Bentheimer Landschwein

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Bentheimer Landschwein im Tiergarten Nürnberg

Das Bunte Bentheimer Schwein (oder Bentheimer Landschwein) ist eine Schweinerasse aus der Grafschaft Bentheim und dem Emsland. Das Bunte Bentheimer Schwein ist vom Aussterben bedroht. Heutzutage gewinnt diese Rasse vermehrt an Bedeutung, da sie, im Gegensatz zu den hochgezüchteten Schweinen, durch eine bessere Fleischqualität gekennzeichnet ist. Der Speckanteil ist verhältnismäßig hoch, das Fleisch selbst weist einen hohen intramuskulären Fettanteil auf, was sich positiv auf die sensorischen Qualitäten des Fleisches auswirkt (Geschmack, Aussehen, Brateigenschaften).[1] Das Bunte Bentheimer Schwein hat über den ganzen Körper verteilt größere schwarze Flecken, ist frühreif und fruchtbar.

Die Geschichte des Bunten Bentheimer Schweines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bentheimer Sau beim Spanen der Ferkel
Bentheimer Sau beim Spanen der Ferkel
Bentheimer Ferkel unter einer Rotlichtlampe
Bentheimer Ferkel unter einer Rotlichtlampe

Die Geschichte der Bunten Bentheimer Schweine beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals waren in Deutschland die Bäuerinnen für die Schweinehaltung auf den Höfen verantwortlich. Neben den vorherrschenden weißen Landschweinrassen war bei ihnen die Haltung bunter und gescheckter Rassen beliebt. Das Bunte Bentheimer Schwein war eine fruchtbare, genügsame, stressresistente und anspruchslose Schweinerasse mit guten Muttereigenschaften. Die Ferkel ließen sich aufgrund der guten Fleischqualität – und nicht zuletzt auch wegen der Scheckung – auf den Märkten gut absetzen.

Ursprungsrassen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Norddeutschland war man zu dieser Zeit mit den Leistungen der derzeitigen Hausschweine offensichtlich nicht mehr zufrieden und begann um ca. 1840 in das sogenannte Marschschwein, eine Variante des europäischen Landschweins, Schläge einzukreuzen. Darunter waren Berkshire-Eber und Cornwallschweine aus England. Die heutigen niedersächsischen Landkreise Grafschaft Bentheim, Emsland und Cloppenburg sowie das westfälische Wettringen können dabei als Ursprungsorte angesehen werden. Es wurden jeweils die aus den oben genannten Kreuzungen fallenden bunten Ferkel mit Schlappohren zur Zucht weiterbenutzt. Ganz vereinzelt tauchen bei Würfen auch Ferkel mit gelb-rötlicher Farbe auf, die mit schwarzen Flecken durchsetzt ist. Eine genaue Erklärung hat man bis heute dafür nicht gefunden. Man vermutet, dass zeitweilige Einkreuzungen von Tamworth-Schweinen oder ungewollte Deckungen durch Wildschwein-Eber dafür verantwortlich sind.

Blütezeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1950er-Jahren lag die Hochzeit der Bunten Bentheimer Schweine. Als einfach und günstig zu haltende sowie überaus fruchtbare Tiere lieferten sie ein Fleisch von exzellenter Qualität, das nach den schweren Kriegszeiten auch sehr gefragt war. Die Rasse wurde in einem bundesweiten Herdbuch offiziell geführt.

Niedergang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Aufkommen des Wirtschaftswunders in Westdeutschland änderten sich die Verbrauchergewohnheiten. Fettarmes Fleisch war nun gefragt, das die Bunten Bentheimer aufgrund des „ungünstigen“ Fleisch-Fett-Verhältnisses (gegenüber dem Anteil in heutigem Schweinefleisch) nicht liefern konnten.[2] Auch die Schweinezucht änderte sich – wenige „Wirtschaftsrassen“ nahmen den Platz früherer, regional angepasster Rassen ein. Das Herdbuch wurde aufgelöst und die Zahl der Züchter des Bunten Bentheimer Schweines ging drastisch zurück. Letztlich hielt nur der Züchter Gerhard Schulte-Bernd aus Isterberg in der Grafschaft Bentheim an der Haltung der Swatbunten fest und bemühte sich über Jahre hinweg, Behörden und Landwirte von einer koordinierten Weiterzucht und Vermarktung zu überzeugen. In den 1990er Jahren hielt er praktisch den gesamten noch vorhandenen Bestand des Bunten Bentheimer Schweines. Bei nur noch rund 100 Zuchttieren deutschlandweit war diese Rasse hochgradig vom Aussterben bedroht. Die Hartnäckigkeit von Schulte-Bernd, die Rückkehr zur Stärkung regionaler Kultur und damit auch Tierhaltung (Erhalt wichtiger genetischer Ressourcen) führen nun zu einer neuen Blüte dieser alten Haustierrasse.[3]

Das Bentheimer Landschwein wurde 1995 von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres“ erklärt.

