Döberitzer Heide

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Militärtopographische Karte Stand 1980, z. Zt. der Nutzung durch „Rote Armee“

Die Döberitzer Heide ist ein etwa 5000 Hektar großes Gebiet im Havelland, das zum südöstlichen Teil der Landschaftseinheit Nauener Platte gehört. Das Gebiet umfasst im Wesentlichen die Flächen des ehemaligen Truppenübungsplatzes Döberitz, die als Naturschutzgebiete ausgewiesen wurden und auf rund 3600 Hektar ein europaweit einmaliges Wildnis­großprojekt der Heinz-Sielmann-Stiftung beheimaten. Die Heidelandschaft liegt westlich der Berliner Stadtgrenze und südlich der Bundesstraße 5 zwischen Dallgow-Döberitz und dem Ortsteil Seeburg sowie den Wustermarker Ortsteilen Elstal und Priort. Ein kleiner Teil im Süd-Westen liegt auf Potsdamer Gebiet.

Militärische Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die militärische Nutzung des Geländes begann 1713 mit ersten Truppenübungen unter Friedrich Wilhelm I. 1753 führte Friedrich II. ein erstes Großmanöver mit rund 44.000 Soldaten durch. Offiziell begann der Aufbau des Truppenübungsplatzes Döberitz erst 1892 unter Kaiser Wilhelm II. In den Jahren 1903 bis 1911 wurde die Heerstraße als Verbindung zwischen dem Truppenübungsplatz und dem Berliner Schloss auf der Spreeinsel gebaut. 1910 wurde der zugehörige Flugplatz Döberitz eröffnet. 1936 wurde die Döberitzer Heide während der Olympischen Spiele zur Durchführung militärischer Wettkämpfe genutzt.

Bis 1991 wurde das Gebiet intensiv durch die Rote Armee genutzt, die die Landschaft maßgeblich prägte. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen übernahm die Bundeswehr im Süden der Döberitzer Heide eine Fläche von etwa 550 ha als Standortübungsplatz für in Berlin und Potsdam stationierte Einheiten.[1]

Naturschutzgebiet und Naturlandschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karte der Döberitzer Heide

Das 1997 eingerichtete[2] Naturschutzgebiet (NSG) Döberitzer Heide (etwa 3415 ha) bildet zusammen mit dem 1996 festgesetzten NSG Ferbitzer Bruch (etwa 1155 ha) große Teile der rund 3600 ha großen Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide. Dabei handelt es sich bei den Gebieten des NSG Döberitzer Heide überwiegend um die höher und trockener gelegenen, während das NSG Ferbitzer Bruch tiefere und feuchtere Gebiete umfasst. Die Naturlandschaft besteht aus einer inneren Kernzone und einer äußeren Naturerlebnis-Ringzone.

Das Gebiet wurde bis 1991 über 95 Jahre lang ununterbrochen militärisch genutzt und blieb so weitgehend von einer Bewirtschaftung verschont. Dadurch entstand eine wertvolle Offenlandschaft mit Heiden, Sandflächen und Trockenrasen – der Lebensraum für viele zum Teil sehr seltene Tier- und Pflanzenarten. Durch die hohe Munitionsbelastung blieb das Gelände aber zunächst noch Sperrgebiet. Die Döberitzer Heide ist nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen.

Bisher konnten in der Döberitzer Heide über 5000 Pflanzen- und Tierarten nachgewiesen werden, darunter 847 Arten verschiedener Farne und Blütenpflanzen wie die vom Aussterben bedrohten Spezies Sumpf-Knabenkraut, Lungen-Enzian und die Lederblättrige Rose. Außerdem kommen etwa 2000 verschiedene Käferarten sowie mindestens 236 Wespen-, 188 Bienen-, 198 Vögel- und 48 Säugetierarten hier vor. Die Döberitzer Heide bietet unter anderem einen Lebensraum für die seltenen Seeadler und Fischotter. Es sind auch Vorkommen der beiden Urzeitkrebse Branchipus schaefferi und Triops cancriformis bekannt.[3][4]

