Berberlöwe

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Berberlöwe in Algerien, 1893

Der Berberlöwe, auch Atlaslöwe oder Nubischer Löwe genannt, bezeichnet eine Population des Löwen, die ursprünglich als eigenständige Unterart (Felis leo barbaricus) betrachtet wurde. Er war bis in das 20. Jahrhundert in Nordafrika heimisch und ist heute in freier Wildbahn ausgestorben. Der Berberlöwe zählt heute zur nördlichen Unterart des Löwen Panthera leo leo, die in der Nordhälfte Afrikas sowie in Asien verbreitet ist.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit einem Gewicht von 181 bis 250 kg bei männlichen und 120 bis 181 kg bei weiblichen Tieren war der Berberlöwe neben dem ausgestorbenen Kaplöwen die größte rezente Unterart des Löwen. Auffälligstes Merkmal des erwachsenen Männchens war die besonders starke, dunkle Mähne, die sich weit über die Schultern ausdehnte und am Bauch wie ein Vorhang herabhing.

Früher wurde der Phänotyp des Berberlöwen als Hinweis auf seinen gerechtfertigten Status als Unterart angesehen. Nach neuerer Forschung kann das Aussehen dieser Tiere jedoch auch auf die äußeren Umstände zurückzuführen sein. So wäre die dichte Mähne nur eine Anpassung an die kältere Umgebung. Löwen entwickeln unabhängig von der Unterart dichtere Mähnen, wenn sie in einem kälteren Klima, etwa in mitteleuropäischen Zoos, leben.

Unterartstatus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehemalige Verbreitungsgebiete der verschiedenen Kladen des Löwen bestätigt durch genetische Analysen

Der Berberlöwe wurde traditionell als eine Unterart des Löwen betrachtet. Diese Unterart diente Carl von Linné 1758 zur Klassifizierung des Löwen (Panthera leo) und ist damit das nominotypische Taxon („Nominatform“) dieser Art. Der Status als eigenständige Unterart kann allerdings nicht durch jüngste genetische Analysen bestätigt werden, da genetische Unterschiede zum Asiatischen Löwen nicht ausreichen, um beide zu unterscheiden. Auch die genetischen Unterschiede zu den nahe verwandten Westafrikanischen Löwen und Zentralafrikanischen Löwen sind gering.[1] Heute wird die nordafrikanisch-asiatische Klade des Löwen zusammen mit der westafrikanischen und der zentralafrikanischen Klade zur Unterart P. l. leo zusammengefasst.[2]

Geschichte und Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Präparierter Berberlöwe (Panthera leo leo) und Kaplöwe (Panthera leo melanochaita) im Muséum national d’histoire naturelle in Paris

Der Berberlöwe bewohnte bis in historische Zeiten den gesamten Norden des afrikanischen Kontinents nördlich der Sahara. Er wurde oft in den römischen Arenen eingesetzt, wo er auch gegen den Kaspischen Tiger kämpfte, der ebenfalls ausgestorben ist. Aus historischen Quellen geht hervor, dass er schon am Anfang des 18. Jahrhunderts weitgehend aus Nordostafrika verschwunden war und damals fast nur noch im Nordwesten vorkam. Die Ausbreitung von Feuerwaffen und eine gezielte Ausrottungspolitik sorgten dafür, dass die Bestände auch im Westteil seines ehemaligen Verbreitungsgebietes bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stark abgenommen hatten. Der letzte in freier Wildbahn lebende bekannte Berberlöwe wurde 1920 im marokkanischen Teil des Atlasgebirges geschossen.[3] Die anderen großen Raubtiere Nordafrikas ereilte ein ähnliches Schicksal. Der Berberleopard ist sehr selten geworden und der Atlasbär ist gänzlich ausgestorben.

Da Berberlöwen noch Jahrzehnte nach ihrer Einstufung als ausgestorben (die letzte Bestätigung eines in der Wildbahn lebenden Exemplars erfolgte 1943 durch seinen Abschuss) existierten und daher unter den Bedingungen des zu dieser Zeit bereits proaktiv ausgerichteten Naturschutzes offenbar vor dem Aussterben gerettet werden hätten können, wird der Berberlöwe (wie auch der Berberleopard) als Beispiel eines Romeo-Irrtums genannt.[4]

Lebensweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Berberlöwe bewohnte neben den nordafrikanischen Halbwüsten und Steppengebieten auch Wälder und das Atlasgebirge. Neben Hirschen und Wildschweinen dürfte die nordafrikanische Unterart der Kuhantilope zu seinen Hauptbeutetieren gezählt haben.

