Axel Honneth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Axel Honneth (2016)

Axel Honneth (* 18. Juli 1949 in Essen) ist ein deutscher Sozialphilosoph.

Er wird international rezipiert und gehört zu den wichtigsten Mitgliedern der dritten Generation der Frankfurter Schule. Von 2001 bis 2018 war Honneth Direktor des Instituts für Sozialforschung (IfS) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er lehrt und forscht seit 2011 als Lehrstuhlinhaber der Jack C. Weinstein Professor of the Humanities an der Columbia University in New York.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Honneth studierte von 1969 bis 1974 Philosophie, Soziologie und Germanistik in Bonn und Bochum und schloss das Studium mit einem Magister in Philosophie ab. 1977 wurde er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin. Dort wurde er 1983 bei Urs Jaeggi mit der Arbeit Foucault und die Kritische Theorie promoviert (1985 unter dem Titel Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie veröffentlicht). Es folgte ab 1983 eine Anstellung als Hochschulassistent am Fachbereich Philosophie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie eine parallele Tätigkeit als „Fellow“ am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Im Juni 1990 habilitierte sich Honneth mit der Arbeit Kampf um Anerkennung am Fachbereich Philosophie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main bei Jürgen Habermas. 1991 erhielt er eine C3-Professur für Philosophie an der Universität Konstanz, ein Jahr später eine Professur für politische Philosophie am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Von September 1995 bis April 1996 war Honneth zudem Theodor-Heuss-Gastprofessor an der New School for Social Research in New York, bevor er 1996 auf den Lehrstuhl für Sozialphilosophie an die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main berufen wurde. Honneth hatte diesen Lehrstuhl bis 2015 inne. 1999 vertrat er für einige Monate den Spinoza-Lehrstuhl am Fachbereich Philosophie der Universiteit van Amsterdam. 2001 wurde Honneth zum geschäftsführenden Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main bestellt. Er führte das renommierte Institut bis Ende 2018. Seit Herbst 2011 lehrt er an der Columbia University in New York, seit dem Wintersemester 2017/18 als vollständiger Lehrstuhlinhaber der Jack C. Weinstein Professur of the Humanities.[2][3]

Axel Honneth ist mit der Philosophin und Übersetzerin Christine Pries verheiratet.

Forschungsschwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Honneths Forschungsgebiet ist die Sozialphilosophie. Im Zentrum seiner Arbeiten steht eine an die Jenenser Schriften des jungen Hegel und den symbolischen Interaktionismus George Herbert Meads anknüpfende Theorie der Anerkennung, die er in seinem bekanntesten Werk „Kampf um Anerkennung“ entfaltet. Dieses Werk wurde bislang schon in über fünfzehn Sprachen übersetzt. In seinem Werk Verdinglichung versucht er diesen marxistischen Schlüsselbegriff anerkennungstheoretisch zu reformulieren. Ein verwandtes Thema Honneths ist, ähnlich wie bei Habermas, die Rekonstruktion der Moralität interpersoneller Beziehungen. Moralische Entwicklung setzt interpersonale Beziehungen voraus und in deren Zentrum stehen Anerkennungsbeziehungen. Unter dem Stichwort „Pathologien der Vernunft“ strebt Honneth die Vergegenwärtigung und Weiterentwicklung einer kritischen Gesellschaftstheorie im Sinne der Frankfurter Schule an. Er greift dabei explizit auf psychologische und psychoanalytische Theorien und die zeitgenössische soziologische Theorie und Sozialontologie zurück.

In seinem Buch Das Recht der Freiheit (2011) entwickelt er ein Verfahren, von ihm „normative Rekonstruktion“ genannt, bei dem er aktuell maßgebliche Kriterien sozialer Gerechtigkeit aus der sozialen Wirklichkeit der westlichen Gesellschaften zu entnehmen versucht.[4] Honneth betont eine in wechselseitigen Anerkennungsbeziehungen verwirklichte, von der Freundschaft und der Liebe abstrahierte soziale Freiheit. Dieser unterstellt er zwei andere Freiheitsbegriffe: die negative Freiheit als die Freiheit, „eigene Vorstellungen eines guten Lebens unter Abwesenheit von äußerlichen Hindernissen verfolgen zu können, geschützt durch das elementare Rahmenwerk des Rechts“[5] und die reflexive Freiheit als die „Fähigkeit zur inneren Selbstbestimmung des eigenen Willens nach Maßgabe guter Gründe“.[6]

In seinem Buch Anerkennung. Eine europäische Ideengeschichte (2018) untersucht er die unterschiedlichen Ansätze, die den Begriff Anerkennung in England, Frankreich oder Deutschland ausmachen. Die wörtlichen Übersetzungen („reconnaissance“; „recognition“) sind nicht deckungsgleich, die zugrundeliegenden Perspektiven (in Deutschland vor allem Hegel, für die französische Tradition Rousseausamour propre“ und im angelsächsischen Sprachraum die Orientierung am Gemeinwohl nach Adam Smith und John Stuart Mill) sind ideengeschichtlich verschieden und bedürfen einer Zusammenschau. Honneth favorisiert den Hegelschen, auf der schöpferischen Auseinandersetzung des Menschen beruhenden Ansatz[7] und sucht dessen sozialphilosophischen Vorrang argumentativ zu untermauern. Ein so gewonnener, andere europäische Sichtweisen berücksichtigender Anerkennungsbegriff soll sein kritisches Potential in aktuellen Problemen wie der Flüchtlingskrise, den sogenannten „Fake News“ oder der Konstruktion von Identität entfalten.[8][9] Zu Honneths bekanntesten akademischen Schülerinnen und Schülern gehören u. a. Rahel Jaeggi, Martin Hartmann, Carolin Emcke, Martin Saar und Daniel Loick.

Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Honneth ist Mitherausgeber zahlreicher Fachzeitschriften u. a. der Deutschen Zeitschrift für Philosophie, des European Journal of Philosophy und der Zeitschrift Constellations. Von 2007 bis 2017 war Honneth Präsident der Internationalen Hegel-Vereinigung.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Essays

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mauro Basaure, Jan Philipp Reemtsma, Rasmus Willig (Hg.): Erneuerung der Kritik. Axel Honneth im Gespräch, unter Mitarbeit von Nora Sieverding, Campus, Frankfurt/New York 2009.
  • Rainer Forst, Martin Hartmann, Rahel Jaeggi und Martin Saar (Hg.): Sozialphilosophie und Kritik. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009.
  • Odin Lysaker/Jonas Jakobsen (Hg.): Recognition and Freedom. Axel Honneth’s Political Thought. Brill, Amsterdam 2015.
  • Christopher Zurn: Axel Honneth (Key Contemporary Thinkers, Bd. 1), Polity Press, London 2015.
  • Debating Critical Theory. Engagements with Axel Honneth, hrsg. v. Julia Christ, Kristina Leopold, Daniel Loick und Titus Stahl, Rowman & Littlefield, Lanham 2020.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Axel Honneth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Autorenprofil beim Suhrkamp Verlag, abgerufen am 6. Juli 2018.
  2. Axel Honneth an der Columbia University (Memento vom 15. April 2012 im Internet Archive)
  3. https://www.uni-frankfurt.de/44526981/Honneth_Axel
  4. Ulli F. H. Rühl: Rezensionen: Axel Honneth, Das Recht der Freiheit – Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit. In: Buchrezension. Abgerufen am 19. Oktober 2021.
  5. Das Recht der Freiheit - Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2011, S. 129–146. Zitiert nach: Hannes Kuch, Die Sozialisierung des Marktes. Soziale Freiheit und Assoziationen bei Axel Honneth, in: Sven Ellmers/Steffen Herrmann (Hg.), Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, Fink, Reihe HegelForum, 2016.
  6. Das Recht der Freiheit - Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2011, S. 173–190. Zitiert nach: Hannes Kuch, Die Sozialisierung des Marktes. Soziale Freiheit und Assoziationen bei Axel Honneth, in: Sven Ellmers/Steffen Herrmann (Hg.), Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, Fink, Reihe HegelForum, 2016.
  7. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: B. Selbstbewusstsein. IV. Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst. A. Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft. in: Phänomenologie des Geistes Theorie Werkausgabe, Bd. 3. Suhrkamp S. 145
  8. "Anerkennung" - Die Geschichte einer zentralen Idee Europas, Deutschlandfunk Kultur vom 6. Juli 2018, abgerufen am 6. Juli 2018.
  9. Warum Abschottung keine Lösung ist Axel Honneth im Gespräch mit Simone Miller, dlf-kultur, Sein und Streit (Audio 30:43 Min.), 8. Juli 2018 (zugleich Abrufdatum)
  10. Bruno-Kreisky-Preis 2015 an Axel Honneth. In: boersenblatt.net. 12. Januar 2016, abgerufen am 29. Februar 2024.
  11. Dieses Buch ist im Urteil von Jürgen Habermas eines der wichtigsten Werke seit 1950 The Most Important Philosophical Books Since 1950?.