Barbital

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Strukturformel
Struktur von Barbital
Allgemeines
Freiname Barbital
Andere Namen
  • 5,5-Diethylbarbitursäure (IUPAC)
  • 5,5-Diethyl-(1H,3H,5H)-pyrimidin-2,4,6-trion
  • Veronal
Summenformel C8H12N2O3
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 57-44-3
EG-Nummer 200-331-2
ECHA-InfoCard 100.000.301
PubChem 2294
DrugBank DB01483
Wikidata Q412409
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05CA04

Wirkstoffklasse

Sedativum

Eigenschaften
Molare Masse 184,19 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

189–191 °C[1]

pKS-Wert

8,14 (15 °C)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[1]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Barbital oder Diethylbarbitursäure (Handelsname: Veronal) ist ein lang wirksamer Abkömmling der Barbitursäure, der früher als Schlafmittel genutzt wurde. Weil es bei unsachgemäßer Dosierung – da es die meisten Stoffwechselprozesse hemmt – leicht zum Tode führt und zudem Missbrauchsgefahr besteht, ist es in diesem Anwendungsgebiet nicht mehr gebräuchlich.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Barbital wurde erstmals 1882 von Max Conrad und Max Guthzeit ohne nähere Identifizierung hergestellt.[3] Zwanzig Jahre später, 1902, wurde es erstmals von dem Deutschen Emil Fischer[4] und dessen Neffen Alfred Dilthey[5] synthetisiert sowie von Josef von Mering als Schlafmittel charakterisiert.[6] Unter dem Markennamen Veronal wurde Barbital in Tablettenform 1903 von Merck als erstes Barbiturat auf den Markt gebracht. Als Narkosemittel hatte es sich wegen seiner in höheren Dosierungen toxischen Nebenwirkung nicht durchgesetzt, wurde jedoch als starkes Beruhigungsmittel (Sedativum) im Rahmen der Prämedikation vor Narkosen eingesetzt.[7] In Kombination mit Amidopyrin wurde es viele Jahre als Veramon, beworben u. a. auch als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden, vom Unternehmen Schering–Kahlbaum AG vertrieben. Barbitalhaltige Fertigarzneimittel sind heute weltweit nicht mehr im Handel. In Deutschland ist Natriumbarbitalsalz für Apotheken als Rezeptursubstanz für die Arzneimittelherstellung erhältlich.

Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Barbital ist präparativ aus Diethylmalonsäurediethylester und Harnstoff zugänglich. Die Reaktion findet bei 100 °C unter dem Einfluss von Natriumethanolat statt, es fällt dabei das Dinatriumsalz der 5,5-Diethyl-barbitursäure aus. Bei gleicher Ausbeute kann Barbital auch direkt aus dem Disäurechlorid der Diethylmalonsäure und Harnstoff hergestellt werden.[8][9] Bereits 1904 verwendete Fischer die Bezeichnung „Veronal“ für die alkalifreie Substanz.

Synthese von Barbital
Synthese von Barbital

Verwendung in der Chemie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Diethylbarbitursäure-Mononatriumsalz wird als Pufferlösung in der Elektrophorese verwendet (Veronal-Acetat-Puffer), meist als ca. 0,02 bis 0,05 molare Lösung. Da die Beschaffung durch das Betäubungsmittelgesetz aber stark beschränkt wird, kommt es nur noch selten zum Einsatz.

Barbital in Literatur, Film und Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glasflasche für Veronal
Veronal der Firma Bayer in Glasröhrchen mit Korkverschluss und 10 Tabletten

Barbital war bekannt als zum Suizid genutztes Präparat und wird unter dem früher gängigen Markennamen Veronal[10] bis in die 1960er-Jahre häufig in der Literatur als Mittel zum Suizid zitiert, so beispielsweise in Arthur Schnitzlers Fräulein Else oder Vicki Baums Menschen im Hotel.

In Agatha Christies 1926 erschienenem Kriminalroman Alibi (The Murder of Roger Ackroyd) finden sowohl die wohlhabende Witwe Mrs. Ferrars als auch später ihr Erpresser Dr. Sheppard den Tod durch Veronal, jeweils in suizidaler Absicht.

