De tribus impostoribus

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Das anonyme lateinische Werk De tribus impostoribus (deutsch: „Über die drei Betrüger“) ist ein von Mythen umranktes religionskritisches Werk. Ein unter diesem Titel veröffentlichtes Werk entstand wohl 1688 und wurde 1753 gedruckt. Es gibt sich aber als ein älterer Text aus, nämlich als das Buch „Über die drei Betrüger“, über das seit dem Mittelalter immer wieder berichtet wurde, ohne dass es je jemand zu Gesicht bekommen hatte. Auch ein französischsprachiges Werk eines anderen anonymen Autors, der 1719 erschienene Traité des trois imposteurs („Traktat über die drei Betrüger“), gibt sich als eine Übersetzung des legendären mittelalterlichen Werkes aus. Es hat mit der lateinischen De tribus impostoribus-Version nur den Titel gemein.[1] Die Sprengkraft dieses legendären Pamphlets liegt in seinem konzisen Titel: De Tribus Impostoribus: Blasphemie, Provokation, Frontalangriff gegen Millionen von Gläubigen der drei monotheistischen Religionen.[2] Die drei Religionsstifter Moses, Jesus und Mohammed werden als Betrüger dargestellt; der Vorwurf des Betruges zielt auf vorgebliche Offenbarungen und Taschenspielertricks (scheinbare Wunder).

Legendäres Werk und publizierte Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johann Joachim Müller: De imposturis religionum, 1598 (recte 1688), in Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Manuskript cod. 10450

Die erste Erwähnung findet sich 1239 in einem Brief Papst Gregors IX., in dem er Kaiser Friedrich II. ein solches Werk zuschreibt. Laut Tommaso Campanella erschien die erste Ausgabe 1538, und auch andere Zeugen erklärten, das Buch schon vor 1598 gelesen zu haben (und natürlich wollen sie dieses gotteslästerliche Werk verbrannt haben). Allerdings finden sich in keiner Quelle Inhaltsangaben oder Zitate, und trotz intensiver Suche wurde nie ein Manuskript gefunden. 1716 wurde ein Text unter diesem Titel bekannt, als bei der Versteigerung der Bibliothek des Greifswalder Theologen Johann Friedrich Mayer ein solches Manuskript für den Prinzen Eugen von Savoyen erworben wurde. Aus dessen Besitz ging das Manuskript (sog. Wiener Handschrift) in den Besitz der Hofbibliothek Wien (heute Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Nr. 10450) über[3]. Die erste, 1753 beim Wiener Drucker Straube gedruckte Ausgabe De imposturis religionum trägt das fiktive Erscheinungsjahr 1598. Der Text behandelt aber nicht alle drei Religionen, sondern nur das Christentum; daher hat man in der Forschung lange angenommen, dass der anonyme Autor sein Buch nicht fertigstellen konnte. Nach nun entdeckten Indizien schrieb den Text im Jahr 1688 der Hamburger Jurist Johannes Joachim Müller (1661[4]–1733), Enkel des bekannten Hamburger Theologen Johannes Müller (1598–1672), der seinerseits in seinem Werk Atheismus devictus einen Druck von Nachtigal 1610 erwähnt.

Der anonyme Verfasser des Buches De tribus impostoribus wurde möglicherweise angeregt durch Maimonides, der in seinem Brief in den Jemen Jesus, Paulus und Mohammed als drei Betrüger bezeichnet. Im Hintergrund stehen dabei Theorien islamischer Freidenker des 9. und 10. Jahrhunderts. Dazu zählt das Buch der siebten Erreichung (Kitâb as-sijâsa oder Kitâb al-balâg as-sâbi), das angeblich aus dem Umkreis der Qarmaten stammte. Erstmals erwähnt wurde dieses Werk kurz nach 983. Darin wurden die Gebote von Judentum, Christentum und Islam für aufgehoben erklärt sowie die Grundlagen aller drei Offenbarungsreligionen gleichermaßen angezweifelt: Es gebe weder Sünde noch ein Leben nach dem Tod. „Der Traktat war einer der verbreitetsten Texte der radikalen Untergrundliteratur.“[5] Zahlreiche Freidenker der Aufklärung ließen sich durch ihn inspirieren. Im Jahre 1761 erstellte J. C. Edelmann eine kommentierte deutsche Übersetzung.

