Bernt Engelmann

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Engelmann 1987 (rechts), zusammen mit Hermann Kant
Bernt Engelmann (2. von rechts)

Bernt Engelmann (* 20. Januar 1921 in Berlin; † 14. April 1994 in München) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Mit über 15 Millionen gedruckten Büchern gilt er als einer der erfolgreichsten „Sach- und Aufdeckungsautoren“ der Bundesrepublik Deutschland.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Engelmann ist ein Urenkel des Verlegers Leopold Ullstein und verbrachte seine Kindheit in seiner Heimatstadt Berlin. Im Alter von elf Jahren zog seine Familie nach Düsseldorf, wo er 1938 an der Lessing-Oberschule sein Abitur machte. Unmittelbar danach wurde er zum Reichsarbeitsdienst und anschließend zur Luftwaffe eingezogen. Offensichtlich aufgrund einer im Dienst erlittenen Verletzung oder Verwundung schied er aus der Wehrmacht aus und begann 1942 zu studieren. Nebenher verdiente er seinen Lebensunterhalt als Übersetzer und Redakteur.

Gegen Ende der Diktatur des Nationalsozialismus schloss sich Engelmann einer Widerstandsgruppe an, wurde zweimal von der Gestapo verhaftet und 1944 wegen „Judenbegünstigung“ in den Konzentrationslagern Flossenbürg, Hersbruck und Dachau inhaftiert. Im Außenlager Hersbruck des Konzentrationslagers Flossenbürg erhielt er die Häftlingsnummer 28738. Den Gestapobeamten, der seine Mutter und ihn verhaftet, seine Freunde verhört und misshandelt hatte, traf er nach dem Krieg in Köln wieder, wo jener als Leiter der Politischen Polizei tätig war.[2]

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Engelmann ein Journalistikstudium. Während dieser Zeit schrieb er für Gewerkschaftszeitungen. Danach war er als Reporter und Redakteur zunächst beim Spiegel, später beim NDR-Magazin Panorama tätig. Ab 1962 betätigte er sich zunehmend als Publizist und veröffentlichte bis zu seinem Tod 1994 jährlich ein bis zwei Sachbücher. 1977 bis November 1983 war er Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) in der IG Druck und Papier.[3] In dieser Zeit setzte er sich für die soziale Absicherung freier Journalisten und Schriftsteller ein. Mit auf seine Initiative geht die Künstlersozialversicherung zurück. Darüber hinaus war Engelmann Mitglied der SPD, der IG Metall und von 1972 bis 1984 Mitglied im Präsidium des westdeutschen PEN-Zentrums.

Wegen seiner Kontakte als VS-Funktionär zum Schriftstellerverband der DDR war er z. T. umstritten. 1984 wurde er mit dem Heinrich-Heine-Preis des Ministeriums für Kultur der DDR ausgezeichnet.

Engelmann lebte zuletzt in Rottach-Egern in den Bayerischen Voralpen. Dort ist er auch begraben.

Rücktritt als VS-Vorsitzender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende 1983 forderten 50 Schriftsteller, darunter Heinrich Böll, Günter Grass, Sarah Kirsch und Siegfried Lenz seinen Rücktritt als VS-Vorsitzender. Anlass war ein Telegramm, das Engelmann als Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller gemeinsam mit dem westdeutschen PEN-Zentrum an den polnischen General Wojciech Jaruzelski geschickt hatte. Darin hatte er gegen die Auflösung des polnischen Schriftstellerverbandes protestiert und „die umgehende Zulassung“ eines Verbandes gefordert, „der die Interessen der Autoren“ vertritt. Diese Forderung wurde später von Günter Grass als die Aufforderung gegeißelt, „einen Verband von Quislingen“ (Kollaborateuren) „ins Leben zu rufen“. Außerdem wurde Engelmann vorgeworfen, zu nachgiebig gegenüber der polnischen Diktatur gewesen zu sein.[4] Nach Hubertus Knabe war der Kernsatz: „Bernt Engelmann hat von uns kein Mandat, als Vorsitzender des VS Kollegen Zensuren zu erteilen und Denkverbote auszuteilen.“[5]

Positionen zum Algerienkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon in seinen Spiegel-Jahren galt Engelmann – neben Gert von Paczensky – als einer der wenigen westdeutschen Journalisten, die sich positiv zum Algerischen Unabhängigkeitskrieg positionierten und nicht die verbreitete profranzösische Position vertraten.[6] In dieser Zeit erschien im Spiegel auch ein Artikel von Si Mustapha-Müller, in dem dieser über die Arbeit des von ihm geleiteten Rückführungsdienstes für Fremdenlegionäre berichten konnte, dessen Aufgabe es war, in Algerien Fremdenlegionäre zur Fahnenflucht aufzurufen und sie in ihre Heimatländer zurückzubringen.[7]

