Brassaï

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Porträt von Brassaï, aufgenommen 1936 in Paris, von Emiel van Moerkerken

Brassaï (* 9. September 1899 in Kronstadt (Österreich-Ungarn);[1]8. Juli 1984 in Nizza) war ein französischer Künstler, besonders Fotograf, ungarischer Herkunft.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der bürgerlich als Gyula Halász Geborene nahm das Pseudonym „der aus Brassó Stammende“ (Brassaï) an. Nach Studien in Ungarn und Deutschland kam er 1924 nach Paris. Sein Freund André Kertész überredete ihn, seine Faszination für das Pariser (Nacht-)Leben in Fotos einzufangen. 1933 erschien sein Fotobuch Paris de Nuit, das ihn sofort berühmt machte. Kurz darauf wurde er zur Ausstellung Photography: 1839–1937 des Museums of Modern Art eingeladen. Brassaï war vielseitig talentiert und beschränkte sich nicht auf die Fotografie: Er konnte zeichnen, malen, bildhauern und schreiben. Er pflegte unter anderem Freundschaften mit dem Künstler Pablo Picasso, dem deutsch-britischen Fotografen Bill Brandt und dem amerikanischen Schriftsteller Henry Miller. Berühmt wurde sein Buch Conversations avec Picasso, das er 1964 veröffentlichte. 1975 wurde sein Buch Henry Miller – Die Pariser Jahre veröffentlicht. Brassaïs Grab befindet sich auf dem Friedhof Montparnasse in Paris.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brassaïs Arbeiten sind wegweisend für seine Zeit, da er die damals schwierige Technik der Fotografie bei Nacht meisterte. Dabei blieb er nicht im Technischen stecken; vielmehr drückte er in seinen Aufnahmen seine Liebe zu Paris und zu seinen Bewohnern aus. Er verfügte über ein scharfes Auge „für das, was sich zwischen den Menschen des Schattens abspielt. ... Brassaï ist in die Eingeweide der Stadt hineingestiegen und hat ihnen menschliche Schicksale entlockt, die wir nicht kannten“ (L. Fritz Gruber).

Seine Bilder sind immer aufrichtig und überzeugend, weil er die Dargestellten nicht überfiel, sondern sie – auch wenn sie der „Unterwelt“ angehörten – zu vertrauensvoller Zusammenarbeit gewinnen konnte. Auch wenn er Schwächen sichtbar machte, machte er nicht lächerlich; eher ist ein leises Schmunzeln spürbar. Brassaï selber sagte dazu: There are many photographs which are full of life but which are confusing and difficult to remember. It is the force of an image which matters. (dt.: „Es gibt viele Fotos, die voller Leben, aber die unübersichtlich und schwer zu merken sind. Es ist die Kraft des Bildes, die zählt.“)

Weniger bekannt ist, dass Brassaï – neben Man Ray – auch der Fotograf der Surrealisten war. Er nahm Kristalle und Gewächse so auf, dass sie ihrem gewöhnlichen Zusammenhang entzogen wurden und zu freien Wesenheiten mutierten. So konnten sie ihre imaginäre Kraft ohne inhaltliche Zwänge entfalten.

Ein Pionier war Brassaï auf dem Gebiet der Graffiti-Fotografie. Bei nächtlichen Spaziergängen durch Paris seit den zwanziger Jahren fand er Gefallen an den zahlreichen in Mauern eingeritzten Wandbildern und begann sie fotografisch festzuhalten. Doch waren diese Fotografien nicht rein dokumentarisch, sondern durch das Streiflicht, das die Einritzungen in den Wänden kontrastreich hervorhebt, und durch die Auswahl des Ausschnitts mit künstlerischem Anspruch entstanden.[2] Brassaï veröffentlichte 1933 neun dieser Fotografien gemeinsam mit dem kurzen Essay „Von der Höhlenwand zur Fabrikmauer“ (französischer Originaltitel: Du mur des cavernes au mur d’usine) auf zwei Seiten in der Zeitschrift der Surrealisten, Le Minotaure. Dort schreibt Brassaï in poetischer Sprache ein Plädoyer für die Graffiti, die er als ursprüngliche und authentische Kunstform würdigt.[3] Er erhielt daraufhin viel positive Resonanz und regte andere Künstler, wie zum Beispiel Jean Dubuffet, zur Auseinandersetzung mit Mauern und ihren Graffiti an.

