Denkmal zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete

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Das Denkmal vor dem Berliner Reichstagsgebäude (2010)

Das Denkmal zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete befindet sich vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Das Denkmal, das von dem Verein Perspektive Berlin initiiert wurde, erinnert seit 1992 an einen Teil der Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik, die zwischen der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gewaltsam zu Tode kamen oder an den Folgen ihrer Inhaftierung starben. Eine offizielle Gedenkstätte für die vom NS-Regime verfolgten Abgeordneten befindet sich im Inneren des Reichstagsgebäudes.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Namen und Lebensdaten auf den Platten des Denkmals (2009)

Auf Initiative der AL-Abgeordneten Hilde Schramm beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin am 23. Mai 1985 einstimmig, dass im Reichstagsgebäude eine Gedenktafel für Abgeordnete mit deren „Name, Beruf, Geburts- und Sterbedatum mit Hinweis auf Ort und Umstände des Todes, Parteizugehörigkeit und Herkunftsort als Abgeordneter sowie Zeitraum der Mitgliedschaft im Reichstag“[1] angebracht werden soll. Philipp Jenninger, der als Bundestagspräsident das Hausrecht im Reichstag ausübte, plädierte für einen allgemein gehaltenen Text und verwies darauf, dass die genannten Daten kaum vollständig zu beschaffen seien. Im September 1985 sprachen sich CDU und FDP dagegen aus, die Parteimitgliedschaften auf den Gedenktafeln zu erwähnen.

Im Herbst 1985 veröffentlichten die Historiker Wilhelm Heinz Schröder und Rüdiger Hachtmann eine vorläufige Bestandsaufnahme zu den Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik als Opfer des Nationalsozialismus.[2] Sie enthielt Kurzbiographien zu 83 Abgeordneten, die vom nationalsozialistischen Regime ermordet wurden, in Haft oder kurz nach Haftende an den Folgen starben. Hiervon waren 40 Mitglieder der KPD und 33 Mitglieder der SPD. Im Frühjahr 1986 erteilte das Bundestagspräsidium der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien einen Forschungsauftrag zu den Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. 1991 erschien eine biographische Dokumentation zur politischen Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung von Reichstagsabgeordneten zwischen 1933 und 1945.[3] Unverwirklicht blieb ein Vorschlag des Historikers Wilhelm Heinz Schröder, die Gedenktafel als Mosaik zu gestalten, das durch neue Forschungsergebnisse ergänzt werden könne, wodurch Verzögerungen bei der Realisierung des Denkmals vermieden werden könnten.[4]

Angesichts der langwierigen Realisierung der Gedenkstätte im Reichstag hatte der Verein Perspektive Berlin e. V. um die Journalistin Lea Rosh am 1. September 1989 eine provisorische Gedenktafel unweit des Reichstagsgebäudes enthüllt. Die als „positive Provokation“[4] gedachte Gedenktafel enthielt die anfänglich umstrittenen Daten zu einzelnen Abgeordneten; sie wurde von zwei Gewerkschaften mitfinanziert.

Am 26. Februar 1992 weihte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth die Gedenkstätte für die verfolgten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik im Reichstagsgebäude ein. Die Gedenkstätte besteht aus einer großformatigen Fotoarbeit von Katharina Sieverding, die den brennenden Reichstag symbolisieren soll, sowie drei Gedenkbüchern. Die von Klaus Mettig gestalteten Bücher enthalten biographische Angaben zu 120 ermordeten Abgeordneten und zu weiteren Abgeordneten, die in Haft waren, emigrierten oder anderen Verfolgungen ausgesetzt waren. Die Gedenkstätte befindet sich in der Abgeordnetenlobby.[5] Bei der Einweihung erinnerte Süssmuth ausdrücklich an die KPD-Abgeordneten, die in besonderer Weise verfolgt worden seien. Von der Ehrung ausgenommen seien NSDAP-Abgeordnete, die nach dem sogenannten Röhm-Putsch 1934 hingerichtet wurden, da diese bis zuletzt führende Nationalsozialisten gewesen seien, so Süssmuth.[6]

