Brigitte Kronauer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Brigitte Kronauer (2005)

Brigitte Kronauer (* 29. Dezember 1940 in Essen; † 22. Juli 2019 in Hamburg)[1] war eine deutsche Schriftstellerin. Ab 1974 lebte und arbeitete sie als Autorin in Hamburg.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Bildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brigitte Kronauer wuchs im Ruhrgebiet auf und begann bereits als Kind mit dem Schreiben erster Geschichten, da sie wegen ihrer unleserlichen Handschrift von ihrem Vater zu Schreibübungen angehalten wurde. Gegenüber ihrem Vater setzte sie durch, dass sie eigene Texte schreiben durfte und nicht Vorlagen, die ihr Vater ihr vorlegte.[2] Im Alter von 16 Jahren schrieb sie Hörspiele und sandte diese an Verlage. Sie studierte Germanistik sowie Pädagogik und war zunächst einige Jahre als Lehrerin in Aachen und Göttingen tätig.

Persönliches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kronauer war mit dem Kunstwissenschaftler und Pädagogen Armin Schreiber verheiratet und lebte seit Anfang der 1970er Jahre mit ihm und dem Maler Dieter Asmus als Polykül in Hamburg.[3][4]

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1970er und 1980er Jahren hatte sie regelmäßig mit der österreichischen Zeitschrift das pult (St. Pölten) und deren Herausgeber Klaus Sandler Kontakt. Zu Beginn ihrer publizistischen Laufbahn siedelte sie nach Hamburg um. Es schien ihr paradiesisch, in einer Stadt am Strom mit weißen Villen und Segelbooten[5] zu leben.

Bereits ihr erster Roman Frau Mühlenbeck im Gehäus (1980) erweckte große Aufmerksamkeit. Der Roman Teufelsbrück aus dem Jahr 2000 spielt teilweise in Arosa, wo sich Kronauer regelmäßig im Urlaub aufhielt. Kronauer schrieb regelmäßig für das Magazin konkret.

Grabstätte

Kronauer war seit 1988 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Trägerin zahlreicher Literaturpreise, u. a. des Georg-Büchner-Preises (2005). 2011 erhielt sie die Tübinger Poetik-Dozentur. Im gleichen Jahr wurde ihr literarisches Gesamtwerk mit dem Bayerischen Literaturpreis (Jean-Paul-Preis)[6] gewürdigt. Sie stand mit ihrem Roman Der Scheik von Aachen auf der Shortlist des Preises der Leipziger Buchmesse 2017.[7]

Ebenfalls 2017 wurde ihr der Thomas-Mann-Preis zuerkannt, die Laudatio hielt Martin Mosebach. Die Preisstifter lobten ihre bisherigen Arbeiten als „Sprachkunstwerke, die formale Kühnheit mit psychologischer Subtilität verbinden“. Kronauer sei eine „Erbin der großen Tradition Jean Pauls“ und sie besitze „die Fähigkeit, mit der Sprache Äquivalente für eine vielfältig zersplitterte Realität zu bilden, die unter ihren Händen zu einer unverwechselbaren Melodie“ zusammenfinde.[8] Kronauer konnte schon aus Krankheitsgründen den Preis nicht selbst entgegennehmen.

Kronauer starb im Juli 2019 im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit in Hamburg.[9] Sie lebte dort seit 1974 im Stadtteil Nienstedten[10] und wurde auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kronauer im Jahr 2013

In der Sendung Doppelkopf von hr2-kultur sagte Kronauer, sie fühle sich der Prosa von Ror Wolf sehr nahe. Eine Würdigung Wolfs von ihr erschien unter dem Titel Auftritt am Horizont bereits in das pult.[11]

In einer Rezension für literaturkritik.de[12] schrieb Peter Mohr anlässlich des Romans Verlangen nach Musik und Gebirge (2004):

„Brigitte Kronauer ist eine der gebildetsten, sprachmächtigsten und ambitioniertesten Schriftstellerinnen im deutschen Sprachraum. Die gebürtige Essenerin, die seit vielen Jahren in Hamburg lebt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet worden ist, hat nun einen Roman vorgelegt, der in Schönheit erstarrt. Ein Buch über die Liebe, über die Kunst, über Philosophie und Politik – ein polyphones, stärker essayistisches als erzählendes Wortgemälde, bei dem jeder Pinselstrich wohl überlegt ist, das aber trotzdem relativ spurlos am Betrachter/Leser vorbeizieht.“

Zu einer anderen Einschätzung kam Eberhard Hübner im Spiegel Special (4/2004). Er schrieb über Verlangen nach Musik und Gebirge:

