Dachstuhl

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Holzdachstühle der Barockzeit mit zeitgenössischen Fachbegriffen. Oben: Kehlbalkendach mit doppelt stehendem Stuhl; unten: Mansarddach mit liegendem Stuhl (Johann Friedrich Penther, 1745[1])

Als Dachstuhl bzw. Stuhl wird in der Baufachsprache im engeren Sinne eine Teilkonstruktion verstanden, die das Dachwerk von unten unterstützt, indem sie in Sparren- und Pfettendächern unter der Sparrenlage angeordnet wird;[2] sie stützt damit die Dachsparren oder die Kehlbalken und dient der Aussteifung des Dachs in Längs- und Querrichtung. Der Dachstuhl ist in der Regel auch ohne Mitwirkung der aufgelegten Sparren für sich alleine standsicher.[3]

Demgegenüber wird im weiteren umgangssprachlichen Sinn mit dem Begriff Dachstuhl auch das gesamte Gefüge einer Dachkonstruktion bezeichnet,[4] wenn es als Traggerüst aus einzelnen Traggliedern (Balken oder Fachwerkträger) zusammengesetzt ist (im Gegensatz etwa zu einem monolithischen gegossenen oder aus großen Betonplatten zusammengefügten Dach) und dabei eine traditionelle Dachform ausbildet.

Der Dachstuhl besteht üblicherweise aus Holz. Für die Wahl Materials sind besonders maßgebend die Spannweite, die Feuersicherheit und die Kosten; insofern gibt es seit dem 19. Jahrhundert auch Eisendachstühle[5] und seit dem 20. Jahrhundert Dackonstruktionen mit Traggliedern aus Stahlbeton.

Wortherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort ist im Deutschen seit 1598 belegt („tachstuel“[6]). Der Wortbestandteil „Stuhl“ bedeutet hier „Gestell“, insbesondere eines, auf dem etwas anderes ruht.[7] Insofern gilt der Dachstuhl als ein „Gestell, auf dem die Dachhaut ruht, angebracht ist“,[7] als eine „die Dachhaut tragende [Holz]konstruktion“.[8]

Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer hölzernen Stuhlkonstruktion in einem Dachtragwerk werden die Stützen beziehungsweise Stiele auch als Stuhlpfosten oder Stuhlsäulen bezeichnet.[9] Eine Reihe davon bildet zusammen mit Schwellen, Rähmen und Streben einen parallel zum First stehenden Längsverband, die Stuhlwand.[10] Die Schwelle zur Lastverteilung unter Stuhlpfosten wird auch Stuhlschwelle genannt.[9]

Durch die Verstrebung der Pfosten und Pfetten zur Stuhlwand, die oft durch Kopfbänder ausgeführt ist, wird die Errichtung des Dachstuhls erleichtert und gemeinsam mit Windrispen die Längsaussteifung des Dachwerks gewährleistet.[11] Die Verbindung der Stuhlsäulen mit den Spannriegeln durch Streben dient der Queraussteifung des Stuhls.

Stehender Stuhl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Panoramaaufnahme des historischen Dachwerks über dem Bibliotheksgebäude im Kloster Eberbach
Als Kugelpanorama anzeigen

Ein stehender Stuhl ist ein Stuhl mit lotrechten Stuhlsäulen. Sind diese zur Unterstützung der Firstpfette oder zur mittigen Stützung der Kehlbalken nur in der Längsachse unter dem First angeordnet, wird vom einfach stehenden Stuhl gesprochen, bei einer zweireihigen Stellung vom doppelt oder zweifach stehenden Stuhl. Kombinierte Konstruktionen werden auch als mehrfach stehender Stuhl bezeichnet.[12]

Ein stehender Stuhl ist die Standardkonstruktion des Pfettendachs als Satteldach, wenn die Mittelpfette nicht auf einer Mittelwand bzw. auf Quer- und Giebelwänden aufgelagert werden kann. Ein Sparren- und Kehlbalkendach ist hingegen bei geringen Spannweiten auch ohne Stuhl zu errichten.