Am 12. September 1992 übergab Lea Rosh das Denkmal zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete der Öffentlichkeit. An den Gesamtkosten des Projekts von 150.000 DM beteiligten sich der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Bezirksamt Tiergarten und der Senator für kulturelle Angelegenheiten. Das Denkmal wurde von den Berliner Kunststudenten Klaus Eisenlohr, Justus Müller und Christian Zwirner unter Leitung von Dieter Appelt konzipiert.[7] Es besteht aus 96 stehend nebeneinander angeordneten gusseisernen Platten mit unregelmäßigen Kanten und einer Größe von je etwa 120 Zentimeter Breite und 60 Zentimeter Höhe, auf denen Name, Parteizugehörigkeit, Lebensdaten und Sterbeort der 96 Abgeordneten aufgeführt sind. An beiden Enden der Installation sind Platten in den Boden eingelassen, die Inschriften tragen.[8]

Im Anschluss an das Denkmalprojekt entstand 1994 im Auftrag des Deutschen Bundestages der Chronos-Dokumentarfilm „Parlamentarier unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik – 1933 bis 1945“. Michael Kloft führte Regie, Dagmar Gassen schrieb das Buch und Wilhelm Heinz Schröder, der auch die Daten für das Denkmal und für das Gedenkbuch erarbeitet hatte, übernahm die wissenschaftliche Leitung. Der Film kann in der Bundestagsausstellung im Deutschen Dom gesehen werden. Der Dokumentarfilm behandelt die vielfältigen Formen der Verfolgung von Parlamentariern der Weimarer Republik durch die Nationalsozialisten nach 1933. Beschrieben wird zunächst das Jahr 1933 mit der ersten Terrorwelle, dem Berufsverlust und dem Alltag in Angst. Danach werden Schicksale im Exil, die erzwungene Weiterwanderung und Auslieferungen an Deutschland dargestellt. Das Kapitel „Gefängnis und Konzentrationslager“ erinnert an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors, besonders an jüdische Parlamentarier. Im Abschnitt „Widerstand“ erfolgt ein Überblick über die Beteiligung von Abgeordneten aller politischen Richtungen am Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Alphabetische Liste der auf dem Denkmal verzeichneten Personen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abgeordneten gehörten folgenden Parteien an:

Die folgende Liste enthält die Namen, Lebensdaten und Parteizugehörigkeiten, wie sie auf den Platten notiert sind.

