundes, die Max Weber Stiftung, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ sowie private beziehungsweise unternehmensnahe Stiftungen und zivilgesellschaftliche Organisationen Partner des Auswärtigen Amts im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.[8]

Anders als in der Außenpolitik der übrigen Staaten soll der Einsatz von diesen nicht staatlichen Kulturmittlern den Aktionsfeldern der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ein regierungsunabhängiges Maß an Handlungsfähigkeit sichern. Diese Konstruktion trägt dem Umstand Rechnung, dass zu Zeiten der Gleichschaltungspolitik der NSDAP, von 1933 bis 1945, die Kulturpolitik nicht nur dem Reichspropagandaministerium unterstellt, sondern an den propagandistischen Zielen des NS-Staates ausgerichtet war und zum Instrument der nationalsozialistischen Auffassung von „deutscher Kultur“ und der Diskriminierung politisch Andersdenkender sowie insbesondere der deutschen jüdischen Kultur herabgesunken war. Der Grundsatz, dass der Staat kulturelle oder bildungsbeogene Angebote zwar finanziert, aber ihre Durchführung nicht-staatlichen Akteuren überlässt, entspricht weiterhin der historisch gewachsenen und nach dem 2. Weltkrieg in der Bundesrepublik wieder eingeführten Trennung der Förderung bzw. Trägerschaft einer vielfältigen und bürgernahen Kulturlandschaft.

Im Auswärtigen Amt bestehen in der Abteilung für Kultur und Kommunikation mehrere untergeordnete Referate, um die unterschiedlichen Kulturkreise zu berücksichtigen und die Zusammenarbeit mit den Mittlerorganisationen zu koordinieren. Im Einzelnen sind dies unter anderen das Referat 01 für Kultur- u. Medienbeziehungen Europa, USA, Kanada, Russland, Türkei, Zentralasien, Kaukasus, Deutsche Minderheiten im Ausland, das Rererat 02 für Kultur- und Medienbeziehungen Afrika, Asien, Australien, Pazifik, Lateinamerika und Karibik, das Referat 03 für Multilaterale Kultur- u. Medienpolitik (EU, Europarat), Kulturgutschutz, Rückführungsfragen, das Rererat 04 für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung, das Rererat 05 für Auslandsschulen und Sport, sowie das Ref. 606 für das Goethe-Institut, Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), deutsch-ausländische Kulturgesellschaften; Künste, Literatur, Film sowie überregionale Kulturprojekte.[9]

Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt
Nr. Name Amtsantritt Ende der Amtszeit
1 Friedrich Stieve[10] 1932 1939
2 Fritz von Twardowski[11] 1939 1943
3 Rudolf Salat, kommissarisch 1951 1955
4 Heinz Trützschler von Falkenstein 1955 1959
5 Dieter Sattler 1959 1965
6 Luitpold Werz 1966 1969
7 Hans Georg Steltzer 1970 1972
8 Hans Arnold 1972 1977
9 Kurt Müller 1977 1983
10 Barthold C. Witte 1983 1991
11 Lothar Wittmann 1992 1995
12 Hans-Bodo Bertram 1995 1998
13 Albert Spiegel 1998 2002
14 Wilfried Grolig 2002 2007
15 Martin Kobler 2007 2010
16 Werner Wnendt 2010 2012
17 Andreas Görgen 2014 2021
18 Ralf Beste 2022

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Udo Rossbach: Die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland: Grundlagen, Ziele, Aufgaben. eine Titelsammlung. Stuttgart 1980, DNB 800821556.
  • Bettina Hosseini: Die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens von 1949 bis 1963. Göttingen 1996, OCLC 1068760144.
  • Axel Schneider: Die auswärtige Sprachpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Eine Untersuchung zur Förderung der deutschen Sprache in Mittel- und Osteuropa, in der Sowjetunion und in der GUS 1982 bis 1995. Bamberg 2000, ISBN 3-926946-41-5.
  • Eckard Michels: Von der Deutschen Akademie zum Goethe-Institut. Sprach- und auswärtige Kulturpolitik. 1923–1960 (= Studien zur Zeitgeschichte, Band 70). Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57807-3 (Volltext digital verfügbar).
  • Martin Mumme: Strategien Auswärtiger Bewußtseinspolitik – Von der Macht der Ideen in der Politik. Eine kritische Analyse der deutschen auswärtigen Kulturpolitik und Vorschläge zu einer neuen Strategie. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 978-3-8260-3297-4.
  • Christian Saehrendt: Kunst als Botschafter einer künstlichen Nation. Studien zur Rolle der bildenden Kunst in der auswärtigen Kulturpolitik der DDR. Stuttgart 2009.[12]
  • Patrick Schreiner: Außenkulturpolitik. Internationale Beziehungen und kultureller Austausch. Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1647-7.
  • Annika Hampel: Fair Cooperation. Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik. Springer Verlag, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-07592-7.
  • Olaf Zimmermann, Theo Geißler: Die dritte Säule: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (Aus Politik & Kultur). Deutscher Kulturrat, Berlin 2018, ISBN 978-3-947308-08-8.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Auswärtiges Amt: Kultur und interkultureller Dialog. Abgerufen am 7. August 2020.
  2. Hannah Bauersachs: Wandlungsprozesse in der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Springer, 2019, S. 75.
  3. Auswärtiges Amt: Grundprinzipien deutscher Außenpolitik: Drei Säulen der Außenpolitik., 9. Oktober 2019, abgerufen am 9. Juni 2020.
  4. Auswärtiges Amt: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik: Basis für starke internationale Beziehungen., 16. Januar 2020, abgerufen am 9. Juni 2020.
  5. Olaf Zimmermann, Theo Geißler (Hrsg.): Die dritte Säule: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (= Aus Politik & Kultur. Band 16). Deutscher Kulturrat, Berlin 2018, ISBN 978-3-947308-08-8, S. 32, 48, 55, 95, 109, 113–114, 121, 126, 133, 154, 170, 174, 221–228.
  6. Annika Hampel: Fair Cooperation. Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik. Springer Verlag, Wiesbaden 2015, S. 68 f.
  7. Standorte - Goethe-Institut. Abgerufen am 9. Juni 2020.
  8. Auswärtiges Amt: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik: Basis für starke internationale Beziehungen. Abgerufen am 7. August 2020.
  9. Organisationsplan des Auswärtigen Amtes, Webseite des AA, abgerufen am 17. September 2019.
  10. Karl Kraus, Sidonie Nádherná von Borutín, Friedrich Pfäfflin: Briefe an Sidonie Nádherná von Borutín. 1913–1936. Band 1, Wallstein Verlag, 2005, ISBN 3-89244-934-1. (books.google.se)
  11. Hartmut Lehmann, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften: Fächer, Milieus, Karrieren. Vandenhoeck & Ruprecht, 2004, ISBN 3-525-35198-4. (books.google.de)
  12. Reviews in German History. 4/2011 by Jonathan Osmond; The American Historical Revue. April/2010 by Benita Blessing: (in English): (ahr.oxfordjournals.org) Journal of Cold War Studies. 3/2010 by Roger E. Kanet: Review (in English): (muse.jhu.edu) Revue de L'art. 1/2010 by Mathilde Arnaux (French)