Awngi (Sprache)

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Awngi (ˈawŋi)

Gesprochen in

Äthiopien, Amhara Region, Agew Awi Zone
Sprecher 553,400[1]
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

cus

ISO 639-3

awn

Awngi ist eine Zentral-Kuschitische Sprache, die von den Awis, einer Ethnie in Zentral-Gojjam im nordwestlichen Äthiopien, gesprochen wird. In der Literatur[2] wird die Sprache als eine Agau-Sprache klassifiziert, und als solche gehört sie zum Kuschitischen Zweig der Afro-Asiatischen Sprachfamilie.[1]

Die meisten Sprecher leben in der Agew Awi Zone, einem Bezirk der Amhara Region. Es gibt aber noch weitere Gruppen von Sprechern in verschiedenen Gegenden der Metekel Zone, einem Bezirk der Benishangul-Gumuz-Region. Der Status des Kunfel, einer anderen südlichen Agaw-Sprache in der Gegend westlich des Tanasees, ist noch nicht abschließend geklärt. Es ist mit dem Awngi eng verwandt und könnte ein Dialekt sein.[3]

Phonologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vokale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

vorn zentral hinten
offen i ɨ u
geschlossen e a o

Der Zentralvokal ​/⁠ɨ⁠/​ ist der standardmäßige epenthetische Vokal der Sprache und fast vollständig in seinem Auftreten vorhersagbar.[4][5]

Konsonanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

labial alveolar Palato-Velar Uvular
einfach labialisiert einfach labialisiert
Verschlusslaute stimmlos p t k q
stimmhaft b d g ɢ ɢʷ
Affrikaten stimmlos ʦ ʧ
stimmhaft z ʤ
Frikative f s ʃ
Nasale m n ŋ ŋʷ
Laterale l
Tap r
Approximanten w j
  • ​/⁠h⁠/​ tritt vor allem in Lehnworten in freier Variation mit Null auf.
  • ​/⁠ɢ⁠/​ wird gewöhnlich als uvularer stimmhafter Frikativ ​[⁠ʁ⁠]​ realisiert.
  • Obwohl ​/⁠z⁠/​ und ​/⁠ʤ⁠/​ phonetisch in den meisten Umgebungen als Frikative realisiert werden, sind sie doch aufgrund ihres Verhaltens in phonologischen Regeln in vieler Hinsicht als die stimmhaften Gegenstücke zu den stimmlosen Affrikaten anzusehen.[6][7]

Töne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Palmer[8] und Hetzron[9] haben beide drei bedeutungsunterscheidende Tonhöhen im Awngi identifiziert: Hoch, Mittel und Tief. Der Tiefton tritt allerdings nur am Wortende auf dem Vokal a auf. Ein fallender Ton (Hoch-Mittel) erscheint ebenfalls nur am Wortende.

Die Silbe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Silbe passt im Awngi normalerweise in das maximale Silbenschema CVC (C steht für einen Konsonanten, V für einen Vokal). Das bedeutet, dass man höchstens einen Konsonanten im Silbenanlaut und im Silbenreim findet. Ausnahmen kann es an Wortgrenzen geben, wo extrametrikalische Konsonanten auftreten können.

Phonologische Prozesse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemination[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In nicht-anlautenden Positionen gibt es im Awngi Kontrast zwischen geminierten und nicht-geminierten Konsonanten. Bei den folgenden Konsonanten tritt der Kontrast nicht auf: /ɢ, ɢʷ, ʦ, ʧ, j, w, ʒ/.

Vokalharmonie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn ein Suffix mit dem geschlossenen [+hoch] Vokal i an einen Stamm angehängt wird, kommt es zu einer produktiven Vokalharmonie. Hetzron nennt diesen Prozess Vokalhöhen-Assimilation. Der Prozess findet nur statt, wenn der zugrundeliegende Vokal der letzten Stammsilbe e ist. Dieser Vokal und alle vorangehenden Manifestationen von e und o übernehmen das Merkmal [+hoch], bis ein anderer Vokal angetroffen wird. Dann wird die Vokalharmonie abgeblockt. Hetzron[10] liefert das folgende Beispiel: /moleqés-á/ ‘Nonne’ vs. /muliqís-í/ ‘Mönch’.

Rechtschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Awngi wird in den Grundschulklassen 1 bis 6 in der Awi Zone als Unterrichtssprache verwendet. Die Rechtschreibung basiert auf der äthiopischen Schrift. Besondere Schriftzeichen fürs Awngi sind ጝ für den Laut ŋ und ቕ für den Laut q. Das Zeichen ፅ wird für ts, das Zeichen ኽ für den Laut ɢ verwendet. Verschiedene Gesichtspunkte der Awngi Rechtschreibung sind noch nicht abschließend geklärt.

Morphologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Nomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Nomen wird markiert für Numerus mit Genus (Maskulinum, Femininum oder Plural) und für Kasus. In einer Nominalklasse ist der Nominativ nicht markiert, in anderen Klassen durch -i für maskuline Nomen und durch -a für feminine Nomen. Andere Kasus sind Akkusativ, Dativ, Genitiv, Lokativ, Direktional, Ablativ, Komitativ, Komparativ, Invokativ und Translativ. Hetzron[11] nennt auch den Adverbial als einen Kasus des Awngi, aber eine Interpretation als Derivationsmarkierung scheint angemessener zu sein. Sowohl Numerus mit Genus als auch Kasus werden durch Suffixe am Stamm markiert.[12]

Das Verb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verbalmorphologie des Awngi weist eine Fülle von Konjugationsformen auf. Die vier Hauptzeiten sind Imperfektiv Vergangenheit, Imperfektiv Nicht-Vergangenheit, Perfektiv Vergangenheit und Perfektiv Nicht-Vergangenheit. Es gibt zahlreiche weitere koordinierte und subordinierte Formen, die wie die Hauptzeiten allesamt als Suffixe am Verbstamm markiert werden. Hinsichtlich der Person gibt es im Awngi die folgenden Unterscheidungen: 1sg, 2sg, 3mask, 3fem, 1pl, 2pl, 3pl.

Hetzron wies nach, dass die Verbalmorphologie des Awngi sich am ökonomischsten beschreiben lässt, wenn man für jedes Verb vier verschiedene Stämme ansetzt. Der erste Stamm wird für 3mask, 2pl und 3pl genutzt, der zweite für 1sg, der dritte für 2sg und 3fem, und der vierte für 1pl. Diese vier Stämme müssen für jedes Verb im Lexikon verzeichnet werden (und dazu auch noch der Infinitiv und die Imperativ-Formen); sie dienen dann als Basis für alle Formen des Verbs. Diese Stämme bleiben in allen Paradigmen gleich, und die Oberflächenformen aller Mitglieder eines Paradigmas lassen sich zuverlässig vorhersagen, wenn der Stamm sowie das unveränderliche Tempussuffix bekannt sind.[13]

Syntax[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Hauptverb im Satz steht ausschließlich am Satzende. Die Konstituentenreihenfolge im Satz ist Subjekt-Objekt-Prädikat. Subordination und Koordination wird ausschließlich durch Suffixe am Verb erzielt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Appleyard, David L. (2006) A Comparative Dictionary of the Agaw Languages (Kuschitische Sprachstudien – Cushitic Language Studies Band 24). Köln: Rüdiger Köppe Verlag.
  • Hetzron, Robert. (1969) The Verbal System of Southern Agaw. Berkeley & Los Angeles: University of California Press.
  • Hetzron, Robert. (1978) The Nominal System of Awngi (Southern Agaw) Bulletin of the School of Oriental and African Studies 41, pt. 1, S. 121–141. SOAS. London.
  • Joswig, Andreas (2006) The Status of the High Central Vowel in Awngi in: Uhlig, Siegbert: Proceedings of the XVth International Conference of Ethiopian Studies, Hamburg July 2003. S. 286–793. Harrassowitz. Wiesbaden.
  • Joswig, Andreas (2008) Rethinking Awngi Tone (PDF; 454 kB). in: Ege, Svein, Birhanu Teferra (Hrsg.): Proceedings of the 16th International Conference of Ethiopian Studies. S. 1417–1425. NTNU. Trondheim.
  • Andreas Joswig: The Phonology of Awngi (= SIL Electronic Working Papers). SIL International, 2010 (englisch, Online [PDF]).
  • Palmer, Frank R. (1959) The Verb Classes of Agaw (Awiya) Mitteilungen des Instituts für Orientforschung 7,2, Berlin, S. 270–297.
  • Information im Ethnologue: http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=awn
  • Information im World Atlas of Language Structures: http://wals.info/languoid/lect/wals_code_awn

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ethnologue Eintrag für ISO 339-3:awn
  2. Hetzron 1969 u. a.
  3. Hussen Mohammed, Ryan Boone & Andreas Joswig (2005): News on Southern Agaw Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 26. Februar 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tca.leidenuniv.nl
  4. Joswig (2006), S. 792.
  5. Joswig (2006), S. 786.
  6. Hetzron (1969), S. 7 f.
  7. Hetzron (1969), S. 4.
  8. Palmer (1959), S. 273.
  9. Hetzron (1969), S. 6.
  10. Hetzron (1997), S. 485.
  11. Hetzron (1978), S. 125 ff.
  12. Hetzron (1978)
  13. Hetzron (1969)