Vor- und Nachname Geburts-
jahr
Todes-
jahr
Todesort und Umstände Partei-
zugehörigkeit
Julius Adler * 1894 † 1945 KZ Bergen-Belsen KPD
Hans Adlhoch * 1884 † 1945 München, zuvor Todesmarsch BVP
Eduard Alexander * 1881 † 1945 Transport zum KZ Bergen-Belsen KPD
Julius Aßmann * 1868 † 1939 Bedlno, vermutlich von Polen ermordet DVP
Elise Augustat * 1889 † 1940 Lägerdorf, Haftfolgen, KZ Ravensbrück KPD
Bernhard Bästlein * 1894 † 1944 Zuchthaus Brandenburg KPD
Artur Becker * 1905 † 1938 Burgos, Spanien, ermordet KPD
Anton Bias * 1876 † 1945 KZ Dachau SPD
Adolf Biedermann * 1881 † 1933 Nähe Recklinghausen tot aufgefunden SPD
Conrad Blenkle * 1901 † 1943 Zuchthaus Berlin-Plötzensee KPD
Fritz Bockius * 1882 † 1945 KZ Mauthausen Zentrum
Clara Bohm-Schuch * 1879 † 1936 Berlin, Spätfolgen, Frauengefängnis Berlin, Barnimstraße SPD
Eugen Bolz * 1881 † 1945 Zuchthaus Berlin-Plötzensee Zentrum
Rudolf Breitscheid * 1874 † 1944 KZ Buchenwald SPD
Lorenz Breunig * 1882 † 1945 KZ Sachsenhausen SPD
Conrad Broßwitz * 1881 † 1945 KZ Dachau SPD
Otto Eggerstedt * 1886 † 1933 KZ Esterwegen SPD
Eugen Eppstein * 1878 † 1943 KZ Lublin KPD
Helene Fleischer * 1899 † 1941 Stadtroda, zuvor Stadtgefängnis Gera KPD
Albert Funk * 1894 † 1933 Polizeipräsidium Recklinghausen KPD
Otto Geiselhart * 1890 † 1933 Amtsgerichtsgefängnis Günzburg SPD
Otto Gerig * 1885 † 1944 KZ Buchenwald Zentrum
Paul Gerlach * 1888 † 1944 KZ Sachsenhausen SPD
Ernst Grube * 1890 † 1945 KZ Bergen-Belsen KPD
Franz Haindl * 1879 † 1941 Landesanstalt Sonnenstein-Pirna DBP
Eduard Hamm * 1879 † 1944 Gefängnis Berlin Lehrterstraße DDP
Ernst Heilmann * 1881 † 1940 KZ Buchenwald SPD
Rudolf Hennig * 1895 † 1944 KZ Sachsenhausen KPD
Franz Herbert * 1885 † 1945 KZ Mauthausen BVP
Eugen Herbst * 1903 † 1934 KZ Dachau KPD
Christian Heuck * 1892 † 1934 Strafgefängnis Neumünster KPD
Guido Heym * 1882 † 1945 von der SS in Weimar erschossen KPD
Rudolf Hilferding * 1877 † 1941 Gefängnis Paris La-Sante SPD
Gustav Hoch * 1862 † 1942 KZ Theresienstadt SPD
Lambert Horn * 1899 † 1939 KZ Sachsenhausen KPD
Friedrich Husemann * 1873 † 1935 Sögel, Haftfolgen, KZ Esterwegen SPD
Albert Janka * 1907 † 1933 KZ Reichenbach KPD
Heinrich Jasper * 1875 † 1945 KZ Bergen-Belsen SPD
Friedrich Jendrosch * 1890 † 1944 KZ Sachsenhausen KPD
Reinhold Jürgensen * 1898 † 1934 KZ Fuhlsbüttel KPD
Eugen Kaiser * 1879 † 1945 KZ Dachau SPD
Albert Kayser * 1898 † 1944 KZ Buchenwald KPD
Franziska Kessel * 1906 † 1934 Zuchthaus Mainz KPD
Anton Krzikalla * 1887 † 1944 KZ Sachsenhausen KPD
Franz Künstler * 1888 † 1942 Berlin, Spätfolgen des KZ Lichtenburg SPD
Max Lademann * 1896 † 1941 KZ Sachsenhausen KPD
Julius Leber * 1891 † 1945 Zuchthaus Berlin-Plötzensee SPD
Paul Lejeune-Jung * 1882 † 1944 Zuchthaus Berlin-Plötzensee DNVP/ChrNA/KVP
Richard Lipinski * 1867 † 1936 Bennewitz, zuvor in der Haft misshandelt SPD
Karl Mache * 1880 † 1934 KZ Kislau SPD[Anm. 1]
Max Maddalena * 1895 † 1943 Zuchthaus Brandenburg-Görden KPD
Ludwig Marum * 1882 † 1934 KZ Kislau SPD
Stefan Meier * 1889 † 1944 KZ Mauthausen SPD
August Merges * 1870 † 1945 Braunschweig Zuchthaus Wolfenbüttel SPD[Anm. 2][9]
Franz Metz * 1878 † 1945 Geretsried, Haftfolgen KZ Dachau SPD
Julius Moses * 1868 † 1942 KZ Theresienstadt SPD
Arthur Nagel * 1890 † 1945 KZ Bergen-Belsen KPD
Theodor Neubauer * 1890 † 1945 Zuchthaus Brandenburg-Görden KPD
Franz Petrich * 1889 † 1945 Zuchthaus Sonnenburg SPD
Andreas Portune * 1875 † 1945 Roslau SPD
Friedrich Puchta * 1883 † 1945 München, Haftfolgen KZ Dachau SPD
Ernst Putz * 1896 † 1933 Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit KPD
Siegfried Rädel * 1893 † 1943 Zuchthaus Berlin-Plötzensee KPD
Paul Redlich * 1893 † 1944 Brandenburg, Haftfolgen KZ Sonnenburg KPD
Walter Reek * 1878 † 1933 Gefängnis Danzig SPD
Ernst Reinke * 1891 † 1943 KZ Flossenbürg KPD
Max Richter * 1881 † 1945 Neustädter Bucht, Transport zum KZ Neuengamme SPD
Theodor Roeingh * 1882 † 1945 KZ Sachsenhausen Zentrum
Julius Rosemann * 1878 † 1933 Polizeigefängnis Hamm SPD
Karl Sattler * 1896 † 1945 KZ Bergen-Belsen KPD
John Schehr * 1896 † 1934 KZ Berlin Columbiahaus KPD
Michael Schnabrich * 1880 † 1939 KZ Sachsenhausen SPD
Ernst Schneller * 1890 † 1944 KZ Sachsenhausen KPD
Ernst Schneppenhorst * 1881 † 1945 Gefängnis Berlin Lehrterstraße SPD
Werner Scholem * 1895 † 1940 KZ Buchenwald KPD
Georg Schumann * 1886 † 1945 Untersuchungsgefängnis Dresden KPD
Walter Schütz * 1897 † 1933 in Königsberg von der SA ermordet KPD
Hugo Sinzheimer * 1875 † 1945 Bloemendaal-Overeen, Haftfolgen KZ Theresienstadt SPD
Willi Skamira * 1897 † 1945 Zuchthaus Brandenburg-Görden KPD
Fritz Soldmann * 1878 † 1945 Wernigerode, Haftfolgen KZ Buchenwald SPD
Robert Stamm * 1900 † 1937 Zuchthaus Berlin-Plötzensee KPD
Johannes Stelling * 1877 † 1933 Amtsgerichtsgefängnis Berlin-Köpenick SPD
Franz Stenzer * 1900 † 1933 KZ Dachau[10] KPD
Walter Stöcker * 1891 † 1939 KZ Buchenwald USPD, KPD
Georg Streiter * 1884 † 1945 KZ Ravensbrück DVP
August Streufert * 1887 † 1944 KZ Neuengamme SPD
Hermann Tempel * 1889 † 1944 Oldenburg, Haftfolgen Zuchthaus Wolfenbüttel SPD
Johanna Tesch * 1875 † 1945 KZ Ravensbrück SPD
Ernst Thälmann * 1886 † 1944 KZ Buchenwald KPD
Mathias Thesen * 1891 † 1944 KZ Sachsenhausen KPD
Nikolaus Thielen * 1901 † 1944 KZ Mauthausen KPD
Fritz Voigt * 1882 † 1945 Zuchthaus Berlin-Plötzensee SPD
Paul Voigt * 1876 † 1944 in Berlin ermordet SPD
Paul Wegmann * 1889 † 1945 KZ Bergen-Belsen USPD
Georg Wendt * 1889 † 1948 Berlin, zuvor Zuchthaus Brandenburg SPD
Lotte Zinke * 1891 † 1944 KZ Ravensbrück KPD