Verein zur Erhaltung des Bunten Bentheimer Schweines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bentheimer Landschwein (im Museumsdorf Cloppenburg)

Am 1. März 2003 wurde der Verein zur Erhaltung des Bentheimer Schweines e. V im Tierpark Nordhorn von Haltern, Züchtern und Freunden des Bunten Bentheimer Schweines gegründet. Der gemeinnützige Verein richtete ein bundesweites Herdbuch ein. Die Zuchtpopulation hatte sich von 50 im Jahr 2003 auf 572 Stammtiere im Jahr 2008 erholt. 2008 waren 88 Herdbuchzuchtbetriebe in 13 Bundesländern gemeldet. Weitere Züchter gibt es in den Niederlanden und in Luxemburg. Im August 2014 gab es wieder 410 Herdbuchsauen und 90 Eber in Deutschland.[4] In den Niederlanden existiert ebenfalls eine große Population mit 400 Sauen.

Heutige Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch das Aufblühen des Interesses an der Rasse wird das Bunte Bentheimer inzwischen wieder verstärkt in Lebensmittelproduktion und Gastronomie verwendet. Gefördert wird dies durch den allgemeinen Trend zum „Slow Food“, wie die Aufnahme des Bunten Bentheimers in die „Arche des Geschmacks“ zeigt.[5][6] Das Fleisch wird in der Szene- und gehobenen Gastronomie verwendet[3] und für die Herstellung von Premium-Lebensmitteln wie z. B. dem Westfälischen Knochenschinken,[7] der Ahlen Wurst und weiteren Wurst- und Schinkenspezialitäten.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tobias Böckermann: Das Bunte Bentheimer Schwein. Geschichte und Zukunft einer alten Nutztierrasse. Verlag der Emsländischen Landschaft e. V. (Sögel) 2014, ISBN 978-3-925034-49-7.
  • Ralf Deckers, Gerd Heinemann: Trends erkennen – Zukunft gestalten. Vom Zukunftswissen zum Markterfolg. BusinessVillage, 2008, ISBN 978-3-938358-78-8.
  • Anja Kastner, Karl-Heinz Waldmann, Waldemar Ternes: Einfluss der Eichelmast auf das Aroma von luftgetrockneten Rohschinken und Rohwürsten. In: Fleischwirtschaft Heft 03/2008, S. 105–109.
  • Cora Kolk gen. Sundag, Joern Wrede, Ottmar Distl: Analyse der Populationsstruktur des Bunten Bentheimer Schweins. In: Archiv für Tierzucht 2006, S. 447–461; verfügbar unter: https://www.researchgate.net/publication/321218488_Analyse_der_Populationsstruktur_des_Bunten_Bentheimer_Schweins (abgerufen am 30. August 2020).
  • Louis Ollivier et al.: An assessment of European pig diversity using molecular markers: Partitioning of diversity among breeds. In: Conservation Genetics 2005, S. 729–741.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Buntes Bentheimer Schwein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Buntes Bentheimer Schwein (Memento vom 18. April 2012 im Internet Archive) von slowfood.de, abgerufen am 30. August 2020
  2. Ulrike Schäfer: REGIONALMARKETING II Schwein als Imagebringer, in: Sparkasse Nr. 06/2009, S. 22.
  3. a b Micaela Buchholz: Neue Chancen für alte Rassen, in: Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung Nr. 07/2009, S. 20.
  4. Tobias Böckermann: Das Bunte Bentheimer Schwein. Sögel 2014.
  5. Teresa Johanna Bless: Erfolgreich in der Gastronomie. Entwicklungen und Trends in der deutschen Esskultur. ISBN 978-3-8366-1016-2, S. 93.
  6. Joachim Schalinski: Passagier in der Arche des Geschmacks – Slow Food adelt das Bunte Bentheimer Schwein, in: Lebensmittel Zeitung Nr. 22/2006, S. 64.
  7. Joachim Schalinski: Schwärmen für einen Klassiker, in: Lebensmittel Zeitung Nr. 21/2009, S. 48.
  8. Vgl. z. B. Anja Kastner/Karl-Heinz Waldmann/Waldemar Ternes: Einfluss der Eichelmast auf das Aroma von luftgetrockneten Rohschinken und Rohwürsten, in: Fleischwirtschaft 3/2008, S. 105–109.