„Ratten und Schmeißfliegen“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der von Engelmann vertretene Presseausschuss Demokratische Initiative 1978 verwies in einer Broschüre auf die später von Strauß selbst eingestandene Tatsache,[8] Franz Josef Strauß sei während des Dritten Reiches „Offizier für wehrgeistige Führung“ gewesen.[9] Engelmann beabsichtigte damit, Strauß zu einem Prozess zu provozieren.[10] Strauß reagierte jedoch mit der Äußerung, er führe „gegen Ratten und Schmeißfliegen“ keine Prozesse. Diese Äußerung sorgte insbesondere vor der Bundestagswahl 1980 für politische Kontroversen.[11] Edmund Stoiber wiederholte den Vergleich 1980 als ausschließlich gegen Engelmann und seine „seit Jahrzehnte[n] geführten ‚Verleumdungs- und Denunziationskampagnen‘ gegen die CSU und ihren Vorsitzenden“ gerichtet.[12] Gert Heidenreich verfasste 1981 eine Dokumentation unter dem Titel Die ungeliebten Dichter. Die Ratten-und-Schmeißfliegen-Affäre, zu der Engelmann das Nachwort beisteuerte.[13]

Verbindung zur DDR-Staatssicherheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang der 1990er Jahre stand Engelmann in der Kritik, da er für seine Bücher Material verwendet hatte, das ihm aus der DDR vom Ministerium für Staatssicherheit zugespielt worden war.[14][4][15] In der Diskussion wurde die Herkunft des Materials kritisiert und teilweise seine Richtigkeit in Frage gestellt. Dirk Banse und Michael Behrendt behaupteten am 19. Juni 2004 in der Welt aufgrund eines Statistikbogens der Rosenholz-Dateien und nach Informationen des ehemaligen Stasi-Offiziers Günter Bohnsack, dass Engelmann seit 1982 als Inoffizieller Mitarbeiter „Albers“ beim Ministerium für Staatssicherheit geführt worden sei.[16]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insgesamt verfasste Engelmann rund 50 Bücher mit einer Gesamtauflage von über 15 Millionen Exemplaren weltweit. Zusammen mit Paczensky publizierte Engelmann 1966 bis 1967 die Zeitschrift Deutsches Panorama. Bereits ab 1962 arbeitete er als freier Schriftsteller und verfasste hauptsächlich Sachbücher. In seinen „Anti-Geschichtsbüchern“ verwendete er ein Geschichtsbild „von unten“; nicht die Herrschenden standen im Fokus seiner Geschichte(n), sondern die Beherrschten.

Großes Bundesverdienstkreuz, 1974[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Daneben schrieb Engelmann auch zwei Romane mit realem Hintergrund: In Großes Bundesverdienstkreuz beschäftigte er sich mit dem wirtschaftlichen Aufstieg des Industriellen Fritz Ries und dessen Einfluss auf ranghohe Politiker.

Hotel Bilderberg, 1977[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinem Buch Hotel Bilderberg beschrieb er die Entstehung der westlichen Nachkriegseliten am Beispiel der Bilderberg-Konferenz, organisiert von Bernhard zur Lippe-Biesterfeld (der „Prinz der Niederlande“).