Daten im Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Denkmal verzeichnet insgesamt 96 Personen, darunter 90 Männer und 6 Frauen. Mit Blick auf die parteimäßige Zugehörigkeit der aufgelisteten Abgeordneten dominieren Vertreter der linksgerichteten Parteien (KPD, SPD bzw. USPD), aus deren Reihen 85 der genannten stammen: Diese zerfallen auf die einzelnen Linksparteien mit 43 (KPD), 41 (SPD) und 1 (USPD). Aus dem Lager der Mittelparteien bzw. konfessionell geprägten Parteien der Weimarer Republik sind 9 Abgeordnete auf dem Denkmal verzeichnet, davon 4 Zentrums- und zwei BVP- sowie je ein Abgeordneter der Chr.N.A., der DBP und der DDP. Der gemäßigt-rechten DVP gehörten schließlich zwei der gelisteten Abgeordneten an. Abgeordnete aus den rechten Flügel-Parteien DNVP und NSDAP sind nicht auf dem Denkmal vertreten, obwohl zumindest aus den Reihen der NSDAP eine Reihe der von den Nationalsozialisten ermordeten Abgeordneten bekannt sind. Hintergrund diese nicht aufzunehmen, war der Umstand, dass diese, wie Rita Süssmuth anlässlich der Denkmalseinweihung erklärte, bis zu ihrem Tod führende Vertreter des Regimes gewesen seien und lediglich im Rahmen interner Machtkämpfe und nicht wegen einer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus an sich umgebracht worden seien.[11] Ausnahmen hiervon stellen technisch gesehen der Landwirt Andreas von Flotow dar, der 1932 einige Monate lang für die NSDAP im Reichstag gesessen hatte, sich dann aber gegen die Partei gestellt und sich zur Jahreswende 1932/1933 an Versuchen, sie zu spalten, beteiligt hatte, weswegen er bereits 1933 von der SA ermordet wurde, sowie Wolf-Heinrich von Helldorff, der von 1933 bis 1944 als NSDAP-Abgeordneter angehört und dann, 1944, aufgrund seiner Beteiligung an dem Versuch die NS-Herrschaft am 20. Juli 1944 zu stürzen, hingerichtet worden war, dar, so dass z. B. Martin Schumacher die Abwendung dieser zeitweiligen NS-Reichstagsabgeordneten von der Hitler-Bewegung und ihre aktive Beteiligung an gegen ihre Herrschaft (bzw. Herrschaftsansprüche) gerichteten Maßnahmen zum Anlass nimmt, um sie in seiner Studie der Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in die Reihe der vom Regime ermordeten einzusortieren.[12]

