Der Wille zum Glück

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Der Wille zum Glück ist eine frühe Erzählung von Thomas Mann. Sie wurde erstmals im Simplicissimus, Jg. 1, Nr. 21–23 (22. August, 29. August und 5. September 1896) veröffentlicht. Die erste Buchveröffentlichung erfolgte 1898 in Der kleine Herr Friedemann. Novellen (= Collection Fischer VI). 1958 wurde Der Wille zum Glück in die Stockholmer Gesamtausgabe der Werke Thomas Manns aufgenommen.

Trevi-Brunnen

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Paolo Hofmann, ein Jugendfreund des Ich-Erzählers, ist schwer herzkrank. Als sich der junge Maler in Ada von Stein, eine bildschöne, reiche jüdische junge Dame, verliebt, versagt ihm deren Vater die Hand seiner Tochter, da er auf ihr dauerndes Glück bedacht ist. Hofmann verlässt daraufhin München, den Wohnort der Familie von Stein, und geht auf Reisen – offenbar, um irgendwo einsam zu sterben. Fünf Jahre lang erhält der Erzähler keine Nachricht von ihm – aber er erhält auch keine Todesanzeige! Dann begegnet er ihm zufällig in Rom und kann endlich die Botschaft ausrichten, die er seit Paolos Abreise mit sich herumgetragen hat: Baronesse Ada hat ihn beauftragt, seinem Freund zu sagen, dass sie niemals einem anderen Mann ihr Jawort erteilen werde. Einige Wochen verbringen die beiden Freunde miteinander in Rom, dann trifft der Erzähler Paolo eines Morgens beim Packen an: Er hat einen Brief des Barons von Stein erhalten, in dem dieser seinen vor fünf Jahren gefällten Entschluss zurücknimmt, nachdem er sich von der andauernden Neigung Adas für Paolo überzeugen konnte – diese hat die Hand eines anderen Bewerbers ausgeschlagen, der dem Schwiegervater hochwillkommen gewesen wäre. Paolo macht noch einen letzten Rundgang durch Rom mit seinem Bekannten. Sie verweilen länger vor der Fontana di Trevi, und der Erzähler reicht Paolo ein Reiseglas, damit dieser vom Wasser des Brunnens trinken kann. Doch in dem Moment, als der das Glas an die Lippen setzt, flammt der ganze Himmel auf. Das Glas zerspringt am Brunnenrand, ohne dass Paolo getrunken hätte. – Was bleibt zu berichten? Der Erzähler erklärt lapidar, Paolo sei am Morgen nach der Hochzeitsnacht, beinahe noch in der Hochzeitsnacht selbst, gestorben. Nur sein Drang, sein Glück, die Vereinigung des Kranken mit dem Gesunden, durchzusetzen, habe ihn so lang am Leben erhalten. Doch auch im Gesicht der Braut und jungen Witwe sei beim Begräbnis nichts als Triumph zu lesen gewesen.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dieser frühen Erzählung werden einige überkommene Versatzstücke und antisemitische Klischees sichtbar. Während Thomas Mann den Baron als Börsenspekulanten vorstellt und sein Verhalten als das eines getauften Juden schildert, der seine Herkunft verschleiern will,[1] präsentiert er die Baronin als „hässliche kleine Jüdin in einem geschmacklosen grauen Kleid“, an deren Ohren „große(n) Brillanten“ funkeln.[2]

Paolo Hofmann trägt wie Tonio Kröger gewisse Züge des Autors. Wie bei Thomas Mann selbst stammen die Mütter der beiden literarischen Figuren „von ganz unten auf der Landkarte“ und bilden einen exotischen Gegensatz zum biederen deutschen Vater, der als Kaufmann eine solide Existenz hat. Baronesse Ada erinnert mit ihrer Schönheit, aber ihren für ihr Alter zu reifen Formen ein wenig an die Esther in Theodor Fontanes Poggenpuhls. Diese ebenfalls reiche junge Dame wird als „pompös, beinahe Pomposissima“ beschrieben – die Autoren scheinen sich mit diesem Frauentypus eines gewissen Klischees zu bedienen.

Dass Der Wille zum Glück ein Jugendwerk ist, lässt sich nicht übersehen – so ist z. B. die symbolträchtige Vereitelung des Genusses des Trevibrunnenwassers – wer aus diesem Brunnen trinkt, so der Volksmund, wird wiederkehren – recht dick aufgetragen. Doch auch hier schon zeigt sich ein Motiv, das in Werken Thomas Manns immer wiederkehren soll: Das der „unmöglichen“ und prompt tödlich endenden Liebe. Ist es hier ein Kranker, dem eigentlich Keuschheit verordnet ist, der seinen Wunsch nach der Vereinigung mit der Angebeteten durchsetzt und daran stirbt, so ertränkt sich der verschmähte Behinderte Johannes Friedemann. Gustav von Aschenbach stirbt in Venedig, weil er allen Warnungen zum Trotz in der verseuchten Stadt auf den Spuren des Knaben wandelt, zu Rosalie von Tümmler, die viel zu alt für den Hauslehrer ihres Sohnes ist, kommt der Tod in sanfterer Gestalt, während hinter der Erschießung des Rudi Schwerdtfeger in Doktor Faustus einerseits ein reales Eifersuchtsdrama, in dem eine ebenfalls für ihren Geliebten zu alte Frau eine Rolle spielt, andererseits Thomas Manns homophiles Interesse für Paul Ehrenberg steckt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas Mann, Der Wille zum Glück, Erzählungen, Fischer (Tb.), Frankfurt; ISBN 3-596-29439-8

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jacques Darmaun: Judengestalten. In: Thomas Mann, Deutschland und die Juden. Niemeyer, Tübingen 2003, S. 26.
  2. Thomas Mann: Der Wille zum Glück. In: Thomas Mann, Gesammelte Werke in dreizehn Bänden. Band 8, Fischer, Frankfurt 1974, S. 49