Während es schon zu seinen Lebzeiten etliche Fotoausstellungen von ihm in Amerika und Wanderausstellungen in Europa gab, schätzte man ihn in Frankreich vor allem für seine Zeichnungen und Skulpturen. Für Harper’s Bazaar fotografierte er jahrelang Reisereportagen über Griechenland, die Türkei, Italien, Spanien, Schweden, Marokko und aus den USA über Louisiana und New York. Auch zwei Filme hat der vielseitige Künstler gemacht und in Cannes 1956 dafür einen Preis erhalten. Mit 75 wurde er gemeinsam mit seinem Freund Ansel Adams zu Les Rencontres d'Arles eingeladen und vom dortigen jungen Publikum gefeiert.

Als Medailleur schuf Brassaï u. a. eine Medaille auf Picasso für den Club français de la médaille.[4]

Zwei zeitgleiche Ausstellungen im Juni 2011 in Berlin, kuratiert von Kylikki Zacharias, widmeten sich unterschiedlichen Aspekten der Retrospektive auf Brassaïs Werk. Die Sammlung Scharf-Gerstenberg zeigte Graffiti-Fotos, die der Fotograf über viele Jahre an Pariser Hauswänden entdeckt und aufgenommen hat. Die räumlich benachbarte Sammlung Berggruen bot Künstlerporträts von Pablo Picasso über Henri Matisse bis Georges Braque.[5]

Zitat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Es gibt viele Fotos, welche voller Leben, aber dennoch schwer zu merken sind. Wichtig ist die Wirkungskraft.“

Brassaï

Weitere Ausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke (Bücher)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paris de Nuit. 1933.
  • Conversation avec Picasso. 1964.
  • Proust und die Liebe zur Photographie. Text und 16 Bilder von B. Aus dem Franz. Marcel Proust sous l'emprise de la photographie Übers. Max Looser. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-41217-5. (auch engl. Version erhältlich)
  • Henry Miller – The Paris Years. 1975; englische Übersetzung 1995.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • L. Fritz Gruber (Hrsg.): Große Photographen unseres Jahrhunderts. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1964, S. 84 ff.
  • Jean-Claude Gautrand (Text): Brassaï, Universal Art. Taschen, Köln 2004, ISBN 3-8228-3137-9.
  • Alain Sayag, Annick Lionel-Marie (Hrsg.): Brassaï - The Monograph. (308 Bilder; Beiträge von Henry Miller, Jacques Prévert et al.). Bulfinch Press / Little, Brown and Company, London / Boston 2000, ISBN 0-8212-2668-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das damalige österreich-ungarische Kronstadt heißt heute Brașov und gehört zu Rumänien
  2. Mechthild Haas: Jean Dubuffet. Materialien für eine „andere“ Kunst nach 1945. Berlin 1997 (Diss. Uni Hamburg 1996. S. 79)
  3. Brassaï: Du mur des cavernes au mur d’usine. In: Minotaure 3/4, Paris 1933. S. 6–7.(Deutsche Übersetzung von Johannes Stahl in: An der Wand. Graffiti zwischen Anarchie und Galerie. Köln 1989. S. 194–195)
  4. In memoriam: Brassaï. Le club français de la médaille. Hrsg.: L'administration des monnaies et médailles. Nr. 85. Paris 1984, S. 101 (französisch).
  5. Barbara Wiegand„Künstler mit der Kamera“, Brassai-Ausstellungen in Berlin. Deutschlandradio Kultur vom 26. Mai 2011.
  6. berliner-zeitung.de: Das Surreale hinter dem Realen (abgerufen am 13. März 2015)
  7. kunstmuseum-wolfsburg.de: Brassaï – Das Auge von Paris (Memento vom 3. März 2016 im Internet Archive)
  8. artinfo24.com: Brassaï Ausstellung Berlin (abgerufen am 13. März 2015)
  9. Paris Blog: Brassaï – aus Liebe zu Paris (abgerufen am 13. März 2015)
  10. El París de Brassaï. Fotos de la ciudad que amó Picasso (abgerufen am 8. Januar 2022)