Bodo Kirchhoff

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Bodo Kirchhoff auf der Frankfurter Buchmesse 2016

Bodo Kirchhoff (* 6. Juli 1948 in Hamburg) ist ein deutscher Schriftsteller und Drehbuchautor, der Erzählungen, Romane und Drehbücher veröffentlicht. Er lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee in Italien.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bodo Kirchhoffs Mutter war die Schauspielerin und Romanautorin Evelyn Peters; sein Vater Heinz Joost besaß eine kleine Fabrik für medizinische Geräte. Er hat noch eine jüngere Schwester, Tina, geb. 1952.[1] Er besuchte die Volksschule in Kirchzarten und nach der Trennung seiner Eltern ab 1959 die Evangelische Internatsschule am Bodensee. Dort schrieb er bereits Gedichte und kleine Stücke für die Schulbühne. 1968 Abitur und darauf zwei Jahre Wehrdienst in Mengen.

Nach einem längeren USA-Aufenthalt studierte Kirchhoff von 1972 bis 1979 Pädagogik, Psychologie und Soziologie an der Universität Frankfurt mit Diplomabschluss 1975. Im Jahr 1978 promovierte er mit einer Arbeit über den französischen Psychoanalytiker Jacques Lacan (Vom Wider-Stand zur Wider-Rede) zum Dr. phil. Nach einer kurzen Tätigkeit als Heilpädagoge entschied er sich für die freie Schriftstellerei und erhielt auch seinen ersten Vertrag mit dem Suhrkamp Verlag.

Privates Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kirchhoff ist verheiratet und hat zwei Kinder. 1988 kam sein Sohn Claudius zur Welt, dem er sein Buch Der Sandmann widmete, 1993 wurde seine Tochter Sophia geboren. Gemeinsam mit seiner Ehefrau gibt er in seinem Haus in Torri del Benaco am Ostufer des Gardasees Kurse für kreatives Schreiben.[2]

Wirken als Autor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kirchhoff hat seit 1979 zahlreiche Prosawerke, Texte, Bühnenarbeiten und Drehbücher vorgelegt. Sein literarisches Debüt war das Theaterstück Das Kind oder Die Vernichtung von Neuseeland, der Tragödie eines autistischen Jungen in den USA, sowie die Novelle Ohne Eifer, ohne Zorn, in der Liebe leidenschaftslos als triste Obsession geschildert wird. Seinen Durchbruch ins breite Publikum schaffte er 1990 mit dem Roman Infanta, der zum Bestseller wurde.

1994/95 war er Dozent der Frankfurter Poetik-Vorlesungen mit dem Thema Legenden um den eigenen Körper, der 2012 als Essay-Band neu aufgelegt wurde. Eine seiner Kernaussagen darin lautet Schreiben ist Handwerk plus eigener Abgrund, das eine ohne das andere ist nichts. Der um den Ödipuskomplex kreisende Roman eines Sohnes erschien unter dem Titel Parlando 2001. Ein weiteres Hauptwerk erschien 2012 mit dem Roman Die Liebe in groben Zügen (2012), der Geschichte eines älteren Ehepaares, das sich noch einmal scheiternd auf die Suche nach der Liebe begibt. Kirchhoffs Novelle Widerfahrnis gewann den Deutschen Buchpreis 2016. In der Novelle löst sich der Protagonist aus seiner Melancholie.[3]

2010 enthüllte Kirchhoff in einem Artikel im Spiegel,[4] dass er als 12-jähriger Schüler vom Kantor seiner Evangelischen Internatsschule am Bodensee mehrfach sexuell missbraucht wurde. Dieses Thema greift er in seinem 2018 erschienenen, seiner Schwester gewidmeten, autobiografischen Roman Dämmer und Aufruhr. Roman der frühen Jahre erneut auf. Ohne sich selbst zu schonen, spürt der Autor auf 480 Seiten den Prägekräften seiner jugendlichen Erlebnisse nach. Dabei wird insbesondere und auf mehreren Erzählebenen die Beziehung zu seiner Mutter beleuchtet. Das Buch wurde im Feuilleton breit rezipiert.[5] Julia Encke bemerkte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass Kirchhoff „vorführt, was Literatur zu leisten vermag, wenn über #MeToo gesprochen wird.“ Laut Encke käme der eindrucksvolle Roman genau zum richtigen Zeitpunkt.[6]

Nach eigener Aussage geht es Kirchhoff in seinem Werk „stets um eine Versöhnung von Sexualität und Sprache“.[7]

Auszeichnungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Drehbücher (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • David-Christopher Assmann: Extrinsisch oder was? Bodo Kirchhoff und Andreas Maier auf dem Markt der Aufmerksamkeit. In: Matthias Beilein u. a. (Hrsg.): Kanon, Wertung und Vermittlung. Literatur in der Wissensgesellschaft (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 129). De Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-025994-0, S. 239–259.
  • David-Christopher Assmann: Poetologien des Literaturbetriebs. Szenen bei Kirchhoff, Maier, Gstrein und Händler (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 139). De Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-035766-0.
  • Johannes Birgfeld: Möglichkeiten und Grenzen literarischer Kriegsberichterstattung. Am Beispiel Bodo Kirchhoffs und Peter Handkes. In: Bernd Blöbaum, Stefan Neuhaus (Hrsg.): Literatur und Journalismus. Theorie, Kontexte, Fallstudien. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-531-13850-2, S. 293–315.
  • Anna Sophie Brasch: Eulenspiegelei um einen Picasso. Bodo Kirchhoffs Schundroman und das ironische Spiel mit dem Schund. In: Kritische Ausgabe. Zeitschrift für Germanistik & Literatur. 22. Bonn 2012, ISSN 1617-1357, S. 24–27.
  • Carlo Brune, Lena Kraemer: KirchHoffmanns Sandmänner. Identitäts- und Körperkonstruktionen in den gleichnamigen Texten Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann und Bodo Kirchhoff. In: E.T.A. Hoffmann Jahrbuch. 14. Erich Schmidt, Berlin 2006, ISSN 0944-5277, S. 107–123.[12]
  • Andrea Geier: „…wenn man es logisch zu Ende denkt, zieh' ich mich selbst hier aus“. Imaginationen des Geschlechtertauschs und erotische Geschlechterverwirrung in Bodo Kirchhoffs „Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf“. In: Robert André, Christoph Deupmann (Hrsg.): Paradoxien der Wiederholung. Winter, Heidelberg 2003, ISBN 3-8253-1480-4, S. 171–191.
  • Torsten Pätzold: Textstrukturen und narrative Welten. Narratologische Untersuchungen zur Multiperspektivität am Beispiel von Bodo Kirchhoffs „Infanta“ und Helmut Kraussers „Melodien“ (Europäische Hochschulschriften, 1779). Peter Lang, Bern 2000, ISBN 3-631-36901-8, Diss. phil. Universität Paderborn 2000.
  • Siegfried Steinmann: Sprache, Handlung, Wirklichkeit im deutschen Gegenwartsdrama: Studien zu Thomas Bernhard, Botho Strauss und Bodo Kirchhoff (Trierer Studien zur Literatur, 12). Peter Lang, Bern 1985, ²1986, ISBN 3-8204-8629-1, Diss. phil. Universität Trier 1984.
  • Hubert Winkels: Text-Manie. Bodo Kirchhoffs knifflige Prosa. In: Einschnitte. Zur Literatur der 80er Jahre. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1988, ISBN 3-462-01942-2, S. 98–112.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bodo Kirchhoff im Munzinger-Archiv, abgerufen am 5. Februar 2024 (Artikelanfang frei abrufbar)
  2. Peter Würth: Gardasee: Ein Rustico im Paradies. In: Der Spiegel, 8/2009, S. 148.
  3. Alexa Hennig von Lange: Allein ist man zu wenig. Interview. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 9. Oktober 2016, S. 47.
  4. Bodo Kirchhoff: Erinnerungen: Sprachloses Kind. In: Der Spiegel, 11/2010, S. 150.
  5. Dämmer und Aufruhr. Roman der frühen Jahre, Perlentaucher vom 30. Juni 2018, abgerufen am 1. Juli 2018.
  6. Julia Encke: Bodo Kirchhoffs neuer Roman: „Damals hat das niemanden interessiert“. In: FAZ.NET. Abgerufen am 8. Februar 2022.
  7. Liebe ist das schwierigste Thema (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive), Bodo Kirchhoff im Interview, in: Kölnische Rundschau vom 12. Februar 2015
  8. Claus-Jürgen Göpfert: Goetheplakette für Bodo Kirchhoff und Effie Rolfs. Frankfurter Rundschau, 12. Dezember 2018, abgerufen am 3. Mai 2019.
  9. Das literarische Quartett, 10. Oktober 2001. Auf YouTube einsehbar, als Print beim Verlag, Sonderdruck
  10. Christoph Schröder: "Dämmer und Aufruhr. Roman der frühen Jahre" – „Dunkles Energiezentrum“, Rezension im Deutschlandfunk vom 1. Juli 2018, abgerufen am 1. Juli 2018.
  11. Burkhard Müller: Rezension – "Dämmer und Aufruhr" von Bodo Kirchhoff. Abgerufen am 4. November 2020.
  12. Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft (Memento vom 17. September 2019 im Internet Archive), 52.