„Kronauers Sätze wollen die innere Optik des Lesers verändern, zumindest für die Dauer des Romans. Man wird hineingezogen in ein Kaleidoskop aus Wahrnehmungen und Imaginationen, das mit üblicher Romanrealistik kaum etwas gemeinsam hat.“

Und weiter:

„Der Titel ist ein Nietzsche-Zitat aus den Aphorismen seiner ‚Morgenröte‘. Es seien ‚Erdichtungen‘, so führt Nietzsche das aus, die diesem Verlangen ‚Spielraum und Entladung‘ geben. Beides erfüllt Brigitte Kronauers Roman in einer für die gegenwärtige deutsche Literatur ganz einzigartigen Weise.“

Tilman Krause beschloss seine Kritik in der Welt vom 2. Oktober 2004 mit den Worten:

„[…] lustvoll, daß man am liebsten sofort wieder von vorn lesen würde.“

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verleihung des Jean-Paul-Preises durch den Bayerischen Staatsminister Wolfgang Heubisch (2011)

Poetik-Vorlesungen / Poetik-Dozenturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Romane[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erzählungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hörspiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herr Hagenbeck hirtet.[13] Hessischer Rundfunk, Norddeutscher Rundfunk 2014

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Brigitte Kronauer. (= Text + Kritik. 112). München 1991.
  • Patrick Bahners: Vereinigung durch das Bild hindurch. Laudatio auf Brigitte Kronauer. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch 2005. Darmstadt 2006, S. 124–132.
  • Markus Barth: Lebenskunst im Alltag. Analyse der Werke von Peter Handke, Thomas Bernhard und Brigitte Kronauer. Wiesbaden 1998.
  • Reinhard Baumgart: Das Licht, das keine Schatten wirft. Versuch, die Einzigartigkeit der Schriftstellerin Brigitte Kronauer zu beschreiben. In: Die Zeit. Nr. 51, 15. Dezember 1989, S. 66f.
  • Martin Brunkhorst: Literatur und Leidenschaft. Das Bild des Philologen bei Heinrich Mann, Vladimir Nabokov und Brigitte Kronauer. In: Friedrich W. Block (Hrsg.): Verstehen wir uns? Zur gegenseitigen Einschätzung von Literatur und Wissenschaft. Festschrift für Anselm Maler. Frankfurt am Main 1996, S. 67–99.
  • Bettina Clausen: Die Metasprache der Struktur. Brigitte Kronauers „Rita Münster“. In: The German Quarterly. 1990, S. 437 ff. (auch in: Paul Michael Lützeler (Hrsg.): Spätmoderne und Postmoderne. Fischer TB, Frankfurt am Main 1991, S. 157 ff.)
  • Bettina Clausen: Ein staunenswerter Fall und Aufstieg. Zur Prosa Brigitte Kronauers. In: Merkur. 45, Heft 5, 1991, S. 442–447.
  • Bettina Clausen: Brigitte Kronauer. In: Frank Rainer Max, Christine Ruhrberg (Hrsg.): Reclams Romanlexikon. Band 5: 20. Jahrhundert III. Reclam, Stuttgart 2000, S. 329 ff.
  • Bettina Clausen, Thomas Kopfermann, Uta Kutter (Hrsg.): Literarisches Portrait Brigitte Kronauer In: Schriften der Akademie für gesprochenes Wort. Nr. 6, Stuttgart 2004.
  • Meike Feßmann: Gezielte Verwilderung. Modernität und Romantik im Werk von Brigitte Kronauer. In: Sinn und Form. 56, Heft 4, 2004, S. 487–503.
  • Wilhelm Genazino: Brigitte Kronauer. In: Dietz-Rüdiger Moser (Hrsg.): Neues Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur seit 1945. München 1990, S. 391–392.
  • Günter Häntzschel: Die Sammlung, die Königin meiner fixen Ideen. Sammler und Sammlungen in Brigitte Kronauers Roman „Errötende Mörder“. In: Aufbrüche und Vermittlungen – Beiträge der Luxemburger und europäischen Literatur- und Kulturgeschichte. Bielefeld 2010, S. 769–779.
  • Jutta Ittner: Der nachdrückliche Blick. Gespräch mit Brigitte Kronauer. In: Neue Deutsche Literatur: Zeitschrift für deutschsprachige Literatur (NDL). 49, Heft 1, 2001, S. 44–57.
  • Jutta Ittner: Epiphanies at the Supermarket: An Interview with Brigitte Kronauer. In: Studies in Twentieth Century Literature. 27, Heft 1, 2003, S. 103–121.
