Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

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Gerichtsgebäude in der Münchener Ludwigstraße
Außenstelle Ansbach des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) bildet die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bundesland Bayern und hat seinen Hauptsitz in München mit einer Außenstelle in Ansbach. Gerichtsbezirk ist das gesamte Gebiet des Bundeslandes. Seit Februar 2020 steht mit Andrea Breit als Präsidentin erstmals eine Frau an der Spitze des Gerichts.

VGH statt OVG[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anders als in den meisten Bundesländern heißt die verwaltungsgerichtliche Mittelinstanz in Bayern nicht Oberverwaltungsgericht (Abkürzung OVG). Vielmehr hat Bayern nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO (BY) von der in § 184 VwGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die historische Bezeichnung Verwaltungsgerichtshof (abgekürzt VGH) beizubehalten. Eine weitere Besonderheit ist, dass der Verwaltungsgerichtshof wie auch die Verwaltungsgerichte in Bayern dem Geschäftsbereich des Innenministeriums, und nicht, wie in den anderen Bundesländern, dem Justizressort zugeordnet ist. § 3

Besetzung und Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2020 waren 68 Richterinnen und Richter beschäftigt, die sich auf 21 Senate verteilen. Daneben gibt es noch sechs Fachsenate (einen Flurbereinigungssenat, zwei Disziplinarsenate, zwei Senate für Personalvertretungssachen, einen Senat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO) und einen Senat für Entscheidungen nach § 198 GVG (Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren).[1] Auswärtige Senate in Ansbach sind der 12., 19., 20. und 21. Senat.[2] Präsidentin des VGH ist seit 2020 Andrea Breit;[3] neun Richter des Verwaltungsgerichtshofs sind zugleich Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.[4]

Instanzenzug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der VGH ist dem Bundesverwaltungsgericht untergeordnet. Nachgeordnete Gerichte sind die Bayerischen Verwaltungsgerichte Ansbach (Mittelfranken), Augsburg (Schwaben), Bayreuth (Oberfranken), München (Oberbayern), Regensburg (Oberpfalz und Niederbayern) und Würzburg (Unterfranken).

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kann auf eine lange Geschichte zurückblicken.[5]

Vorgeschichte und Errichtung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits im Grundlagengesetz vom 4. Juni 1848 war die Trennung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit auch auf der untersten staatlichen Stufe vorgesehen. Nachdem 1862 die Zivil- und Strafsachen bei den Landgerichten verblieben, übernahmen die neu gegründeten Bezirksämter die untere Staatsverwaltung. Gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgesetz des Deutschen Reiches wurde am 1. Oktober 1879 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ins Leben gerufen.

Ursprüngliche Zuständigkeit und Befugnisse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der untersten Ebene wurde die Verwaltungsrechtspflege von Organen der Verwaltung ausgeübt, die jedoch sachlich unabhängig und weisungsfrei waren. Die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs richtete sich nach einem umfangreichen Katalog. Bis zum Zweiten Weltkrieg war der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die einzige von der Verwaltung institutionell getrennte Rechtsschutzinstanz für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten in Bayern. Die Gesetze von 1878 und 1879 galten mit Änderungen bis nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Erst das (bayerische) Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946 hob beide Gesetze förmlich auf. Seitdem ist er aufgrund einer Generalklausel für eine Vielzahl von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten zuständig.