Im Kinofilm Die Sünderin (1951) leistet die Hauptdarstellerin ihrem Freund mit Veronal aktive Sterbehilfe und begeht danach auf dieselbe Art Suizid. In dem Film Einmal wirklich leben (1952) antwortet eine Krankenschwester auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie Krebs hätte: „Es gibt in diesem Hause genug Veronal, Herr Doktor.“ Fast schon als Running gag sind die wiederholten Selbstmordversuche einer im Hintergrund bleibenden, Monti genannten Figur in Dany, bitte schreiben Sie (1956) zu bezeichnen: Da der Mode-Designer und Frauenheld Hannes Pratt (Rudolf Prack) sie dauernd versetzt, vergiftet sie sich immer wieder; die Dosis sei dabei immer „geschickt bemessen“. In Fahrstuhl zum Schafott (1958) begehen Veronique und Louis einen Selbstmordversuch mit Veronal.

Auf dem Album Zum Glück in die Zukunft des Rappers Marteria ist ein Lied dem Schlafmittel Veronal gewidmet. Das Medikament taucht ebenfalls in dem Song Lasky Jedne Plarovlasky (Album Original Gasman Band, 1989) der Münchner Band F. S. K. auf.

In der zwölften Folge (Atomgespenster) der Hörspielserie Larry Brent soll der Titelheld mit Veronal getötet werden, was durch eine Blutwäsche verhindert wird. In Truman Capotes Novelle Frühstück bei Tiffany wird Veronal mehrmals von der Literaturfigur Holly Golightly genannt.

Im Roman Stalingrad des Autors Theodor Plievier begeht Oberst Enders Suizid mit Veronal, um der Gefangennahme durch die Rote Armee zu entgehen.

Im Film Mord im Orient Express wird Edward Ratchett (gespielt von Johnny Depp) mit Barbital betäubt und anschließend ermordet.

In der Erzählung Die Weihnachtsgans Auguste von Friedrich Wolf versucht der Opernsänger Luitpold Löwenhaupt, die Gans, die er lebendig gekauft hat, mit Veronal einzuschläfern, um sie für die Familie als Weihnachtsbraten zu verwenden.

Der Markenname Veronal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In ihrem Roman Der eiserne Sommer liefert die Autorin Angelika Felenda eine Erklärung für den Markennamen „Veronal“:[11]

„…Jedenfalls«", sie lachte kurz auf, »hat der Entdecker des Medikaments, der [mit dem Zug] nach Basel fahren wollte, nach Einnahme desselben bis Verona durchgeschlafen, – daher auch der Name…“

Angelika Felenda: Der eiserne Sommer

Diese Erklärung findet sich auch in mehreren anderen Quellen wieder.[12][13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Datenblatt 5,5-Diethylbarbitursäure bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 2. Dezember 2016 (PDF).
  2. Eintrag zu Barbital in der DrugBank der University of Alberta, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  3. M. Conrad, M. Guthzeit: Über Barbitursäurederivate. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 15, 1882, S. 2844–2850.
  4. Vgl. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 26.
  5. Alfred Dilthey (* 22. August 1877 in Rheydt, † 22. Juli 1915 in Polen/Rußland) – genealogy.net – Emil Fischer: Aus meinem Leben. S. 197 ff.; Textarchiv – Internet Archive
  6. E. Fischer, J. von Mering: Über eine neue Klasse von Schlafmitteln. In: Therapie der Gegenwart. Band 44, 1903, S. 97–101.
  7. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 16.
  8. E. Fischer, A. Dilthey: Ueber C-Dialkylbarbitursäuren und über die Ureïde der Dialkylessigsäuren. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie, 335, 1904, S. 334–368. doi:10.1002/jlac.19043350303
  9. A. W. Frahm, H. H. J. Hager, F. v. Bruchhausen, M. Albinus, H. Hager: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis: Folgeband 4: Stoffe A-K. Birkhäuser, 1999, ISBN 978-3-540-52688-9, S. 373.
  10. Vgl. etwa Hans Killian: Hinter uns steht nur der Herrgott. Sub umbra dei. Ein Chirurg erinnert sich. Kindler, München 1957; hier: Lizenzausgabe als Herder-Taschenbuch (= Herderbücherei. Band 279). Herder, Freiburg/Basel/Wien 1975, ISBN 3-451-01779-2, S. 29.
  11. Angelika Felenda: Der eiserne Sommer. Hrsg.: Suhrkamp Verlag. 4. Auflage. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-518-46713-8, S. 121.
  12. Avoxa-Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH: Geschichte eines Schlafmittels. Abgerufen am 30. Oktober 2022.
  13. Woher die merkwürdigen Namen? 21. November 2013, abgerufen am 30. Oktober 2022.