  • Jutta Ittner (Hrsg.): Constructs of Desire. Selections from Brigitte Kronauer. Bucknell University Press, Lewisburg 2009.
  • Werner Jung: Literatur ist Gestalt. Gespräch mit Brigitte Kronauer. In: Neue Deutsche Literatur: Zeitschrift für deutschsprachige Literatur (NDL). 49, Heft 1, 2001, S. 29–38.
  • Ursula Liebertz-Grün: Auf der Suche nach einer ökologischen Ästhetik. Natur und Kunst im Werk Brigitte Kronauers. In: Urte Helduser, Johannes Weiß (Hrsg.): Die Modernität der Romantik. Zur Wiederkehr des Ungleichen. Kassel 1999, S. 219–242.
  • Ursula Lüdke: Funktion und Wirkung von Mehrdeutigkeit im Erzählwerk der Schriftstellerin Brigitte Kronauer. (Volltext)
  • Gerhard Moser: Der metaphysische Acker. Gespräch mit Brigitte Kronauer. In: Literatur und Kritik. Heft 172, S. 414–427.
  • Ursula Renate Riedner: Sprachliche Felder und literarische Wirkung: exemplarische Analysen an Brigitte Kronauers Roman „Rita Münster“. München 1996, ISBN 3-89129-133-7.
  • Gerlinde Röder-Bolten: The Emptiness of All Things under Heaven: Joseph Conrad and Brigitte Kronauer‘s „Berittener Bogenschütze“. In: Conradiana: A Journal of Joseph Conrad Studies. 38, Heft 3, 2006, S. 229–246.
  • Heinz F. Schafroth (Hrsg.): Die Sichtbarkeit der Dinge. Über Brigitte Kronauer. Stuttgart 1998.
  • Dagmar Schulz: Stilistische Elemente in der Prosa von Brigitte Kronauer exemplarisch dargestellt an „Rita Münster“, „Berittener Bogenschütze“ und „Frau Mühlenbeck im Gehäus“. In: Focus on Literature. Vol. 1, Nr. 2, 1994, S. 141–150.
  • Oliver Sill: Rückzug ins Grenzenlose. „Das Bett“ als Leitmotiv in der Prosa Brigitte Kronauers. In: Walter Delabar u. a. (Hrsg.): Neue Generation – Neues Erzählen. Deutsche Prosa-Literatur der achtziger Jahre. Opladen 1993.
  • Dörte Thormählen: Schattenspiele. Das Wirkliche als das Andere bei Brigitte Kronauer. In: Sprache im technischen Zeitalter. Heft 132, 1994, S. 379–390.
  • Anna E. Wilkens: Kunst, Literatur und Wirklichkeit in Brigitte Kronauers Roman „Berittener Bogenschütze“. Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4829-6.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Brigitte Kronauer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Brigitte Kronauer ist tot. In: DER SPIEGEL - Kultur, 23. Juli 2019, abgerufen am 27. November 2020.
  2. Marler Zeitung 24. Juli 2019 Seite 13, Christiane Bosch
  3. Neue Zürcher Zeitung: Wenn Partner das Thema der Kunst werden, 21. Dezember 2003
  4. Deutscher Welle: Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer gestorben, 23. Juli 2019
  5. Marler Zeitung 24. Juli 2019 Seite 13; Christiane Bosch
  6. Träger des Karl-Vossler-Preises (Memento des Originals vom 27. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.km.bayern.de, Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
  7. Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2017 (Memento des Originals vom 21. März 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.preis-der-leipziger-buchmesse.de. In: preis-der-leipziger-buchmesse.de. Abgerufen am 4. Juli 2017.
  8. Brigitte Kronauer erhält den Thomas Mann Preis 2017/Verbindung von formaler Kühnheit mit psychologischer Subtilität. In: boersenblatt.net. 3. Juli 2017, abgerufen am 3. Juli 2017.
  9. Brigitte Kronauer verstorben, boersenblatt.net, erschienen und abgerufen am 23. Juli 2019.
  10. Hamburger Schriftstellerin Brigitte Kronauer gestorben. In: www.abendblatt.de. 23. Juli 2019, abgerufen am 5. Juli 2019.
  11. (39/1975), gesammelt in Aufsätze zur Literatur 1987, S. 9–21.
  12. Peter Mohr: Wettlauf mit James Ensor – Brigitte Kronauers Roman „Verlangen nach Musik und Gebirge“. In: www.literaturkritik.de. 1. Oktober 2004, abgerufen am 25. September 2009.
  13. Hörspielreihe: Bibelprojekt – Brigitte Kronauer: Herr Hagenbeck hirtet (Memento vom 19. Oktober 2014 im Webarchiv archive.today) HR 19. Oktober 2014, abgerufen 19. Oktober 2014.