Berberlöwen in Gefangenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Berberlöwe wurde aufgrund seiner geographischen Nähe zu Europa seit dem Mittelalter häufig in Gefangenschaft gehalten. Ende des 19. Jahrhunderts hielt der Londoner Zoo etwa noch einen reinblütigen Berberlöwen namens Sultan. Allerdings gab es beim Verschwinden der wilden Berberlöwen am Beginn des 20. Jahrhunderts keine bekannten reinrassigen Bestände mehr in europäischen Zoos. Lediglich die Löwen aus dem Zoo Rabat, die der marokkanische König Hassan II. 1970 dem Zoo überließ, schienen direkt auf Löwen Nordafrikas zurückzugehen.[5] Die Morphologie dieser Löwen entsprach ziemlich genau den historischen Beschreibungen von Berberlöwen. Im Jahr 1998 lebten noch 52 Löwen, die auf Tiere des Sultans zurückgehen, im Zoo von Rabat und an 13 verschiedenen Orten Europas. In verschiedenen Zoos werden Nachfahren dieser Löwen gezüchtet und sind als Berberlöwen ausgeschildert. Allerdings sprechen genetische Analysen gegen eine reine Abstammung dieser Löwen von Nordafrikanischen Löwen. Offenbar wurden Tiere aus Zentralafrika und Äthiopien eingekreuzt, so dass auch diese Tiere wohl nicht reinblütig sind.[6] In verschiedenen Zoos und Zirkussen gibt es zahlreiche Löwen ohne Unterartstatus, die zum Teil auch auf Berberlöwen zurückgehen dürften, wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht reinerbig. Heute gibt es Züchtungen, die den äußeren Merkmalen der Berberlöwen entsprechen, aber wohl nur Teile des genetischen Materials der Unterart in sich tragen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.
  • David Macdonald: Die große Enzyklopädie der Säugetiere. Könemann in der Tandem Verlag GmbH, Königswinter 2004, ISBN 3-8331-1006-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laura D. Bertola, H. Jongbloed, K. J. van der Gaag, P. de Knijff, N. Yamaguchi, H. Hooghiemstra, H. Bauer, P. Henschel, P. A. White, C. A. Driscoll, T. Tende, U. Ottosson, Y. Saidu, K. Vrieling & H. H. de Iongh: Phylogeographic patterns in Africa and high resolution delineation of genetic clades in the lion (Panthera leo). Scientific Reports 6:30807 · August 2016, DOI: 10.1038/srep30807
  2. Kitchener, A. C.; Breitenmoser-Würsten, C.; Eizirik, E.; Gentry, A.; Werdelin, L.; Wilting, A.; Yamaguchi, N.; Abramov, A. V.; Christiansen, P.; Driscoll, C.; Duckworth, J. W.; Johnson, W.; Luo, S.-J.; Meijaard, E.; O’Donoghue, P.; Sanderson, J.; Seymour, K.; Bruford, M.; Groves, C.; Hoffmann, M.; Nowell, K.; Timmons, Z. & Tobe, S. (2017). "A revised taxonomy of the Felidae: The final report of the Cat Classification Task Force of the IUCN Cat Specialist Group" (PDF). Cat News (Special Issue 11): 71–73.
  3. Nowak, R. M. (1999) S. 834 online
  4. Lorenzo Rossi, Carmelo Maria Scuzzarella, Francesco Maria Angelici: Chapter 12: Extinct or Perhaps Surviving Relict Populations of Big Cats: Their Controversial Stories and Implications for Conservation. In: Francesco Maria Angelici, Lorenzo Rossi (Hrsg.): Problematic Wildlife II: New Conservation and Management Challenges in the Human-Wildlife Interactions. 1. Auflage. Springer, Cham 2020, ISBN 978-3-03042334-6, S. 393–417, hier S. 398, 407, 410, doi:10.1007/978-3-030-42335-3 (i–xiv, 1–649).
  5. Black, S., Yamaguchi, N., Harland, A., & Groombridge, J. (2010). Maintaining the genetic health of putative Barbary lions in captivity: an analysis of Moroccan Royal Lions. European Journal of Wildlife Research, 56(1), 21–31.
  6. Barnett, R., Yamaguchi, N., Barnes, I., & Cooper, A. (2006). Lost populations and preserving genetic diversity in the lion Panthera leo: Implications for its ex situ conservation. Conservation Genetics, 7(4), 507–514.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Berberlöwe (Panthera leo leo) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Joachim Burger, Helmut Hemmer (2005): Urgent Call for Further Breeding of the Relic Zoo Population of the Critically Endangered Barbary Lion [Panthera leo leo (Linnaeus 1758)]. European Journal of Wildlife Research. 2005, 51:4 PDF