Die Entwicklung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bis zum Ende der Monarchie 1918[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gericht befasst sich in den ersten rund 40 Jahren seines Bestehens im Wesentlichen mit Fällen rund ums Standesrecht (Ehe), Gewerberecht, Sozialversicherung und Armenhilfe, Staatsaufsicht sowie Gemeindebürger- und Heimatrecht. 1913 zog der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in das in den Jahren 1835 bis 1839 erbaute, sogenannte Damenstiftsgebäude in der Ludwigstraße 23, in dem er bis heute, also nunmehr seit über hundert Jahren seinen Sitz hat.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof während der Weimarer Republik 1919–1933[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Ende der Monarchie wurde das gesamte Recht umfassend reformiert. Dadurch erwuchsen dem Gericht neue Aufgaben, während andere beispielsweise durch die Reichsgesetzgebung entfielen. Zur Entlastung wurde in einer Reihe von Angelegenheiten die Anrufung der letzten Instanz ausgeschlossen. Tätigkeitsschwerpunkte waren in dieser Zeit das kommunale Selbstverwaltungsrecht sowie das Fürsorgerecht.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof während des Nationalsozialismus 1933–1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während der Diktatur wurden die gerichtlichen Tätigkeiten immer weiter eingeschränkt, bis sie schließlich am 10. November 1944 gänzlich zum Erliegen kamen. Am 7. Januar 1945 verbrannten nach einem Luftangriff auf das Gebäude des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs fast alle Akten und Geschäftsbücher.

Die Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Versuch, die Tätigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits am 15. November 1945 wieder aufzunehmen, scheiterte am damaligen Richtermangel. Durch das bayerische Gesetz Nr. 39 wurde am 25. September 1946 in Bayern die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf eine neue Grundlage gestellt. So wurden sechs erstinstanzliche Verwaltungsgerichte vorgeschaltet (s. Abschnitt Instanzenzug). Seit Dezember 1995 hat der Verwaltungsgerichtshof eine Außenstelle im mittelfränkischen Ansbach, in der vier Senate mit insgesamt 13 Richtern tätig sind.[1]

Am 13. Januar 2020 wurde mit Andrea Breit erstmals in der Geschichte des Gerichts eine Frau zur Präsidentin berufen.

Die Leitung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Name Lebensdaten Amtszeit
Gottfried von Feder 1806–1892 1. Januar 1879 bis 12. Oktober 1888
Lorenz von Braunwart 1826–1904 13. Oktober 1888 bis 30. Juni 1896
Gustav von Kahr (der Ältere) 1833–1905 1. Juli 1896 bis 31. Oktober 1905
Max von Müller 1841–1906 1. November 1905 bis 14. April 1906
Wilhelm von Lermann 1846–1917 1. Juni 1906 bis 30. September 1912
Carl Johann von Krazeisen 1851–1924 1. Oktober 1912 bis 31. Dezember 1918
Ludwig von Knözinger 1862–1943 1. Januar 1919 bis 15. Oktober 1924
Gustav von Kahr 1862–1934 16. Oktober 1924 bis 31. Dezember 1930
Hans Schmelzle 1874–1955 1. Januar 1931 bis 30. April 1939
Ottmar Kollmann 1886–1969 1. September 1950 bis 31. Mai 1954
Jakob Kratzer 1892–1974 1. Juli 1954 bis 30. November 1957
Hermann Feneberg 1903–1977 1. Februar 1958 bis 31. August 1968
Erich Eyermann 1906–1998 1. September 1968 bis 30. Juni 1974
Johann Schmidt 1922–2010 1. Juli 1974 bis 31. März 1987
Klaus Werner Lotz 1930–2022 16. April 1987 bis 31. Mai 1995
Johann Wittmann * 1937 1. Juni 1995 bis 31. Juli 2002
Rolf Hüffer * 1945 1. August 2002 bis 30. September 2010
Stephan Kersten * 1954 1. Oktober 2010 bis 31. Januar 2020
Andrea Breit * 1963 seit 1. Februar 2020[6]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Wir-über-uns-Information auf der Website des VGH, abgerufen am 10. Februar 2020
  2. BayVGH: Geschäftsverteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für das Geschäftsjahr 2020@1@2Vorlage:Toter Link/www.vgh.bayern.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven)
  3. StMI: Wechsel an der Spitze des BayVGH
  4. BayVerfGH: Verzeichnis der Richterinnen und Richter
  5. Klaus Werner Lotz: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, publiziert am 11. Mai 2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: [1] (21. Januar 2017).
  6. Bericht aus der Kabinettssitzung vom 13. Januar 2020. Bayerische Staatsregierung, 13. Januar 2020, abgerufen am 13. Januar 2020.

Koordinaten: 48° 8′ 54,5″ N, 11° 34′ 48,1″ O