Mögliche Autoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Autoren des bzw. eines Traktats De tribus impostoribus wurden seit dem Mittelalter viele Menschen verdächtigt. Zu den Bekanntesten gehören: Kaiser Friedrich II. oder sein Kanzler Petrus de Vinea, Abu Tahir Al-Djannabi (907–944), der Herrscher des Qarmaten-Staates in Bahrain, Simon de Tournai (c. 1130–1201), Guillaume Postel, Jan Nachtegal, Averroes, Petrus Pomponatius, Pietro Aretino, Michael Servet, Gerolamo Cardano, Niccolò Machiavelli, François Rabelais, Erasmus von Rotterdam, John Milton, Matthias Knutzen, Angelus Merula, Giordano Bruno, Tommaso Campanella, Giovanni Boccaccio, Paul Henri Thiry d’Holbach, Sa'd ibn Mansur ibn Kammuna, Uriel da Costa, Baruch Spinoza.

Als Autor des tatsächlich gedruckten Buchs De tribus impostoribus soll nach Wolfgang Gericke der Genfer Bürger Jacques Gruet in Frage kommen. Darauf ließe die Polemik gegen Calvin schließen. Mit dessen Billigung wurde Gruet 1547 in Genf hingerichtet. Der Philosophiehistoriker Friedrich Niewöhner kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Verfasser des Buches, auch wenn er sich nicht genau identifizieren lässt, um einen Marranen der zweiten oder dritten Generation handeln müsse.

Winfried Schröder weist diese beiden Zuschreibungen zurück und gibt stattdessen Belege für die Urheberschaft Johannes Joachim Müllers.[6]

