Berliner Rede

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Als Berliner Rede werden öffentliche Ansprachen des Deutschen Bundespräsidenten in den Jahren 1997 bis 2011 bezeichnet.[1] Sie wurde von Roman Herzog ins Leben gerufen und von seinen Nachfolgern fortgeführt. An das Format knüpfte ab 2013 das Bellevue Forum bzw. ab 2017 das Forum Bellevue des Bundespräsidenten an.

Berliner Reden (1997–2011)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 26. April 1997 hielt Roman Herzog in Berlin eine öffentliche Ansprache. Die in dieser Rede gewählte Formulierung („durch Deutschland muss ein Ruck gehen“) ließ diesen Vortrag als sogenannte Ruck-Rede in die Geschichte eingehen.[2]

In den folgenden Jahren wurde die Berliner Rede von prominenten Persönlichkeiten wie dem damaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari und dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan gehalten. Herzogs Nachfolger Johannes Rau griff die Idee der Berliner Rede auf und hielt die Ansprache fortan jedes Jahr selbst. Er nutzte die Reden, um bewusst wichtige gesellschaftliche Themen und Grundsatzdebatten anzusprechen. Zu den behandelten Themen gehörten in der Gesellschaft umstrittene Themen wie die Integration von Ausländern, der Einsatz von Gentechnologie und die Auswirkungen der Globalisierung.

Auch Raus Nachfolger Horst Köhler setzte die Tradition der Berliner Rede ab 2006 fort. Köhler sprach sich in seinen Reden für einen bewussteren Umgang mit den Themen Bildung und Globalisierung aus. 2008 forderte er Änderungen im Steuerrecht und rief zu einer „Agenda 2020“ auf. Im Jahr 2009 thematisierte er die weltweite Wirtschaftskrise und mahnte eindringlich zu verantwortungsvollem Handeln.

Christian Wulff verzichtete im Jahr 2011 darauf, selbst zu sprechen, und lud den polnischen Staatspräsidenten Bronisław Komorowski ein, um in der Humboldt-Universität anlässlich des 20. Jubiläums des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags die Berliner Rede zu halten.[3]

Datum Redner Titel Ort
26. April 1997 Roman Herzog Aufbruch ins 21. Jahrhundert (Ruck-Rede) Hotel Adlon
26. April 1998 Martti Ahtisaari Herausforderungen für Europa im Zeitalter der GlobalisierungSicherheit und Zusammenarbeit im Wandel Hotel Adlon
26. April 1999 Kofi Annan Die Weltrolle Europas im 21. Jahrhundert Hotel Adlon
12. Mai 2000 Johannes Rau Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben Haus der Kulturen der Welt
18. Mai 2001 Johannes Rau Wird alles gut? Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek
13. Mai 2002 Johannes Rau Chance, nicht Schicksal – die Globalisierung politisch gestalten Museum für Kommunikation
19. Mai 2003 Johannes Rau Gemeinsam handeln – Deutschlands Verantwortung in der Welt Maxim-Gorki-Theater
12. Mai 2004 Johannes Rau Vertrauen in Deutschland – eine Ermutigung Schloss Bellevue
21. September 2006 Horst Köhler Bildung für alle Kepler-Oberschule, Berlin-Neukölln
1. Oktober 2007 Horst Köhler Das Streben der Menschheit nach Glück verändert die Welt Radialsystem V
17. Juni 2008 Horst Köhler Arbeit, Bildung, Integration Schloss Bellevue
24. März 2009 Horst Köhler Die Glaubwürdigkeit der Freiheit Elisabethkirche
17. Juni 2011 Bronisław Komorowski Ein dynamisches, offenes und in der Welt aktives Europa Humboldt-Universität

Bellevue Forum (2013–2016)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Joachim Gauck führte die Tradition der Berliner Rede in anderer Form weiter und richtete die „Bellevue Gespräche des Bundespräsidenten“ stärker an politischen und gesellschaftlichen Grundsatzfragen aus. 2013 hielt er im Schloss Bellevue die erste Rede im Rahmen des „Bellevue Forums“.[4] Es war eine Grundsatzrede zu Herausforderungen der Europäischen Einigung.[5] Das Format erreichte eine immer größere Außenwahrnehmung bis hinein in den Meinungsbildungsprozess der deutschen Politik.[6]

