Deutsche Hugenotten-Gesellschaft

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Die Deutsche Hugenotten-Gesellschaft (DHG) ist ein eingetragener Verein, der 1890 zur hugenottischen Traditionspflege in Deutschland als Deutscher Hugenotten-Verein gegründet wurde.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Henri Tollin, 1833–1902, frz.-ref. Pfarrer in Magdeburg, Gründer des Deutschen Hugenotten-Vereins
Jochen Desel (links) übergibt das Amt des Präsidenten am 19. September 1999 an Andreas Flick

Es war vor allem der Initiative des Predigers der Französisch-Reformierten Kirchengemeinde Magdeburgs, Henri Tollin (1833–1902)[1] und des Berliner Amtsrichters Richard Béringuier (1854–1916) zu verdanken, dass am 29. September 1890 in Friedrichsdorf am Taunus der Deutsche Hugenotten-Verein (DHV) gegründet werden konnte. 1998 erfolgte die Umbenennung in Deutsche Hugenotten-Gesellschaft e.V.(DHG).

Der Verein sollte die Ende des 19. Jahrhunderts noch zahlreich vorhandenen französisch-reformierten Kirchengemeinden im deutschen Refuge in ihrer Arbeit unterstützen und den einzelnen Hugenottennachkommen die hugenottische Tradition verdeutlichen. Dazu dienten vor allem die Geschichtsblätter, die Henri Tollin und seine Nachfolger als Schriftleiter 1892 beginnend in unregelmäßigen Abständen herausgaben.

Die Mitgliederzahl des neu gegründeten Vereins entwickelte sich von anfangs 26 Personen und Institutionen bis 490 im Jahr 1899. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs übernahm der Hugenottennachkomme Leopold Cordier (1887–1939) den Vereinsvorsitz. Als Gießener Theologieprofessor widmete er sich besonders theologischen Fragen und der Aktivierung des hugenottischen Glaubensguts. So verdanken wir ihm u. a. ein hugenottisches Liederbuch[2] und eine Abhandlung Was verlor Frankreich mit den Hugenotten? In der Zeit des Nationalsozialismus gehörte er als Regime-Gegner der Bekennenden Kirche an. Es gab jedoch auch Mitglieder des Hugenotten-Vereins, die ein offenes Ohr für die Parolen des Nationalsozialismus hatten.[3]

Der Zweite Weltkrieg und die darauf folgende deutsche Teilung in Besatzungszonen brachte die Vereinstätigkeit vollständig zum Erliegen. Es ist vor allem dem Flensburger Vereinsmitglied Richard Fouquet (1880–1965) zu verdanken, dass die Deutsche Hugenotten-Gesellschaft 1950 in Friedrichsdorf am Taunus praktisch neu gegründet werden konnte. Der Journalist Emil Constantin Privat (1900–1976) wurde Vorsitzender und Richard Fouquet sein Stellvertreter. Beide bemühten sich in der Phase nach der Neugründung um Völkerverständigung und Freundschaft mit den französischen Hugenotten, Privat hatte während des Zweiten Weltkriegs in seiner Eigenschaft als Chefredakteur der Deutschen Zeitung in den Niederlanden u. a. herablassend über de Gaulle geschrieben.[4] 1955 konnte der Verein schon wieder 431 Mitglieder verzeichnen.

Als Oberstleutnant a. D. Friedrich Centurier (1916–1984) 1971 in Berlin zum Präsidenten der Deutsche Hugenotten-Gesellschaft gewählt wurde, widmete er sich intensiv und erfolgreich der Mitgliederwerbung und konnte bereits 1973 auf dem Hugenottentag in Landau/Pfalz mit Genugtuung „ein erstaunliches Wachstum des Vereins“ konstatieren, der zu diesem Zeitpunkt ca. 1.200 Mitglieder hatte.

Auf dem Hugenottentag in Kassel 1985 im Jahr des Gedenkens an die Flucht der Hugenotten nach dem Erlass des Edikts von Fontainebleau durch Ludwig XIV. und ihrer Aufnahme in deutschen Territorien wurde Dekan Jochen Desel (geb. 1929) zum Präsidenten gewählt. In seiner Amtszeit setzte er sich für die Unterstützung Notleidender in Afrika im Geist hugenottischer Diakonie ein. Die vom Vorstandsmitglied Hans W. Wagner aus Kassel geleitete „Aktion Hugenotten helfen“ institutionalisierte die Hilfsmaßnahmen.

Das besondere Anliegen Desels war die Etablierung des Vereins an einem festen Standort. 1989 gelang es, in der Hugenottenstadt Bad Karlshafen an der Weser, mit der Hilfe öffentlicher Mittel eine ehemalige Tabakfabrik zu renovieren und mit einem Festvortrag des Göttinger Professors Rudolf von Thadden als Deutsches Hugenotten-Zentrum zu eröffnen. In dem dreistöckigen Gebäude fanden die Geschäftsstelle der Gesellschaft, eine hugenottische Fachbibliothek und eine genealogische Forschungsstelle genügend Platz. In zwei Etagen wurde das Deutsche Hugenotten-Museum eröffnet, dessen ehrenamtlicher Museumsleiter Jochen Desel wurde.[5]

Der jetzige amtierende Präsident der Deutsche Hugenotten-Gesellschaft, Pastor Andreas Flick aus Celle, begann seine Tätigkeit nach seiner Wahl durch die Mitgliederversammlung 1999 in Bad Karlshafen. Er hat die Aufgabe zu bewältigen, in Zeiten, die in vieler Beziehung für Vereine schwieriger geworden sind. Er bemüht sich, die reformierte Glaubenshaltung der Hugenotten in einer sich schnell veränderten Welt zu verdeutlichen und verständlich zu machen. Als Herausgeber der Zeitschrift Hugenotten erreicht er mit modernem Layout und gezielter Auswahl der Artikel Mitglieder und Nichtmitglieder. Daneben baut er die Kontakte aus zum universitären Bereich und zu ausländischen Hugenotten-Gesellschaften.

Grundsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Vereinszweck ist unter anderem:

  • Bewahrung und Förderung der hugenottischen Tradition in Deutschland
  • Erforschung der Geschichte, Theologie und Genealogie der Hugenotten
  • Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft
  • Zusammenarbeit mit hugenottischen Einrichtungen und Gemeinden im In- und Ausland
  • Hilfeleistung für Arme und Flüchtlinge (Diakonie)
  • Förderung der Verständigung zwischen den Völkern, Nationen und Religionen im Geiste gegenseitiger Achtung und Toleranz

Präsidenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1890–1902 Henri Tollin, Magdeburg
  • 1902–1922 Charles Correvon, Frankfurt am Main
  • 1923–1935 Leopold Cordier, Gießen
  • 1936–1937 Peter Lorenz, Berlin
  • 1937–1945 Albert Freiherr Dufour von Feronce, Berlin
  • 1950–1971 Emil Constantin Privat, Journalist, Bad Godesberg
  • 1971–1984 Friedrich Centurier, Göttingen
  • 1985–1999 Jochen Desel, Hofgeismar
  • seit 1999 Andreas Flick, Celle

Bibliothek[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mitgliederzeitschrift der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft

Als Spezialbibliothek werden Publikationen zu hugenottischen Themen und zur reformierten Tradition gesammelt. Die Altbibliothek des Vereins konnte nach der Wiedervereinigung von Berlin nach Bad Karlshafen überführt und in die Karlshafener Bestände integriert werden. Zur Bibliothek gehört eine internationale Zeitschriften- und Aufsatzsammlung, die u. a. von Studierenden der Universität Göttingen und Kassel benutzt wird. Derzeit werden 12.000 Medien vorgehalten.[6] Der Bibliothek ist das Archiv angeschlossen mit Nachlässen von Mitgliedern, Text- und Bildbeständen, die zum Teil noch erschlossen werden müssen.

Genealogische Forschungsstelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Deutschen Hugenotten-Zentrum befindet sich eine genealogische Forschungsstelle, die insbesondere von Hugenottennachkommen auf der Suche nach ihren Vorfahren benutzt wird. Ein genealogischer Arbeitskreis der Gesellschaft unter der Leitung des Vorstandsmitgliedes Dierk Loyal beantwortet genealogische Anfragen und baut die hugenottische Datenbank aus, in der bisher ca. 300.000 Datensätze Aufnahme fanden. In Bad Karlshafen sind Kopien fast aller französisch-reformierten Kirchenbücher aus dem deutschen Refuge vorhanden, deren Digitalisierung in Angriff genommen wurde.

Verlag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Deutsche Hugenotten-Gesellschaft hat einen eigenen Verlag, der von der Geschäftsstelle in Bad Karlshafen betreut wird. Es werden folgende Publikationen veröffentlicht:

  • Hugenotten. Mitgliederzeitschrift, die vierteljährlich erscheint. Die Zeitschrift wurde 1929 als Der Deutsche Hugenott begründet und 1998 in Hugenotten umbenannt.
  • Geschichtsblätter der Deutsche Hugenotten-Gesellschaft. Bisher sind 49 Bände erschienen, die sich unterschiedlichen Themen aus den Bereichen der hugenottischen Geschichte und Theologie widmen.
  • Tagungsschriften der Deutschen Hugenottentage. Es sind von 1968 bis 2005 vierzehn Bände erschienen.