Die Kehlbalken eines größeren Kehlbalkendachs werden häufig an den Anschlusspunkten zum Sparren durch zwei Stuhlpfetten[11] (auch Stuhlwandpfetten oder Stuhlrähm[13])[14] unterstützt. Die Pfetten werden von Stuhlpfosten getragen und bilden mit lotrechten Pfosten einen doppelt stehenden Dachstuhl.[11]

Liegender Stuhl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historisches Kehlbalkendach mit liegendem Stuhl. Die eigentliche Stuhlkonstruktion ist blau dargestellt.

Beim liegenden Stuhl sind die Stuhlsäulen schräg geneigt und stützen sich oben am Spannriegel ab. Ihre Fußpunkte befinden sich in der Regel auf dem Dachbalken (Deckenbalken) dicht über der Außenwand oder einer anderen tragenden Wand. Liegende Stühle können sowohl in Pfetten- als auch in Sparren- und Kehlbalkendächer angeordnet sein.

Ein Vorteil dieser Anordnung liegt in einer besseren Nutzbarkeit des stützenfreien Dachraumes. Der liegende Stuhl belastet zudem die darunterliegenden Dachbalken (Deckenbalken) am Rand in der Nähe des Auflagers, und nicht in der Feldmitte. Dies sorgt für ein geringeres Biegemoment. Der liegende Stuhl wird darum auch (oft in Kombination mit einem Hängewerk) dann eingesetzt, wenn im Geschoss unter der Balkenlage große stützenfreie Räume entstehen sollen und die Decke nicht durch die Dachkonstruktion belastet werden kann, beispielsweise über dem Mittelschiff einer Kirche.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Johann Friedrich Penther: Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst (Band 2): Worin durch zwantzig Beyspiele gewiesen, wie die Erfindungen von allerhand Wohn-Gebäuden aus Stein und Holtz (...) zu machen. Augspurg 1745, Tafel XLVIII. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 26. Februar 2024)
  2. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 25. Dezember 2023), S. 124.
  3. Klaus Dierks (Hrsg.): Baukonstruktion, 2. Auflage, Düsseldorf, 1990 S. 447.
  4. So beispielsweise bei Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2, Stuttgart / Leipzig 1905, S. 513–527, hier S. 513, Einleitungssatz: „Dachstuhl, der tragende Teil eines Daches, die sogenannte Tragkonstruktion, das Dachgerüste.“ (Digitalisat bei zeno.org, abgerufen am 17. Februar 2024)
  5. Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2, Stuttgart / Leipzig 1905, S. 513–527: Dachstuhl, hier: S. 513. (Digitalisat bei zeno.org, abgerufen am 17. Februar 2024)
  6. Jacob und Wilhelm Grimm: dachstuhl. In: dwds.de (Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm). 1855, abgerufen am 28. Dezember 2023.
  7. a b Satz nach Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, 2002.
  8. nach Duden online unter www.duden.de, Lemma Dachstuhl, abgerufen am 12. Dezember 2008.
  9. a b Satz nach Hagen Prehl: Hölzerne Dachkonstruktionen, 2. Auflage, Düsseldorf, 2001, Werner Verlag, S. 43.
  10. Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma Stuhlwand.
  11. a b c Satz nach Hagen Prehl: Hölzerne Dachkonstruktionen, 2. Auflage, Düsseldorf, 2001, Werner Verlag, S. 45.
  12. Satz nach Günther Binding (Hrsg.): Fachterminologie für den historischen Holzbau. Fachwerk – Dachwerk. 38. Veröffentlichung der Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln. 2. überarbeitete Auflage, Köln 1990. S. 15.
  13. Satz nach Günther Binding (Hrsg.): Fachterminologie für den historischen Holzbau. Fachwerk – Dachwerk. 38. Veröffentlichung der Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln. 2. überarbeitete Auflage, Köln 1990. Grafik S. 14.
  14. Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma Stuhlwandpfette. „… die 16/18 bis 18/20 starken Pfetten, die zur Unterstützung von über 3,5 bis 4 m langen Kehlbalken dienen …“

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Dachstuhl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Dachstuhl – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen