Christoph Schroth

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Christoph Schroth (* 5. Mai 1937 in Dresden; † 20. September 2022[1]) war ein deutscher Theater-Regisseur und Intendant und einer der einflussreichsten Künstler im Theater der DDR.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schroth stammte aus einer Dresdner Theaterfamilie, seine Mutter war die Schauspielerin Lotte Meyer, sein Bruder ist der Regisseur Peter Schroth.

Christoph Schroth studierte von 1955 bis 1959 Journalistik in Leipzig, von 1962 bis 1965 Theaterwissenschaften und im Fernstudium von 1969 bis 1974 Philosophie. 1960 wurde er Regieassistent am Maxim-Gorki-Theater. Seine erste Inszenierung war 1964 Der Abstecher von Martin Walser an der Volksbühne Berlin. Von 1966 bis 1971 arbeitete er am Landestheater in Halle (Saale), wo zwei Inszenierungen von ihm verboten wurden: die DDR-Erstaufführung von Martin Sperrs Landshuter Erzählungen und Yerma von Federico García Lorca.[2] Danach war er bis 1974 wieder an der Volksbühne Berlin.[3][4]

Besonders während seiner Zeit als Schauspieldirektor am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin von 1974 bis 1989 bildeten seine Inszenierungen den Anlass für einen Austausch zwischen Theater und Öffentlichkeit, der über das Künstlerische hinaus weit ins Politische hineinragte. Wichtige Aufführungen waren insbesondere Franziska Linkerhand (1978) und Faust I und Faust II (1979, beide Teile an einem Abend).[4]

Zu einer Besonderheit der Schweriner Theaterarbeit unter Schroths Leitung wurden die Entdeckungen.[5] Schroth hatte das Konzept aus seiner Hallenser Theaterarbeit mitgebracht und in Schwerin weiterentwickelt. Die Entdeckungen standen jeweils unter einem thematischen Schwerpunkt und bündelten verschiedene Inszenierungen und andere szenische Formate an einem Abend. Wesentliche wirkungsästhetische Momente waren der Fest-Charakter, der an Volkstheater-Traditionen anknüpfte, und die Nähe zu den Zuschauern. Das gesamte Theater einschließlich der Probebühnen und Foyers war in die Entdeckungen einbezogen. Unter dem Namen Spektakel realisierte der Regisseur Benno Besson zur gleichen Zeit ein ähnliches Konzept an der Berliner Volksbühne. Diese Form war im Theater der DDR nicht zuletzt deshalb sehr beliebt, weil es auf diese Weise möglich war, Stücke und Aufführungen zu zeigen, die in anderen Formaten möglicherweise verboten worden wären.[6]

Zum Menetekel für den nahen Untergang der DDR wurde der Volksliederabend Die Freie Deutsche Jugend stürmt Berlin, der innerhalb der DDR-Entdeckungen von 1988 gezeigt wurde. Schauspieler sangen sozialistische Lieder aus der Zeit des DDR-Aufbaus, über ihnen hingen ihre Jugendbildnisse. Schroth machte die Differenz zwischen dem einstmals Erhofften und dem Realzustand auf schmerzhafte und zugleich heitere Weise sichtbar. Der Liederabend wurde zu einem der größten Erfolge Schroths in Schwerin.[7]

Von 1984 bis 1986 leitete Schroth neben seiner Tätigkeit als Schauspieldirektor auch als kommissarischer Intendant das Mecklenburgische Staatstheater.[8]

1989 ging Christoph Schroth ans Berliner Ensemble, wo er bis 1990 Oberspielleiter war und bis 1992 als Hausregisseur arbeitete. Von 1992 bis 2003 war er Intendant am Staatstheater Cottbus. In Cottbus setzte er das Schweriner Konzept der Entdeckungen unter dem Titel Zonenrandermutigung fort.[9] Neben seiner Leitungstätigkeit arbeitete Schroth als freischaffender Regisseur im In- und Ausland, unter anderem am Burgtheater Wien, in Vaasa (Finnland), Kassel, Neustrelitz, Neubrandenburg und Senftenberg.[10]

Zu den Schauspielern, mit denen Christoph Schroth über Jahre hinweg arbeitete, zählen Ulrike Krumbiegel, Barbara Bachmann, Bärbel Röhl, Nadja Engel, Wolf-Dieter Lingk, Thomas Harms, Veit Schubert, Sewan Latchinian, Götz Schulte, Axel Werner und Rudolf Koloc. Ein langjähriger Arbeitspartner Schroths war auch der Bühnenbildner Lothar Scharsich.

