Das Spinnennetz

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Das Spinnennetz ist ein nicht zu Ende geführter Fortsetzungsroman von Joseph Roth, der vom 7. Oktober bis zum 6. November 1923 in der Wiener Arbeiter-Zeitung vorabgedruckt wurde. Die erste Buchausgabe erschien postum 1967 in Köln und Berlin. Protagonist ist der aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrende Leutnant Theodor Lohse.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Protagonist des Romans, Leutnant Theodor Lohse, hasst Sozialisten und Juden. Er beginnt nach dem Ersten Weltkrieg als Jurastudent in Berlin und arbeitet als Hauslehrer bei dem jüdischen Juwelier Efrussi. Das Sich-Einfügen ins ungewohnte zivile Leben fällt ihm schwer. Er kündigt beim Juwelier und wird Mitglied der Münchner „Organisation S II“.

Lohse lernt den Detektiv Günther Klitsche kennen, der sich unter falschem Namen als Spion bei Sozialisten einschleicht, um sie anschließend an die Polizei zu verraten. Lohse tötet Klitsche, vertuscht den Totschlag und nimmt dessen Stelle ein. Gern möchte Lohse den von ihm verehrten Ludendorff in München besuchen, aber Direktkontakt ist untersagt. Lohse ist in der Presselandschaft völlig unbekannt. Täglich schreibt die Presse über Adolf Hitler und den Nationalsozialismus. Lohse kommt bei der Reichswehr in der Garnison Potsdam unter. Die Untergebenen in seiner Kompanie gewinnt er für sich, indem er nicht straft, sondern nur rügt. Benjamin Lenz, ein Jude aus Lodz, der im Krieg Spion war, arbeitet gelegentlich mit falschem Material. Er versorgt nicht nur Lohse mit Meldungen, sondern ebenso den Gegner. Es stellt sich heraus, dass Lenz alles über Lohse, inklusive des Mords an Klitsche, weiß. Notgedrungen verbündet sich Lohse mit Lenz, der ihn kurz darauf denunziert. Lohse wird am Alexanderplatz gegen eine Demonstration von Arbeitern eingesetzt, bei der es zu einer Schlägerei kommt.

Als Lohse Elsa von Schlieffen heiratet, die ebenfalls national gesinnt und judenfeindlich ist, bezahlt Lenz die Hochzeitsfeier. Zwar scheidet Lohse aus der Reichswehr aus, doch er verhört weiter die „inneren Feinde“ und lässt sie für „ungebührliche Antwort auf der Stelle“ mit Folter büßen. Lohse ertappt Lenz, wie er ihn ausspioniert, kann aber nichts gegen ihn ausrichten, weil Lenz zu viel über ihn weiß.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Wir beginnen in den nächsten Tagen mit der Veröffentlichung eines neuen Romans. Er führt den Titel Das Spinnennetz und stammt von einem jungen deutschen Autor, von Joseph Roth. Der Roman, der in der Arbeiter-Zeitung zum erstenmal gedruckt erscheint, schildert den Sumpfboden der Reaktion, die moralische und geistige Verwilderung, aus der als Blüte das Hakenkreuzlertum aufsteigt. Obwohl die Handlung des Romans in Deutschland spielt, ist sie doch allgemein gültig; die Ereignisse und Erscheinungen wiederholen sich überall, wo die gleichen Vorbedigungen gegeben sind. Wir sind überzeugt, daß unsere Leser dem packend geschriebenen Roman mit der Teilnahme folgen werden, der dem lebendigen Gefühl eines Miterlebens entspringt.“

Ankündigung des Abdrucks in der Arbeiter Zeitung vom 4. Oktober 1923[1]
  • Helmuth Nürnberger lobt den „Scharfblick des Autors“. Der Roman bleibe „Zeugnis einer hellseherisch anmutenden politischen Intelligenz“.[2]
  • „Die expressionistischen Stakkato-Sätze“, mit denen Joseph Roth als Romancier debütiert, stechen Hackert ins Auge.[H 1]
  • Ulrike Steierwald geht auf „die satirische Überzeichnung im Roman“ ein.[3]
  • Kiesel[4] macht unter der Überschrift Politischer Mord in Erzählwerken der Jahre 1923 bis 1930 als Tatmotive Leutnant Theodor Lohses brutales Karrierestreben und Antisemitismus fest. Joseph Roth habe zudem die „gesellschaftliche Akzeptanz“ des Täters Lohse im Nachkriegsdeutschland dem Leser vor Augen geführt.

Verfilmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bernhard Wicki verfilmte den Roman 1989 mit Ulrich Mühe als Theodor Lohse, Klaus Maria Brandauer als Benjamin Lenz, András Fricsay als Günther Klitsche, Corinna Kirchhoff als Elsa von Schlieffen und Agnes Fink als Mutter Lohse. 1990 wurde Wicki für seinen Film mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet.

Hörspielbearbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fritz Hackert (Hrsg.): Joseph Roth. Werke. Band 4: Romane und Erzählungen. 1916–1929. S. 63–146: Das Spinnennetz. Roman. 1923. Mit einem Nachwort des Herausgebers. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-7632-2988-4.
  • Konstanze Fliedl (Hrsg.): Das Spinnennetz. Reclam, Stuttgart 2010. (Reclams Universal-Bibliothek 18684) [Text nach dem Erstdruck in: Arbeiter-Zeitung, Oktober/November 1923] ISBN 978-3-15-018684-8

Sekundärliteratur

  • Helmuth Nürnberger: Joseph Roth. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-50301-8 (Rowohlts Monographien 301).
  • Ulrike Steierwald: Leiden an der Geschichte. Zur Geschichtsauffassung der Moderne in den Texten Joseph Roths. Königshausen & Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-880-4 (Epistemata. Reihe: Literaturwissenschaft 121), (Zugleich: München, Univ., Diss., 1992).
  • Helmuth Kiesel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1918 bis 1933. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-70799-5, S. 377–379, passim.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fritz Hackert (Hrsg.): Joseph Roth. Werke. Band 4: Romane und Erzählungen. 1916–1929. S. 63–146: Das Spinnennetz. Roman. 1923. Mit einem Nachwort des Herausgebers. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-7632-2988-4.
  1. S. 1079
Weitere Einzelnachweise
  1. An unsere Leser!. In: Arbeiter-Zeitung, 4. Oktober 1923, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  2. Nürnberger S. 63
  3. Steierwald S. 92–93
  4. Kiesel, S. 377–379
  5. BR Hörspiel Pool - Roth, Das Spinnennetz