Cordt Schnibben

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Cordt Georg Wilhelm Schnibben (* 28. Juli 1952 in Bremen) ist ein deutscher Journalist, der von 2001 bis 2013 das Gesellschaftsressort des Nachrichtenmagazins Der Spiegel leitete.

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sowohl Schnibbens Vater Georg als auch seine Mutter Elfriede Schnibben, die starb, als er dreizehn Jahre alt war, waren überzeugte Nationalsozialisten. Erst nach dem Tod des Vaters erfuhr Schnibben, dass beide Eltern kurz vor Kriegsende an einem politisch motivierten Mord an einem unbewaffneten Zivilisten beteiligt gewesen seien, bei dem der später wegen Beihilfe zum Totschlag verurteilte Vater[1] als Freiwilliger des „Freikorps Adolf Hitler“ zu den Haupttätern gehört habe, worüber Schnibben im April 2014 in einem ausführlichen Essay berichtete.[2]

Schnibben war Schüler am Bremer Gymnasium am Barkhof. Er wurde von der 68er-Bewegung beeinflusst, demonstrierte gegen die Notstandsgesetzgebung, trat der DKP bei und studierte ein Jahr Gesellschaftswissenschaften an der Außenstelle des Franz-Mehring-Instituts in Berlin-Biesdorf in Ostberlin.[3] Das Studienjahr wurde ihm anerkannt, als er an der Universität Bremen das Studium der Wirtschaftswissenschaften aufnahm. Eine Zeit lang arbeitete er als Werbetexter. Nach einer erfolglosen ersten Bewerbung akzeptierte ihn die Henri-Nannen-Schule im zweiten Anlauf. Von 1984 bis 1988 war er Redakteur bei der Wochenzeitung Die Zeit und ab 1989 arbeitete er beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. 1999 übernahm er mit Lothar Gorris die Chefredaktion des neu gegründeten Magazins Spiegel Reporter, das nach der Einstellung 2001 als Gesellschaftsressort in den Spiegel integriert wurde.[4] Das Gesellschaftsressort leitete er von 2001 bis 2006 mit Lothar Gorris und von 2006 bis 2013 mit Matthias Geyer.

Ab 2013 leitete er die Entwicklung der Internet-Zeitung Spiegel Daily, die im Mai 2017 startete und im Mai 2018 wieder eingestellt wurde.[5][6] 2014 war er maßgeblich beteiligt, als der Spiegel ein „Labor für multimediales Storytelling“ gründete. Dort kamen Mitarbeiter aller Sparten regelmäßig zusammen, um Strukturen für Multi-Format Publishing und Datenjournalismus zu entwickeln.[7] Ein von ihm im Dezember 2014 veröffentlichter Facebook-Beitrag, in dem er den vormaligen Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner scharf angriff, führte zu einer großen Medienresonanz.[8][9] Im November 2017 verließ er den Spiegel mit Erreichen des Rentenalters.[10]

Er gründete 2007 mit Ariel Hauptmeier und Stephan Lebert das Reporter-Forum, das seit 2009 jährlich den Deutschen Reporterpreis verleiht, und im Januar 2017 mit David Schraven die Online-Journalistenschule Reporterfabrik.[11] Im Sommer 2019 wurde er Mitglied des Kuratoriums der Reportageschule Reutlingen.[12] Er ist einer der beiden Autoren des Dokudramas Dutschke – Schüsse von rechts, das am 2. November 2020 auf Das Erste ausgestrahlt wurde.[13]

Im Frühjahr 2018 trat er der SPD bei.[14][15] Er ist Mitgründer des PEN Berlin.[16]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für seine journalistische Arbeit wurde Schnibben mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet.

1990 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis mit Gold für Unter deutschen Dächern: Die Erben des Dr. Barschel (zusammen mit Christian Berg), 1991 den Adolf-Grimme-Preis mit Silber für Wer zu spät kommt – Das Politbüro erlebt die deutsche Revolution (zusammen mit Martin Wiebel, Claudia Rohe, Jürgen Flimm, Hans-Christian Blech und Dirk Dautzenberg).

Für Hamburger Gift[17] erhielt er gemeinsam mit Horst Königstein einen Sonderpreis für Drehbuch und Recherche beim Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste 1993.

2012 erhielt Schnibben einen Henri-Nannen-Preis in der Kategorie Beste Dokumentation, im Team mit Ferry Batzoglou, Manfred Ertel, Ullrich Fichtner, Hauke Goos, Ralf Hoppe, Thomas Hüetlin, Guido Mingels, Christian Reiermann, Christoph Schult, Thomas Schulz und Alexander Smoltczyk, für Eine Bombenidee, erschienen im Spiegel.[18]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Fritz Bauer: Justiz und NS-Verbrechen: Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966. Band 11, University Press Amsterdam 1974, S. 97.
  2. Cordt Schnibben: Mein Vater, ein Werwolf. Der Spiegel, 14. April 2014, S. 62 ff.
  3. Cordt Schnibben: Das große Sackhüpfen. Der Spiegel, 5/2001, 29. Januar 2001, S. 172–176.
  4. SPIEGELreporter wird in SPIEGEL integriert spiegel.de, 18. März 2001
  5. Das „Daily“-Dilemma des Spiegel – die schwierige Sache mit der digitalen Tageszeitung meedia.de, 8. Juni 2016
  6. „Spiegel daily“ startet zur Jahresmitte: Timo Lokoschat und Oliver Trenkamp führen Redaktion, Cordt Schnibben entwickelt. kress.de, 31. Januar 2017.
  7. Zukunft des Journalismus: Labor für multimediales Erzählen. berliner-zeitung.de, 19. Mai 2014.
  8. „Falscher Mann am falschen Ort“. faz.net, 5. Dezember 2014.
  9. Reporter Cordt Schnibben rechnet mit Büchner ab. sueddeutsche.de, 5. Dezember 2014.
  10. Hausmitteilung. Betr.: Dioxin. Letzter redaktioneller Beitrag von Cordt Schnibben für den Spiegel. In: Der Spiegel Nr. 45 vom 4. November 2017, Seite 3.
  11. „Reporterfabrik“: Cordt Schnibben verlässt den Spiegel und gründet mit David Schraven Journalistenschule. meedia.de, 15. Januar 2016.
  12. Reportageschule Reutlingen: Ex-Porsche-Sprecher Anton Hunger gibt Kuratoriumsvorsitz ab, Cordt Schnibben wird Mitglied. meedia.de, 28. Juni 2019.
  13. Rechter Terror im Jahr 1968. tagesspiegel.de, 1. November 2020.
  14. Talkshow. In: Aufwachen! Tilo Jung, Stefan Schulz, 2. März 2018, abgerufen am 5. März 2018 (Folge 275).
  15. Cordt Schnibben: Eintritt in die Partei: „Liebe SPD, ich konnte nicht widerstehen“. In: Der Spiegel. 12. Februar 2018 (spiegel.de [abgerufen am 5. März 2018]).
  16. Mitgründer:innen. Archiviert vom Original am 18. Juli 2022; abgerufen am 18. Juli 2022.
  17. Hamburger Gift bei IMDb
  18. Cordt Schnibben u. a.: Eine Bombenidee. Der Spiegel, 39/2011, 26. September 2011, S. 57–74.