Böhmit

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Böhmit
Böhmit-Kristalle auf Natrolith aus der Grube Saga 1, Porsgrunn, Norwegen (Sichtfeld: 10 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Bhm[1]

Chemische Formel
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/F.06
IV/F.06-020

4.FE.15
06.01.02.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[4]
Raumgruppe Amam (Nr. 63, Stellung 4)Vorlage:Raumgruppe/63.4
(auch A21am (Nr. 36, Stellung 4)Vorlage:Raumgruppe/36.4)[5]
Gitterparameter a = 3,693(1) Å; b = 12,221(2) Å; c = 2,865(1) Å[5]
Formeleinheiten Z = 4[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5[6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,02 bis 3,05; berechnet: [3,08][6]
Spaltbarkeit vollkommen nach {010}, gut nach {100}
Farbe weiß, hellgelb, gelbgrün, rotbraun
Strichfarbe weiß[6]
Transparenz durchscheinend
Glanz Glasglanz bis Perlmuttglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,644 bis 1,648[7]
nβ = 1,654 bis 1,657[7]
nγ = 1,661 bis 1,668[7]
Doppelbrechung δ = 0,017 bis 0,020[7]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = gemessen: 74 bis 88°; berechnet: 80°[7]

Böhmit ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der chemischen Zusammensetzung AlO(OH)[2] bzw. γ-AlOOH[3] und ist damit chemisch gesehen ein Aluminium-Oxid-Hydroxid.

Böhmit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem, entwickelt aber nur selten tafelige bis kurzprismatische Kristalle bis etwa zwei Millimeter Größe. Meist findet er sich in Form körniger bis massiger Aggregate. In reiner Form ist Böhmit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund der in Aggregatform polykristallinen Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine hellgelbe, gelbgrüne oder rotbraune Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist dagegen immer weiß.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unklar ist, ob Böhmit nach dem deutschen Geologen und Paläontologen Johannes Böhm (1857–1938)[6] oder nach dem deutsch-böhmischen Chemiker und korrespondierenden Mitglied der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften Johann (Hans, Jan) Böhm (1895–1952)[8] benannt wurde.[9]

Erstmals gefunden und beschrieben wurde es 1925 von dem Chemiker Johann Böhm (1895–1952) bzw. dem Geologen J. de Lapparent 1927, der es Böhmit nannte.[7]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Böhmit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Hydroxide und oxidische Hydrate“, wo er zusammen mit Akaganeit, Diaspor, Feitknechtit, Feroxyhyt, Goethit, Groutit, Lepidokrokit, Manganit, Schwertmannit und Tsumgallit die „Akaganeit-Gruppe“ mit der System-Nr. IV/F.06 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Böhmit ebenfalls in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“, dort allerdings in die Abteilung der „Hydroxide (ohne V oder U)“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit von Hydroxidionen (OH) und Kristallwasser (H2O) sowie der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seines Aufbaus in der Unterabteilung „Hydroxide mit OH, ohne H2O; Lagen kantenverknüpfter Oktaeder“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Böhmitgruppe“ mit der System-Nr. 4.FE.15 und dem einzigen weiteren Mitglied Lepidokrokit bildet.

Auch die Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Böhmit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide“ ein. Hier ist er ebenfalls Namensgeber der „Böhmitgruppe“ mit der System-Nr. 06.01.02 und den weiteren Mitgliedern Lepidokrokit und Guyanait innerhalb der Unterabteilung „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide mit der Formel: X3+O OH“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Böhmit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Amam (Raumgruppen-Nr. 63, Stellung 4)Vorlage:Raumgruppe/63.4 (auch A21am (Nr. 36, Stellung 4)Vorlage:Raumgruppe/36.4) mit den Gitterparametern a = 3,693(1) Å, b = 12,221(2) Å und c = 2,865(1) Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5]

Modifikationen und Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Böhmit ist eine Modifikation von Aluminiumhydroxid und eng verwandt mit Diaspor (α-AlO(OH)).

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Böhmit ist zusammen mit Diaspor, Gibbsit, sowie den Eisenmineralen Hämatit und Goethit ein Bestandteil von Bauxit.

Als eher seltene Mineralbildung kann Böhmit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet, wobei weltweit bisher (Stand 2017) knapp 190 Fundorte[10] bekannt sind. In Deutschland konnte das Mineral bisher nur am Bärenstein im Erzgebirge gefunden werden. In Österreich fand sich Böhmit unter anderem bei Dreistetten in Niederösterreich, in den Bauxitvorkommen des Untersberg in Salzburg und bei Weißwasser im Reichraminger Hintergebirge in Oberösterreich. In der Schweiz trat das Mineral bisher nur in der Gemeinde Collombey-Muraz im Kanton Wallis auf.

Weitere Fundorte sind Australien, Brasilien, China, Dominikanische Republik, Frankreich, Ghana, Griechenland, Grönland, Guyana, Irak, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Kambodscha, Kanada, Kolumbien, Madagaskar, Mexiko, Neuseeland, Nigeria, Norwegen, Russland, Schweden, Slowakei, Sudan, Tschechien, Türkei, Ungarn, die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Vietnam.[11]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Bestandteil von Bauxit ist Böhmit ein wichtiger Rohstoff zur Gewinnung von Aluminium.

Durch vorsichtige Dehydratisierung (Entwässerung) von Böhmit kann chemisch Aluminiumoxid (Al2O3) erzeugt werden, welches vor allem zur Herstellung von Keramiken, als Feuerfestmaterial oder in modernen Panzerungen für Fahrzeuge benutzt wird.

Man verwendet „Böhmitschichten“ für den Korrosionsschutz. Sachgemäß erzeugte Schichten (durch kochendes entionisiertes Wasser oder Wasserdampf) sind farblos bis milchig, weitgehend porenfrei, geschmacksneutral und gesundheitlich völlig unbedenklich. Der pH-Bereich liegt zwischen 3,5 und 9. Böhmitschichten schützen gegen Angriffe von kochendem Leitungswasser, Fruchtsäuren, Milchsäuren und leicht aggressiven Nahrungs- und Genussmitteln. Des Weiteren werden sie benutzt zum Schutz von Innenwänden von Behältern, Wärmetauschern und Leitungssystemen, da sie auch nach der Montage aufgebracht werden können.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jacques de Lapparent: L’alumine hydratée des bauxites. In: Comptes Rendus de L’Académie des Sciences Paris. Band 184, 1927, S. 1661–1662 (französisch, rruff.info [PDF; 151 kB; abgerufen am 31. Januar 2017]).
  • William F. Foshag: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 13, 1928, S. 72–72 (rruff.info [PDF; 70 kB; abgerufen am 31. Januar 2017]).
  • Gary G. Christoph, Charles E. Corbato, Douglas A. Hofmann, Rodney T. Tettenhorst: The crystal structure of boehmite. In: Clays and Clay Minerals. Band 27, Nr. 2, 1979, S. 81–86 (clays.org [PDF; 505 kB; abgerufen am 31. Januar 2017]).
  • Roderick J. Hill: Hydrogen atoms in boehmite: A single crystal X-ray diffraction and molecular orbital study. In: Clays and Clay Minerals. Band 29, 1981, S. 435–445 (clays.org [PDF; 951 kB; abgerufen am 31. Januar 2017]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Böhmit – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b IMA List of Mineral Names; November 2016 – Böhmite (Memento vom 1. Januar 2017 im Internet Archive) (englisch, PDF 1,8 MB; S. 23)
  3. a b Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 239.
  4. Webmineral (englisch)
  5. a b c Roderick J. Hill: Hydrogen atoms in boehmite: A single crystal X-ray diffraction and molecular orbital study. In: Clays and Clay Minerals. Band 29, 1981, S. 435–445 (clays.org [PDF; 951 kB; abgerufen am 31. Januar 2017]).
  6. a b c d Böhmite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 65 kB; abgerufen am 31. Januar 2017]).
  7. a b c d e f Mindat – Böhmite (englisch)
  8. Web of Science v České republice: Bulletin 04_2000
  9. Meine liebe Hildička!“ Mutmaßungen über Hans Böhm. Von Peter Lachnit und Heike Possert, Radioprogramm Ö1, 18. Dezember 2010
  10. Mindat – Anzahl der Fundorte für Böhmite
  11. Fundortliste für Böhmit beim Mineralienatlas und bei Mindat