Bombenanschlag auf der Piazza Fontana

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Banca Nazionale dell‘Agricoltura an der Piazza Fontana

Der Bombenanschlag auf der Piazza Fontana am 12. Dezember 1969 war der erste große rechtsterroristische Anschlag in der italienischen Nachkriegsgeschichte. Gegen 16:37 Uhr explodierte vor dem Hauptsitz der Banca Nazionale dell’Agricoltura in Mailand eine Bombe, die 17 Menschen tötete und 88 zum Teil schwer verletzte.

Historischer Kontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bombenanschlag auf der Piazza Fontana war der Ausgangspunkt für eine bis 1982 anhaltende Welle rechtsterroristischer Gewalt, die ihren Höhepunkt im Anschlag von Bologna 1980 fand. In diesen Jahren fanden 3069 Terrorakte und 2925 weitere politische Gewalttaten von Rechtsextremen statt (über 150 allein 1969), denen insgesamt 186 Tote und 572 Verletzte zum Opfer fielen. Zwischen 1970 und 1984 sollen etwa 572 Rechtsextreme in 113 Terrorgruppen aktiv gewesen sein.[1]

Der Anschlag und seine Nachgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenktafel für die Opfer des Anschlags in Mailand

In der Vorweihnachtszeit tötete die Bombe auf der Piazza Fontana vierzehn Menschen sofort. Weitere Opfer starben im Krankenhaus, sodass insgesamt 17 Menschen ums Leben kamen; über 80 weitere wurden verletzt.[2]

Der Anschlag in der Mailänder Landwirtschaftsbank war nicht der einzige für diesen Tag geplante. Vielmehr bettete er sich in eine zeitlich abgestimmte Bombenserie ein. Ein Bankangestellter fand um 16:25 Uhr in der Filiale der italienischen Handelsbank an der Piazza della Scala in einer abgestellten Aktentasche eine Bombe. Er konnte sie noch rechtzeitig im Hof der Bank vergraben. In Rom ereigneten sich fast gleichzeitig drei weitere Detonationen. Etwa um 16:45 Uhr explodierte in der Via Veneto im Gebäude der Banca Nazionale del Lavoro eine Bombe, die 14 Angestellte verletzte. Zwei weitere Bomben explodierten auf der Piazza Venezia in Rom im Abstand von zehn Minuten. Diese verletzten drei Zivilisten und einen Polizisten.[3]

Die Attentate in Rom und Mailand wurden von Anhängern der Ordine Nuovo (ON) durchgeführt. Die Haupttäter waren Franco Freda (* 1941) und Giovanni Ventura (1944–2010). Die Planung und Leitung des Mailänder Anschlags übernahm der ON-Führer Pino Rauti.[4] Nach dem Anschlag gelang es Freda zu fliehen. Er konnte jedoch 1979 in Costa Rica festgenommen werden.[5] Die Zuweisung der Tat in Richtung neofaschistischer Terrorgruppen, von denen die ON die bedeutendste war, ist nicht vollständig. Die Auftraggeber des Anschlags werden in den Reihen der Propaganda Due verortet. Ziel des Anschlags war es, das Klima in Italien weiter für einen faschistischen Putsch anzuheizen.[6] Die Faschisten besaßen zu dieser Zeit eine auf zahlreiche Organisationen verteilte Massenbasis.

Die politische Legitimation für den Einsatz des Militärs sollten linke Terroranschläge bilden. Da die Linke diese nicht wie gewünscht durchführte, sollte durch fingierte Handlungen die Schuld für eigene Anschläge den Linken zugeschoben werden (Falsche Flagge). Dieser Anschlag bildete, wie sich später herausstellte, keine Ausnahme hinsichtlich der Legung falscher Spuren. So führten die ON bereits im Vorfeld Anschläge durch, welche die Handschrift anarchistischer Gruppen trugen. Unterdessen beseitigte die Polizei Beweise, die zu den faschistischen Tätern führten. Die nicht detonierte Bombe wurde auf Anweisung des Polizeipräsidiums gesprengt. Unterdessen wurden etwa dreihundert Anarchisten festgenommen. Über die Polizei wurde die Schuld sofort den Anarchisten zugewiesen. Die rechte Presse nahm dies auf und forderte ein Ende des kommunistischen Terrors. Die verantwortlichen Polizeiführer konzentrierten ihre Ermittlungen sodann auf den bekannten Anarchisten Giuseppe Pinelli. Dieser hatte zwar ein Alibi, doch behauptete die Polizei, dies sei nicht sicher. In der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 1969 wurde Pinelli aus dem vierten Stock des Polizeipräsidiums gestürzt und war sofort tot. Die Polizeiführung verbreitete sogleich die Behauptung, er habe sich wegen seines fehlenden Alibis zu Tode gestürzt. Die Todesermittlungen ergaben, dass Pinelli keinen Selbstmord begangen hatte.[7]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der 12. Dezember (Originaltitel 12 dicembre. Lotta continua) ist ein Dokumentarfilm von Pier Paolo Pasolini aus dem Jahr 1972.[8] Der Film wurde 1972 im Forum der Berlinale uraufgeführt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Luciano Lanza: Bomben und Geheimnisse: Geschichte des Massakers von der Piazza Fontana. Nautilus, Hamburg, 1998, ISBN 3-89401-332-X.
italienisch: Bombe e Segreti – Piazza Fontana: Una strage senza colpevoli. Eleuthera, Mailand 1997, ISBN 88-89490-12-8. (2. Auflage. 2005; pdf, 839 kB)
  • Tobias Hof: Staat und Terrorismus in Italien 1969–1982 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 81). Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-486-59812-4. (zugleich Dissertation, Universität München 2009).

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Tobias Hof: Staat und Terrorismus in Italien 1969–1982. 2011, S. 50 f. (books.google.de)
  2. Tobias Hof: Staat und Terrorismus in Italien 1969–1982. 2011, S. 2. (books.google.de)
  3. Gerhard Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott: der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA (= Neue kleine Bibliothek. 66). PapyRossa-Verlag, Köln 2000, ISBN 3-89438-207-4, S. 112.
  4. Gerhard Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott. 2000, S. 112f.
  5. Rainer Fromm: Die „Wehrsportgruppe Hoffmann“: Darstellung, Analyse und Einordnung. Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-32922-9, S. 169.
  6. Gerhard Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott. 2000, S. 117f.
  7. Gerhard Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott. 2000, S. 120ff.
  8. La lotta continua 12 dicembre (1970) Citta Pasolini, abgerufen am 30. Juli 2023

Koordinaten: 45° 27′ 47,9″ N, 9° 11′ 38,7″ O