Im Jahr 2008 sollte mit dem Bau eines Naturerlebniscamps (zertifiziertes Bildungszentrum) für Kinder begonnen werden. Die Baukosten sollten sich auf etwa 650.000 Euro belaufen. Den Kindern sollten dort verschiedene Bildungsangebote wie ein „grünes Klassenzimmer“, Beobachtungen der Tiere im Schaugehege und Pflanzenkunde vor Ort unterbreitet werden. Die Eröffnung war für das Jahr 2009 geplant.[5] Noch wurde außer dem sich westlich angrenzenden Schaugehege nichts weiteres gebaut, denn die Planungen dafür laufen noch immer.[6] Seit 2014 befindet sich auf dem Platz ein Karls Erlebnis-Dorf.[7]

Kernzone[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Elektrozäune der Kernzone
Przewalski Pferde in der Kernzone
Przewalski-Pferde in der Kernzone
Wisent in der Kernzone
Wisent in der Kernzone

Die Kernzone hat eine Größe von 1860 ha (inkl. Eingewöhnungszone) und ist zum Schutz der Tiere mit einem dreifachen Zaun (einem Maschendrahtzaun und zwei elektrischen Zäunen von 1,5 m bzw. ca. 2 m Höhe) umgeben. Für die Markierung des Grenzstreifens der Kernzone wurden im Jahre 2008 etwa 20–50 m breite Schneisen schnurgerade durch die Döberitzer Heide geschlagen. Dieser Baumaßnahme mit zum Teil schwerem Baugerät fielen unter anderem viele alte Eichen, Hügelketten und kleinere Biotope zum Opfer, welche von der militärischen Nutzung bislang verschont geblieben waren.

Die in der Kernzone ausgesetzten Tiere wie Rothirsche, Wisente und Przewalski-Pferde sollen vom Menschen weitestgehend unbeeinflusst leben. Sie sollen durch ihr Fressverhalten das Gelände vor dem Zuwachsen bewahren und die offene oder halboffene Landschaft erhalten.[8] Im Januar 2008 wurden die ersten Przewalski-Pferde, im März die ersten Wisente in die Eingewöhnungszone entlassen.

Im Mai 2010 lebten elf Wisente und sieben Przewalski-Pferde in der Wildniskernzone.[8] Mitte 2015 waren es etwa 14 Pferde, 58 Wisente und 60 Stück Rotwild. Sie sind ganz auf sich gestellt; u. a. werden sie nicht gefüttert und nicht geimpft.[9]

Naturerlebnis-Ringzone[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konikpferde des Fördervereins in der Naturerlebnis-Ringzone
Aussichtsturm am Finkenberg

Die Kernzone wird von der sogenannten Naturerlebnis-Ringzone (kurz Nerz) umschlossen: Diese umfasst eine Fläche von etwa 1616 ha. Hier erfolgt die Pflege und Erhaltung der vielfältigen naturschutzrelevanten Flächen durch den Einsatz von landwirtschaftlichen Nutztieren.[10] Die Koordinierung und Betreuung dieser Weideprojekte erfolgt über lokale Landwirte und den Naturschutz-Förderverein Döberitzer Heide.

Die Naturerlebnis-Ringzone ist durch verschiedene Wanderwege erschlossen, die punktuell um Rast- und Aussichtspunkte ergänzt wurden. Entlang der Wege können Galloway- und Heckrinder, verschiedene Schaf- und Ziegenrassen, Sardische Hausesel sowie Konikpferde beobachtet und erlebt werden.

Chronologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Meilenstein
1992 Aufgabe der militärischen Nutzung und Abzug der russischen Truppen.[11]
1992 Gründung des Naturschutz-Fördervereins Döberitzer Heide durch lokale Naturwissenschaftler und Naturschützer, mit dem Ziel das naturräumlichen Potential der Flächen zu erhalten und zu entwickeln.[11]
April 1996 Mit der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Ferbitzer Bruch“ vom 16. April 1996 wurden die westlichen Teile des ehemaligen Truppenübungsplatzes Döberitz zum rund 1155 ha großen NSG Ferbitzer Bruch erklärt.[12]
1996 Überlassung von 3850 ha der Döberitzer Heide seitens der Brandenburgischen Boden Gesellschaft an den Naturschutz-Förderverein Döberitzer Heide mittels Nutzungsüberlassungsvertrag.[13]
November 1997 Mit der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Döberitzer Heide“ vom 24. November 1997 wurden rund 3415 ha als NSG Döberitzer Heide festgesetzt.[14]
1998 Verleihung des Umweltpreises 1998 vom Land Brandenburg an den Förderverein für die „herausragende Arbeiten beim Biotop- und Artenschutz, in der Landschaftspflege, bei der Konversion und im Konfliktmanagement“[13]
1998 In einem ersten Abschnitt wurde ein etwa 12 km langer Wanderweg eröffnet.
2000 Ein zweiter Abschnitt mit einem 9 km langen Wanderweg wurde freigegeben.
2001 Offizielle Eröffnung des Naturschutzzentrums des Fördervereins mit einer Ausstellung zum Naturschutz und zur Geschichte der Döberitzer Heide[15]
Juli 2004 3442 Hektar der Döberitzer Heide wurden von der Heinz Sielmann Stiftung für etwa 2,3 Millionen Euro erworben.
Mai 2006 In der Nähe von Elstal wurde ein 31 ha großes Schaugehege eröffnet.
2007 Ein 55 ha großes Eingewöhnungsgehege wurde zum Zweck einer späteren Auswilderung der Tiere in die Kernzone der Döberitzer Heide eröffnet. Zunächst sollten dort vier Pferde und drei Wisente auf das Leben in der freien Wildbahn vorbereitet werden, unter Beobachtung, jedoch ohne Zufütterung.
2007 Seit September wird in der Döberitzer Heide eine Fledermausnacht durchgeführt, bei der Wasserfledermäuse beobachtet werden können.
März 2008 Die ersten Wisente wurden in die Eingewöhnungszone entlassen.[16]
September 2008 Ein 8,2 km langer Abschnitt des Rundwanderwegs wurde zwischen Elstal und Fahrland für die Öffentlichkeit freigegeben.[17]
Mai 2010 Seit Anfang Mai 2010 leben elf Wisente und sieben Przewalski-Pferde in der vollständig umzäunten Kernzone.
Mai 2011 Auf dem Finkenberg wird ein 15 Meter hoher Aussichtsturm eröffnet, der auf einem früheren Bunker errichtet wurde.[18]
April 2014 Neben dem Schaugehege wurde der Freizeitpark Karls Erlebnis-Dorf Elstal eröffnet.
2014 Der Naturschutz-Förderverein verkaufte Teile des Naturschutzzentrums an die Heinz Sielmann Stiftung.[19]
April 2016 Schließung des Schaugeheges der Heinz Sielmann Stiftung auf unbestimmte Zeit[20]
2016 17 Konikpferde aus dem niederländischen Projekt Free Nature der Foundation for Restoring European Ecosystems wurden in die Obhut des Naturschutz-Fördervereins Döberitzer Heide übergeben und können nun in der Naturerlebnisringzone beobachtet werden.[21]

Bildergalerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Döberitzer Heide – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. NSG „Döberitzer Heide“. Website des Naturschutz-Fördervereins Döberitzer Heide, abgerufen am 28. Mai 2017.
  2. Verordnung über das Naturschutzgebiet „Döberitzer Heide“. Abgerufen am 18. Januar 2021.
  3. Jörg Fürstenow, Detlef Knuth: Monitoring zum Vorkommen der beiden Kiemenfußkrebsarten Branchipus schaefferi und Triops cancriformis. In: Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (Hrsg.): Workshop Monitoring Döberitzer Heide (= Fachbeiträge des LUGV. Heft 123), 2011, S. 76–78 (PDF; 4,4 MB).
  4. R. Baron, U. Schulz: Zum Vorkommen von Triops cancriformis (BOSC, 1801) und Branchipus schaefferi (FISCHER, 1834) auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Döberitzer Heide (Crustacea, Branchiopoda). In: Entomologische Nachrichten und Berichte. Band 50, 2006, S. 167–168.
  5. Anke Fiebranz: Ökoherberge am Heiderand naturschutz In diesem Jahr soll Erlebniscamp für Kinder bei Elstal entstehen. Märkische Allgemeine, 15. Januar 2008, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Januar 2008.@1@2Vorlage:Toter Link/www.bbaktiv.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) Nicht aufrufbar.
  6. http://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/beg_e29a_entwurf_offenlage_111108.pdf
  7. http://www.karls.de/berlin-freizeitpark-kinder.html
  8. a b 20 Millionen Quadratmeter für Wisent und Wildpferd. Heinz Sielmann Stiftung, 31. Mai 2010 (Memento vom 13. September 2012 im Webarchiv archive.today).
  9. In einem Land vor unserer Zeit. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 26. Juli 2015, S. 66.
  10. Peter Nitschke: Das Wildnisgroßprojekt Döberitzer Heide - Offenlandmanagement mit Przewalskipferden und Wisenten in der Döberitzer Heide, in "Offenlandmanagement außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen". Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz. Bonn - Bad Godesberg 2009, S. 38.
  11. a b Susanne Oehlschläger, Wolfgang Beier, Petra van Dorsten, Richard Harnisch, Arne Hinrichsen, Okka Tschöpe, Irene Zierke: Das Naturschutzgebiet Döberitzer Heide, in "Handbuch Offenlandmanagement am Beispiel ehemaliger und in Nutzung befindlicher Truppenübungsplätze". Hrsg.: Kenneth Anders, Jadranka Mrzljak, Dieter Wallschläger, Gerhard Wiegleb. Springer, Berlin/Heidelberg 2004, ISBN 978-3-642-18645-5, S. 188.
  12. Verordnung über das Naturschutzgebiet „Ferbitzer Bruch“ vom 16. April 1996 (GVBl.II/96, [Nr. 35], S. 722). Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, abgerufen am 28. Mai 2017.
  13. a b Umweltpreis 1998 | MLUL. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. März 2017; abgerufen am 15. März 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mlul.brandenburg.de
  14. Verordnung über das Naturschutzgebiet „Döberitzer Heide“ vom 24. November 1997 (GVBl.II/97, [Nr. 35], S. 882). Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, abgerufen am 28. Mai 2017.
  15. Chronik – Naturschutz-Förderverein „Döberitzer Heide“ e.V. Archiviert vom Original am 16. März 2017; abgerufen am 15. März 2017.
  16. Sven Rosig: Sielmann-Stiftung entlässt Wisente in Wildnis-Gehege. In: Berliner Morgenpost. 28. März 2008, abgerufen am 28. März 2008.
  17. Steffi Pyanoe: Inge Sielmann eröffnete neuen Wanderweg in Döberitzer Heide. In: Märkische Allgemeine Zeitung. 16. September 2008, archiviert vom Original am 30. September 2008; abgerufen am 16. September 2008.
  18. Aussichtsturm für Sielmanns Döberitzer Heide in der Berliner Morgenpost vom 30. April 2011, abgerufen am 4. Juni 2020
  19. Heinz Sielmann Stiftung kauft Naturschutzzentrum Döberitzer Heide. Heinz Sielmann Stiftung, 14. März 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. März 2017; abgerufen am 15. März 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sielmann-stiftung.de
  20. Schaugehege in Elstal ab Sonntag 24.4.2016 geschlossen. Heinz Sielmann Stiftung, 14. März 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. März 2017; abgerufen am 15. März 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sielmann-stiftung.de
  21. 17 koniks van Grensmaas naar Berlijn. In: ARK Natuurontwikkeling. 3. Februar 2016 (ark.eu [abgerufen am 17. März 2017]).

Koordinaten: 52° 29′ 53,7″ N, 13° 2′ 44,1″ O