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1963 Meine Freunde, die Millionäre. Ein Beitrag zur Soziologie der Wohlstandsgesellschaft nach eigenen Erlebnissen. Schneekluth, Darmstadt
  • 1964 Meine Freunde, die Waffenhändler: Kleine Kriege, grosse Geschäfte. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach
  • 1965 Deutschland-Report. Exlibris
  • 1965 Das eigene Nest – ein Panorama bundesdeutscher Gegenwart. Schneekluth Verlag
  • 1966 Meine Freunde die Manager. Ein Beitrag zur Erklärung des deutschen Wunders
  • 1967 66 Zeitgenossen. Berühmt, bestaunt, bewundert
  • 1967 Schützenpanzer HS 30 – Starfighter F-104 G, oder wie man unseren Staat zugrunde richtet. Kurt Desch
  • 1968 Die Macht am Rhein, Fortsetzung zu Meine Freunde die Millionäre
  • 1970 Deutschland ohne Juden. Eine Bilanz
  • 1971 Die vergoldeten Bräute. Wie Herrscherhäuser und Finanzimperien entstehen
  • 1971 O wie oben. Wie man es schafft, ganz O zu sein
  • 1972 Das Reich zerfiel, die Reichen blieben. Deutschlands Geld- und Machtelite (Mit Rangliste der 500 großen alten Vermögen). Hoffmann& Campe
  • 1972 Meine Freunde, die Geldgiganten. Die Macht am Rhein: Der alte Reichtum / Die neuen Reichen. Schneekluth Verlag
  • 1972 Schwarzbuch: Franz Josef Strauß. Kiepenheuer & Witsch
  • 1973 Drehbuch "Libero"
  • 1973 Ihr da oben – wir da unten (mit Günter Wallraff). Kiepenheuer&Witsch
  • 1973 Schwarzes Kassenbuch. Die heimlichen Wahlhelfer der CDU/CSU
  • 1974 Großes Bundesverdienstkreuz (Tatsachenroman). AutorenEdition
  • 1974 Wir Untertanen. Ein Deutsches Anti-Geschichtsbuch. Bertelsmann
  • 1975 Einig gegen Recht und Freiheit – Deutsches Anti-Geschichtsbuch 2. Teil. Bertelsmann
  • 1976 Schwarzbuch: Strauß, Kohl und Co. Kiepenheuer & Witsch
  • 1977 Hotel Bilderberg. Ein Tatsachenroman. AutorenEdition
  • 1977 Trotz alledem. Deutsche Radikale 1777–1977. Bertelsmann
  • 1978 Hrsg.: VS vertraulich. IV. Schriftstellerkongreß Dortmund und die Folgen. Goldmann
  • 1978 Trotz alledem. Horen der Freundschaft. Bertelsmann
  • 1979 Preußen: Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Goldmann, ISBN 3-442-11300-8
  • 1979 Eingang nur für Herrschaften. Karrieren über die Hintertreppe. Goldmann
  • 1980 Das neue Schwarzbuch Franz Josef Strauß. TB Kiepenheuer, ISBN 3-462-01390-4
  • 1980 Wie wir wurden, was wir sind. Von der bedingungslosen Kapitulation zur unbedingten Wiederbewaffnung. Bertelsmann; 1982, TB Goldmann, ISBN 3-442-06388-4
  • 1980 Die andere Bundesrepublik. Geschichte und Perspektiven. Hrsg. Karl Rupp, Guttandin & Hoppe, ISBN 3-922140-08-4
  • 1980 Die Laufmasche. Tatsachenroman. AutorenEdition; 1982, TB rororo, ISBN 3-499-14882-X
  • 1981 Wir sind wieder wer. Auf dem Weg ins Wirtschaftswunderland. Bertelsmann, ISBN 3-570-00158-X
  • 1981 Was lange gärt, wird endlich Wut. Der Fall Hansen. Konkret Literatur Verlag, ISBN 3-922144-15-2
  • 1982 Im Gleichschritt marsch. Wie wir die Nazizeit erlebten. Kiepenheuer & Witsch; 1984, TB Goldmann, ISBN 3-442-06727-8. Auf Englisch als:
In Hitler's Germany. Pantheon New York 1987.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bernt Engelmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. NDR: Enthüllungen im Nachkriegsdeutschland. Abgerufen am 3. Mai 2020.
  2. Peter Engelbrecht: Ende und Neubeginn. Bayreuth: Im April 1945 herrscht Frieden. Späthling, Weißenstadt 2022, ISBN 978-3-942668-87-3, S. 16 f.
  3. Peter Schütt: Dumm und gutgläubig. In: Der Spiegel. Nr. 7, 1992, S. 179–186 (online).
  4. a b Lärm um nichts. In: Der Spiegel. Nr. 48, 1983, S. 231 (online).
  5. Hubertus Knabe: Der diskrete Charme der DDR. Stasi und Westmedien. Propyläen Verlag, Berlin/München 2001. S. 317.
  6. Claus Leggewie: Kofferträger. Das Algerien-Projekt der Linken im Adenauer-Deutschland, Rotbuch Verlag, Berlin 1984, ISBN 3-88022-286-X, S. 17
  7. Algerien. Wer desertiert, muss Alemani rufen – Die Flucht aus der Fremdenlegion. In: Der Spiegel 36/1959 vom 2. September 1959
  8. "Ich kann eiskalt austeilen". In: Die Zeit. 29. Februar 1980, S. 14/17, abgerufen am 3. Mai 2020.
  9. Das deutsche Wort. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1980, S. 29–33 (online).
  10. Franz Josef Strauß: "Ratten und Schmeißfliegen". In: Tagesspiegel. 8. Mai 2015, archiviert vom Original;.
  11. „Ich kann eiskalt austeilen“. Nina Grunenberg, Theo Sommer und Diether Stolze im Gespräch mit Franz Josef Strauß. In: Die Zeit, Nr. 10/1980.
  12. Helmut Peitsch: Nachkriegsliteratur 1945–1989. V&R unipress, Göttingen 2009, ISBN 978-3-89971-730-3, S. 290.
  13. Gert Heidenreich: Die ungeliebten Dichter. Die Ratten- und-Schmeißfliegen-Affäre. Hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Schriftsteller (VS) und dem Presseausschuss Demokratische Initiative (PDI). Mit einem Nachwort von Bernt Engelmann. Eichborn, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-8218-1003-3.
  14. Schlimmste Schreier. In: Der Spiegel. Nr. 7, 1992, S. 178–179 (online).
  15. Der SPIEGEL berichtete… In: Der Spiegel. Nr. 7, 1994, S. 210 (online).
  16. Dirk Banse, Michael Behrendt: Stasi führte Bernt Engelmann als IM „Albers“. Die Welt, 19. Juni 2004.
    Otto Köhler: Neues vom Rosenholz – Altes vom Hakenkreuz. der Freitag, 23. Juli 2004; Jochen Schröder: Daran kann auch die SPD nicht vorbeigehen. merkur-online, 18. Februar 2005, abgerufen am 24. Dezember 2013.