Datum Titel
22. Februar 2013 Europa: Vertrauen erneuern – Verbindlichkeit stärken
31. August 2013 Demokratie braucht deine Stimme! (Bürgerfest)
26. November 2013 Was hält Europa zusammen?
10. Februar 2015 Experten für den Frieden – Deutschlands ziviler Beitrag zur internationalen Konfliktlösung
2. November 2015 Sterbende begleiten – Ehrenamtliches Engagement in der Hospiz- und Palliativversorgung
26. Februar 2016 Flüchtlinge – eine Herausforderung für Europa

Forum Bellevue (2017–2021)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach seinem Amtsantritt als Bundespräsident im Jahr 2017 griff Frank-Walter Steinmeier das Veranstaltungsformat auf.[7] In Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung entwickelte er das „Forum Bellevue“ zu einer Diskussionsrunde über die „Zukunft der Demokratie“, um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.[8] Die Veranstaltung beinhaltet nach wie vor eine Grundsatzrede nach dem Vorbild der Berliner Rede, die um einen Austausch mit Gesprächspartnern aus der Kultur, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft ergänzt wird.

Datum Thema Gäste
19. September 2017 Welche Zukunft hat der Westen? Parag Khanna, Susan Neiman, Heinrich August Winkler
30. November 2017 Die Freiheit des Denkens in unruhigen Zeiten Daniel Kehlmann, Eva Menasse, Salman Rushdie
21. März 2018 Fakt oder Fake? Über einen bedeutenden Unterschied für die Demokratie Michael Butter, Jeff Mason, Ulf Poschardt, Julia Stein
23. Mai 2018 Gesellschaft ohne Politik? Liberale Demokratien in der Bewährungsprobe Donatella della Porta, Christoph Möllers, David Van Reybrouck
4. Oktober 2018 Risse und Ressentiments – Über die Fragmentierung und Emotionalisierung von Politik und Gesellschaft Ute Frevert, Andreas Hollstein, Cornelia Koppetsch, Bernhard Pörksen
26. Februar 2019 Alles Glaubenssache? Über das Verhältnis von Religion und Demokratie Evelyn Finger, Mouhanad Khorchide, Hans Joas
14. Mai 2019 Die Europäische Union: Was auf dem Spiel steht Ivan Krastev, Luuk van Middelaar, Daniela Schwarzer, Adam Tooze
25. November 2019 Welche Zukunft? Über Demokratie und Fortschritt Ian McEwan, Steven Pinker, Maren Urner
29. Juni 2020 Testfall Corona – Wie geht es unserer Demokratie? Rainer Forst, Herta Müller, Daniel Ziblatt
24. November 2020 Aus der Krise in die Zukunft – Wie gelingt Transformation gemeinsam? Thea Dorn, Udo Di Fabio, Maja Göpel, Wolfgang Merkel
1. März 2021 Demokratie und digitale Öffentlichkeit – Eine transatlantische Herausforderung Armin Nassehi, Ben Scott, Margrethe Vestager
15. November 2021 Was kann der Staat? Lektionen aus der Pandemie Alena Buyx, Laura Münkler, Aminata Touré

Am 11. März 2022 wurde ein Symposium zum Forum Bellevue ausgerichtet. Zu den Ehrengästen zählte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frank-Walter Steinmeier (Hrsg.): Zur Zukunft der Demokratie – 36 Perspektiven. Siedler, München 2021, ISBN 978-3-8275-0161-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Florian Kain: Vom „Ruck“ zu Komorowski. In: Berliner Morgenpost. 18. Juni 2011, S. 4.
  2. Roman Herzog: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“. In: Süddeutsche Zeitung. 10. Januar 2017, abgerufen am 16. März 2022.
  3. Severin Weiland: Wulffs Verzicht auf Berliner Rede: Der sprachlose Präsident. In: Der Spiegel. 17. Juni 2011, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. März 2022]).
  4. Antje Sirleschtov: Bundespräsident Gauck startet „Bellevue Forum“. In: Der Tagesspiegel. 21. Februar 2013 (tagesspiegel.de [abgerufen am 14. März 2022]).
  5. Gauck verlangt Einsatz für Europa. In: Heilbronner Stimme. 23. Februar 2013, S. 1.
  6. Willi Weiss: Positives Vorbild für die Krisenherde der Welt. In: Darmstädter Echo. 25. Februar 2013.
  7. Dotzauer Gregor: Wenn das Alte stirbt: Das Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie. In: Der Tagesspiegel. 25. Mai 2018, S. 19.
  8. Martin Fröhlich: Ein Präsident kämpft um sein Land. In: Neue Westfälische. 25. Mai 2018, S. 3.
  9. Symposium zum Forum Bellevue. Bundespräsidialamt, 11. März 2022, abgerufen am 14. März 2022.