Chaoit

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Chaoit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1968-019[1]

IMA-Symbol

Ch[2]

Chemische Formel C
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Elemente – Halbmetalle, Nichtmetalle
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

I/B.02-020

1.CB.05b
01.03.06.04
Kristallographische Daten
Kristallsystem hexagonal
Kristallklasse; Symbol dihexagonal-dipyramidal; 6/m2/m2/m
Raumgruppe P6/mmm (Nr. 191)Vorlage:Raumgruppe/191[3]
Gitterparameter a = 8,95 Å; c = 14,08 Å[3]
Formeleinheiten Z = 168[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 1 bis 2[4]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,43[4]
Spaltbarkeit nicht definiert
Farbe dunkelgrau[5] bis schwarz[4]
Strichfarbe nicht definiert
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz[5]

Chaoit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Elemente“ und chemisch gesehen eine hexagonale Modifikation von Kohlenstoff.

Chaoit ist wie Graphit in jeder Form undurchsichtig (opak) und entwickelt mit diesem verwachsene, 3–15 μm große Lamellen von dunkelgrauer bis schwarzer Farbe und metallischem Glanz.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Mineral wurde bei einer systematischen Untersuchung von biotitreichen, graphitführenden Gneisen aus dem Nördlinger-Ries-Krater im Grenzgebiet zwischen Schwäbischer (Baden-Württemberg) und Fränkischer Alb (Bayern) entdeckt. Ahmed El Goresy und G. Donnay 1968 fanden in den zu Glas verschmolzenen Bereichen von Proben aus Möttingen eine im Auflicht metallisch grau bis hellweiß reflektierende Phase zwischen Graphitlamellen, deren optische Eigenschaften zu keiner der bisher bekannten Kohlenstoffmodifikation passten. Weitere Untersuchungen von angereicherten Proben der unbekannten Phase mit der Elektronenmikrosonde ergaben, dass das Material bis auf 0,5 % Silicium und Chlor aus reinem Kohlenstoff bestand.[6]

Goresy und Donnay benannten das neu entdeckte Mineral nach dem amerikanisch-chinesischen Geologen und Petrologen Edward Ching-Te Chao (1919–2008), um seine bahnbrechenden Arbeiten über Impaktmetamorphismus zu ehren. Sie reichten ihre Untersuchungsergebnisse und den gewählten Namen 1968 zur Prüfung an die International Mineralogical Association (interne Eingangs-Nr. der IMA: 1968-019), die den Chaoit als eigenständige Mineralart anerkannte.[1]

1969 konnten A. G. Whittaker und P. Kintner in Versuchen zur Herstellung von synthetischem Chaoit nachweisen, dass das Mineral eine Hochtemperatur-Modifikation von Kohlenstoff ist, die zur Entstehung eine Temperatur von über ≈ 2550 °K (2700–3000 °K), aber nur einen geringen Druck von 0,0001 Torr (entspricht ≈ 0,0133 Pa) braucht.[7][8]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist bisher nicht bekannt.[4][9]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis zum Redaktionsschluss der letzten überarbeiteten Mineralogischen Tabellen (6.–8. Auflage), auf der die Systematik der Minerale nach Strunz (8. Auflage) beruht, war Strunz nur bekannt, dass außer den in der Element-Abteilung der „Halbmetalle und Nichtmetalle“ aufgeführten Graphit und Diamant noch eine weitere Modifikation von Kohlenstoff in Graphitgneisen des Ries-Kraters entdeckt worden war.[10] In der letzten Auflage von Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie (Hrsg. Paul Ramdohr und Hugo Strunz, 1978) ist diese nun als Chaoit bekannte Modifikation auch in der Kohlenstoff-Gruppe eingeordnet.[11]

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Strunzschen Systematik richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. I/B.02-020. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Halbmetalle und Nichtmetalle“, wo Chaoit zusammen mit Diamant, Graphit, Lonsdaleit, Moissanit und dem bisher als fraglich geltenden Fullerit die unbenannte Gruppe I/B.02 bildet.[5]

Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Chaoit in die Abteilung der „Halbmetalle (Metalloide) und Nichtmetalle“ ein. Diese ist allerdings weiter nach verwandten Element-Familien unterteilt, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Kohlenstoff-Silicium-Familie“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 1.CB.05b bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana findet sich Chaoit ebenfalls in der Klasse und gleichnamigen Abteilung der „Elemente“. Auch hier bildet er zusammen mit Diamant, Graphit, Lonsdaleit und Fullerit die Gruppe der „Kohlenstoffpolymorphe“ mit der System-Nr. 01.03.06 innerhalb der Unterabteilung „Elemente: Halbmetalle und Nichtmetalle“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chaoit kristallisiert zwar wie Graphit-2H im hexagonalen Kristallsystem, jedoch in der abweichenden Raumgruppe P6/mmm (Raumgruppen-Nr. 191)Vorlage:Raumgruppe/191 mit den Gitterparametern a = 8,95 Å und c = 14,08 Å sowie 168 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Modifikationen und Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom Element Kohlenstoff sind bisher vier Modifikation bekannt, die als natürliche Bildungen (ohne menschlichen Einfluss) nachgewiesen werden konnten und daher als eigenständige Mineralart anerkannt sind. Neben dem hexagonal kristallisierenden Chaoit sind dies noch

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chaoit bildet sich durch Schock-Metamorphose in biotitreichem, graphitführendem Gneis sowie in Meteoriten. Als Begleitminerale können unter anderem Graphit, Zirkon, Rutil, Pseudobrookit, Magnetit, nickelhaltiger Pyrrhotin und Baddeleyit auftreten.[4]

Weltweit sind bisher lediglich sechs Fundorte für das Mineral dokumentiert (Stand 2023). In Deutschland fand sich Chaoit außer an seiner Typlokalität bei Möttingen nur noch bei Bopfingen, das ebenfalls am Rand des Nördlinger Ries liegt. Weitere Funde wurden in den indischen Meteoriten Goalpara (entdeckt 1868 im gleichnamigen Distrikt) und Dyalpur (1872 im Distrikt Sultanpur niedergegangen) sowie dem finnischen Meteoriten Haverö (1971 auf der gleichnamigen Insel, Gemeinde Nauvo niedergegangen) gemacht. Des Weiteren fand man Chaoit noch in Gesteinsproben aus dem Popigai-Krater im nördlichen Sibirien.[13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liste der Minerale

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ahmed El Goresy, G. Donnay: A new allotropic form of carbon from the Ries Crater. In: Science. Band 161, 1968, S. 363–364, doi:10.1126/science.161.3839.363 (englisch).
  • Ahmed El Goresy: Eine neue Kohlenstoff-Modifikation aus dem Nördlinger Ries. In: Naturwissenschaften. Band 56, 1969, S. 493–494 (online verfügbar auf vdocuments.mx).
  • Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 54, 1969, S. 326–330 (englisch, rruff.info [PDF; 328 kB; abgerufen am 27. Februar 2023]).
  • Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 55, 1970, S. 1067–1073 (englisch, rruff.info [PDF; 504 kB; abgerufen am 27. Februar 2023]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 27. Februar 2023]).
  3. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 51.
  4. a b c d e Chaoite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 56 kB; abgerufen am 27. Februar 2023]).
  5. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. Ahmed El Goresy, G. Donnay: A New Allotropic Form of Carbon from the Ries Crater. In: Science. Band 161, 1968, S. 363–364, doi:10.1126/science.161.3839.363 (englisch).
  7. Ahmed El Goresy: Eine neue Kohlenstoff-Modifikation aus dem Nördlinger Ries. In: Naturwissenschaften. Band 56, 1969, S. 493–494 (online verfügbar auf vdocuments.mx).
  8. A. G. Whittaker, P. Kintner: Carbon: Observations on the New Allotropic Form. In: Science. Band 165, Nr. 3893, 1969, S. 589–591, doi:10.1126/science.165.3893.589 (englisch).
  9. Catalogue of Type Mineral Specimens – C. (PDF 312 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 27. Februar 2023.
  10. Karl Hugo Strunz, Christel Tennyson: Mineralogische Tabellen. 3. Auflage. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig 1982, S. 100.
  11. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 403, 406 (Erstausgabe: 1891).
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 27. Februar 2023 (englisch).
  13. Fundortliste für Chaoit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 27. Februar 2023.