Das Gros der in dem Denkmal verzeichneten Abgeordneten wurde in der Frühphase (18 Personen) bzw. in der Endphase (52) der NS-Herrschaft ermordet: In den Jahren 1933 und 1934 wurden elf bzw. sieben der Genannten umgebracht, während in den Jahren 1944 und 1945 20 bzw. 32 Abgeordnete den Tod fanden. 23 Abgeordnete wurden in den Jahren 1935 bis 1943 zu Tode gebracht. Bei zwei weiteren ist kein Todesjahr angegeben.

Einen Sonderfall stellt der Abgeordnete Georg Wendt dar, der 1948 infolge der ihm von den Nationalsozialisten zugefügten schweren Gesundheitsschäden starb.

47 Abgeordnete werden als in Konzentrationslagern und 27 als in Gefängnissen oder Zuchthäusern verstorben aufgeführt. Zwei weitere werden als auf dem Transport in Konzentrationslager ermordet angegeben. Schließlich werden sieben als an den Folgen von KZ- und drei als an den Folgen von Zuchthaus-Haft verstorben identifiziert.

Bei einigen der Personen, die auf dem Denkmal als „ermordet“ definiert werden, ist die Forschung sich entgegen ihrer eindeutigen Einstufung auf dem Denkmal als Mordopfer tatsächlich unschlüssig, ob diese wirklich ermordet wurden oder ob sie bei Unfällen oder durch Suizid aus dem Leben schieden. Dies gilt zum Beispiel für den SPD-Abgeordneten Adolf Biedermann, der am 11. Mai 1933 tot neben einer Bahnstrecke bei Recklinghausen aufgefunden wurde und dessen Todesumstände die Forschergruppe um Martin Schumacher als ungesichert erachtet.[13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945, 3. erw. Aufl. Düsseldorf 1994.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mache starb nach den Angaben bei Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Droste-Verlag, Düsseldorf 1991, ISBN 3-7700-5162-9, S. 381, 1944 im KZ Groß-Rosen.
  2. Die Angabe „Braunschweig Zuchthaus Wolfenbüttel“ ist irreführend bzw. falsch. August Merges verstarb nicht im Gefängnis Wolfenbüttel, sondern nach der Entlassung zuhause in Braunschweig an den Spätfolgen der in der Haft erlittenen Misshandlungen durch die Gestapo.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zitiert bei Malte Lehming: Ende eines siebenjährigen Streites um das richtige Gedenken. In: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 2.
  2. Wilhelm Heinz Schröder, Rüdiger Hachtmann: Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik als Opfer des Nationalsozialismus. Vorläufige Bestandsaufnahme und biographische Dokumentation. (Memento vom 29. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,6 MB) In: Historical Social Research / Historische Sozialforschung. (HSR) Band 10, 1985, ISSN 0172-6404, S. 55–98.
  3. Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Droste-Verlag, Düsseldorf 1991, ISBN 3-7700-5162-9.
  4. a b Malte Lehming: Ende eines siebenjährigen Streites um das richtige Gedenken. In: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 2.
  5. Deutscher Bundestag: Kunst im Bundestag – Katharina Sieverding. (Abgerufen am 31. Juli 2010)
  6. Gedenkstätte für Nazi-Opfer im Berliner Reichstag eingeweiht, in: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 1.
  7. Erinnerung an jeden einzelnen., in: Der Tagesspiegel, 13. September 1992, S. 14.
  8. Mahnmal zur Erinnerung an die ermordeten Reichstagsabgeordneten, Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 25. Juli 2017.
  9. Gerhard Schildt, In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hahn, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 410.
  10. Siehe auch: sogenannte „Postenpflicht“, die 1933 eingeführt wurde
  11. Gedenkstätte für Nazi-Opfer im Berliner Reichstag eingeweiht, in: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 1.
  12. Schumacher MdR, S. 86 und 100.
  13. Martin Schumacher/Martin Schumacher/ Katharina Lübbe/ Wilhelm Heinz Schröder: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation, Düsseldorf 1994, S. 34.

Koordinaten: 52° 31′ 4,6″ N, 13° 22′ 28,7″ O