Philosophiegeschichtlich bedeutsam ist vor allem der Einfluß des Traité auf den seit der Mitte des 18. Jahrhunderts sich formierenden französischen Materialismus. Der Traité liest sich geradezu wie die straffe Skizze des breit ausgeführten Systemè de la nature Holbachs.“[7] Entstehungszeit, Urheberschaft und Textgeschichte des Traité seien „nicht befriedigend aufgehellt.“[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerhard Bartsch (Hrsg.): De tribus impostoribus Anno MDIIC. (Moses, Jesus, Mohammed). = Von den drei Betrügern 1598. Zweisprachige Ausgabe, (Latein, Deutsch). Übersetzt von Rolf Walther. Akademie-Verlag, Berlin (Ost) 1960.
  • Wolfgang Gericke: Das Buch „De Tribus Impostoribus“ (= Quellen. Ausgewählte Texte aus der Geschichte der christlichen Kirche. NF Heft 2, ZDB-ID 527551-9). Evangelische Verlagsanstalt, Berlin (Ost) 1982.
  • Wolfgang Gericke: Die handschriftliche Überlieferung des Buches Von den Drei Betrügern (de tribus impostoribus). In: Studien zum Buch- und Bibliothekswesen. 6, 1988, ISSN 0323-8911, S. 5–28.
  • Patrick Marcolini: Le „De Tribus impostoribus“ et les origines arabes de l’athéisme philosophique européen. In: Les Cahiers de l’ATP. Oktober 2003, (PDF; 78 kB).
  • Louis Massignon: La Légende „De Tribus Impostoribus“ et ses Origines Islamiques. In: Revue de l'histoire des religions. Bd. 82, 1920, ISSN 0035-1423, S. 74–78, JSTOR:23663280.
  • Fritz Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande. Band 1. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. a. 1920, S. 306–331.
  • Georges Minois: Le Traité des trois imposteurs. Histoire d’un livre blasphématoire qui n’existait pas. Editions Albin Michel, Paris 2009, ISBN 978-2-226-18312-5.
  • Martin Mulsow: Die drei Ringe. Toleranz und clandestine Gelehrsamkeit bei Mathurin Veyssière La Croze (1661–1739) (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung. 16). Niemeyer, Tübingen 2001, ISBN 3-484-81016-5.
  • Friedrich Niewöhner: Veritas sive Varietas. Lessings Toleranzparabel und das Buch von den drei Betrügern (= Bibliothek der Aufklärung. 5). Schneider, Heidelberg 1988, ISBN 3-7953-0761-9 (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Habilitations-Schrift, 1983).
  • Jacob Presser: Das Buch „De Tribus Impostoribus“. (Von den drei Betrügern). H. J. Paris, Amsterdam 1926, (Zugleich: Amsterdam, Universität, Dissertation, 1926).
  • Eugenio di Rienzo: Il „Liber De tribus impostoribus“ nel XVI secolo. In: Eugenio di Rienzo: La morte del Carnevale. Religione e impostura nella Francia del Cinquecento (= Historia. 2). Bulzoni, Rom 1989, ISBN 88-7119-043-2, S. 99–141.
  • Anonymus (Johann Joachim Müller): De imposturis religionum. (De tribus impostoribus). Dokumente. = Von den Betrügereyen der Religionen (= Philosophische Clandestina der deutschen Aufklärung. Abt. 1: Texte und Dokumente. Bd. 6). Kritisch herausgegeben und kommentiert von Winfried Schröder. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, ISBN 3-7728-1931-1.
  • Winfried Schröder (1992): Anonymus: Traktat über die drei Betrüger / Traité des trois imposteurs (L'esprit de Mr. Benoit de Spinosa) (Französisch – Deutsch). Meiner: Hamburg.
  • Winfried Schröder: Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik im 17. und 18. Jahrhundert (= Quaestiones. 11). 2., mit einem neuen Nachwort versehene und bibliographisch aktualisierte Auflage. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 2012, ISBN 978-3-7728-2608-5, Anhang, § 7, (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Habilitations-Schrift, 1996).
  • Raoul Vaneigem: La résistance au christianisme. Les hérésies des origines au XVIIIe siècle. Fayard, Paris 1993, ISBN 2-213-03040-5 (Kap. 48; engl. Übersetzung).
  • Heiner Jestrabek (Hrsg.): Frühe deutsche Religionskritik. Matthias Knutzens Flugschriften. Von den 3 Betrügern Moses, Jesus, Mohammed. Reimarus-Fragmente. Reutlingen 2014, S. 97–125, ISBN 978-3-922589-55-6.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Winfried Schröder (1992): Einleitung, S. XV: „von dem lateinischen Traktat völlig unabhängige Abhandlung ... holt ... thematisch erheblich weiter aus.“
  2. „Tout est dans le titre, povocation suprême, blasphème absolu, défi frontal aux trois grandes religions monothéistes.“ Georges Minois: Le Traité des trois imposteurs. Histoire d’un livre blasphématoire qui n’existait pas. 2009, S. 7.
  3. De imposturis religionum (breve compendium) (deutsch: (Kurzes Kompendium) Über die Betrügereien der Religionen), Ausgabe: Friedrich W. Genthe (Hrsg.): De impostvra religionvm breve compendium sev liber de tribus impostoribus. Nach zwei Mss. mit Historisch-Litterarischer Einleitung. Friedrich Fleischer, Leipzig 1833, (Digitalisat. Österreichische Nationalbibliothek Wien, cod. 10450 = Eug. Q.54.
  4. Ursula Winter: Die europäischen Handschriften der Bibliothek Diez. Teil 3, Abschlussband: Die Manuscripta Dieziana C (= Die Handschriften-Verzeichnisse der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin. NF 1, 3). Harrassowitz, Wiesbaden 1994, ISBN 3-447-03430-0, S. 73.
  5. Friedrich Niewöhner: De tribus impostoribus. In: Franco Volpi (Hrsg.): Großes Werklexikon der Philosophie. Band 2: L–Z, Anonyma und Sammlungen. Kröner, Stuttgart 1999, ISBN 3-520-82901-0, Sp. 1632 f., hier Sp. 1633.
  6. Schröder, Winfried.: Ursprünge des Atheismus Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts. 2., mit einem neuen Nachwort versehene und bibliographisch aktualisierte Auflage. frommann-holzboog, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7728-2608-5, S. 427.
  7. Winfried Schröder (1992): Einleitung, S. XLII, ohne Anmerkungen.
  8. Winfried Schröder (1992): Einleitung, S. XVI.