Christoph Schroth war von 1983 bis 1993 Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (Ost). Von 1990 bis 1993 arbeitete er als Sekretär der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste, Berlin (Ost). Seit 1993 war er Mitglied der Akademie der Künste Berlin. In der Berliner Akademie der Künste befindet sich Christoph Schroths Nachlass.

Inszenierungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1964 Staatspreis für künstlerisches Volksschaffen
  • 1978 Verdienstmedaille der DDR
  • 1980 Banner der Arbeit
  • 1980 Kunstpreis der DDR[11]
  • 1981 Hörspielpreis beste Regie eines Kinderhörspiels
  • 1984 Nationalpreis 3. Klasse
  • 1988 Kunstpreis der FDJ (Erich-Weinert-Medaille)
  • 2003 Hans-Otto-Preis, Dresden
  • 2010 Bundesverdienstkreuz am Bande[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dagmar Fischborn: Theatralische Adaptionen epischer Texte als besondere Form der Wechselbeziehung zwischen Theater und Literatur. Franziska Linkerhand und Das siebte Kreuz am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Dissertation A. Deutsche Nationalbibliothek. Signatur Frankfurt: H 85b/6201, Signatur Leipzig: Di 1985 B 4212
  • Renate Ullrich: Schweriner Entdeckungen. Ein Theater im Gespräch. Dietz Verlag, Berlin 1986.
  • Christa Hasche, Traute Schölling, Joachim Fiebach: Theater in der DDR. Chronik und Positionen. Henschel Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-89487-200-4.
  • C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 628 f.
  • Thomas Irmer: Die Schweriner Legende: Christoph Schroth. Interview. In: Thomas Irmer, Matthias Schmidt: Die Theaterrepublik. Theater in der DDR. Alexander, Berlin 2003, ISBN 3-89581-106-8, S. 102–129.
  • Martin Linzer u. a. (Hrsg.): Wo ich bin, ist keine Provinz. Der Regisseur Christoph Schroth. Akademie der Künste/Förderverein Theaterdokumentation, Berlin 2003, ISBN 3-929333-16-3.
  • Klaus Völker: Geschichten über die Geschichte. „Wo ich bin, ist keine Provinz “ – Christoph Schroth geht in Rente, nicht in den Ruhestand. In: Theaterheute Juli 2003, S. 67.
  • Renate Rätz: Schroth, Christoph. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Theaterregisseur Christoph Schroth gestorben. Abgerufen am 21. September 2022.
  2. Thomas Irmer, Matthias Schmidt: Die Bühnenrepublik. Theater in der DDR. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 2006, ISBN 3-89331-744-9, S. 106.
  3. Christoph Schroth Internationales Biographisches Archiv 16/2005 vom 23. April 2005, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  4. a b Thomas Irmer: Die Schweriner Legende: Christoph Schmidt. Interview. In: Thomas Irmer, Matthias Schmidt: Die Theaterrepublik. Theater in der DDR. Berlin 2003, S. 103–129.
  5. Renate Ullrich: Schweriner Entdeckungen. Ein Theater im Gespräch. Dietz Verlag, Berlin 1986.
  6. Martin Linzer: Entdeckungen DDR-Dramatik. In: Martin Linzer u. a. (Hrsg.): Wo ich bin, ist keine Provinz. Der Regisseur Christoph Schroth. Akademie der Künste/Förderverein Theaterdokumentation, Berlin 2003, ISBN 3-929333-16-3.
  7. Helga Gotschlich: "Und der eignen Kraft vertrauend--" : Aufbruch in die DDR, 50 Jahre danach. Metropol, Berlin 1999, ISBN 3-932482-34-4, 111.
  8. Horst Zänger: 170 Jahre Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin. Norderstedt 2005, S. 149.
  9. Martin Linzer u. a. (Hrsg.): Wo ich bin, ist keine Provinz. Der Regisseur Christoph Schroth. Akademie der Künste/Förderverein Theaterdokumentation, Berlin 2003, ISBN 3-929333-16-3, S. 135.
  10. siehe Theater-Website Neustrelitz/Neubrandenburg (Memento vom 18. Februar 2015 im Internet Archive) und Theater-Website Senftenberg (Memento vom 26. April 2018 im Internet Archive).
  11. Chronik der DDR 1980 – 9. Mai (Memento vom 3. März 2017 im Internet Archive) auf ddr-lexikon.de (abgerufen am 22. September 2022)
  12. Pressemitteilung. Nr. 185-10. Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 5. Oktober 2010, abgerufen am 4. April 2016.