Frühere Publikationen sind:

Hugenottentage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Plakat zum 34. Hugenottentag 1985 in Kassel
Medaille(Vorderseite) zum 100-jährigen Jubiläum Des Deutschen Hugenotten-Vereins 1990; Entwurf von Viktor Huster
Medaille(Rückseite) zum 100-jährigen Jubiläum Des Deutschen Hugenotten-Vereins 1990; Entwurf von Viktor Huster
Plakat zum 35. Hugenottentag in Zweibrücken und Metz 1987

In zweijährigen Abständen finden Hugenottentage in den Hugenottenorten des deutschen Refuge statt.

Ort Jahr Besonderheiten
1. Friedrichsdorf/Taunus 1890 Gründungsversammlung
2. Berlin 1892
3. Maulbronn 1894
4. Berlin 1897
5. Frankfurt am Main 1899
6. Kassel 1902
7. Bückeburg 1905
8. Friedrichsdorf/Taunus 1909
9. Rohrbach/Hessen 1913
10. Friedrichsdorf/Taunus 1925
11. Berlin 1926
12. Stuttgart 1927
13. Magdeburg 1928
14. Hanau 1929
15. Erlangen 1930 40-jähriges Jubiläum
16. Walldorf/Hessen 1932
17. Königsberg (Preußen) 1933 aus politischen Gründen ausgefallen
18. Magdeburg 1934
19. Berlin 1937
20. Stettin 1938
21. Friedrichsdorf/Taunus 1950 60-jähriges Jubiläum
22. Neu-Isenburg 1955
23. Heidelberg 1957
24. Marburg 1959
25. Bad Karlshafen/Weser 1963
26. Friedrichsdorf/Taunus 1965 75-jähriges Jubiläum
27. Kassel 1968
28. Berlin 1971
29. Landau in der Pfalz 1973
30. Hamburg 1976
31. Erlangen 1979
32. Hanau 1981
33. Bad Karlshafen 1983
34. Kassel 1985
35. Zweibrücken u. Metz 1987
36. Friedrichsdorf/Taunus 1990 100-jähriges Jubiläum
37. Berlin 1992 1. Gesamtdeutscher Hugenottentag nach der Wende
38. Celle 1994
39. Ludweiler/Saarbrücken 1996
40. Dresden 1998
41. Offenbach am Main 1999
42. Neu-Isenburg 2001
43. Emden 2003
44. Schwedt/Oder 2005
45. Hamburg 2007
46. Frankenthal (Pfalz) 2009
47. Kassel 2010 300 Jahre Karlskirche
48. Mannheim 2013
49. Bad Karlshafen 2015 125-jähriges Jubiläum

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jochen Desel, Walter Mogk (Hrsg.): 100 Jahre Deutscher Hugenotten-Verein. 1890-1990. Geschichte-Personen-Dokumente-Bilder. Tagungsschrift zum 36. Deutschen Hugenottentag vom 20. bis 22. April 1990 in Friedrichsdorf/Taunus. Bad Karlshafen 1990. ISBN 3-9802515-0-0
  • Jochen Desel, Walter Mogk (Hrsg.): Hugenottischer Almanach 1685-1985. Tagungsschrift zum 34. Deutschen Hugenottentag vom 12. bis 14. April 1985 in Kassel. Bad Karlshafen 1985.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Brandes: Henri Wilhelm Nathanael Tollin. In: Geschichtsblätter des Deutschen Hugenotten-Vereins, Bd. 11, Heft 8 u. 9. Magdeburg 1902.
  2. Hugenotten-Lieder. 50 ausgewählte Psalmen, kleine Ausgabe Elberfeld 1924; große Ausgabe, Elberfeld 1925.
  3. Ursula Fuhrich-Grubert: Eine Minderheit und ihre Obrigkeit. Deutsche Hugenotten im Dritten Reich. Bad Karlshafen 1995. ISBN 3-930481-02-2
  4. „Libanon als Reflexspiegel“, DZN vom 17. November 1943, S. 1. Vgl. auch „Die Hugenotten in Deutschland – Gedanken zu einem Werk von Helmut Erbe“, DZN vom 25. Mai 1941, S. 10 (E. C. Privat schrieb dort vom „damals kulturell sehr hochentwickelten Frankreich“). Seine Biografie in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Vereins ist geschönt und verschweigt die Zeit bei der DZN (Jochen Desel, Walter Mogk (Hrsg.): 100 Jahre Deutscher Hugenotten-Verein. 1890-1990. Geschichte-Personen-Dokumente-Bilder. Tagungsschrift zum 36. Deutschen Hugenottentag vom 20. bis 22. April 1990 in Friedrichsdorf/Taunus. Verlag des Deutschen Hugenotten Vereins e.V. 1890, Bad Karlshafen 1990, ISBN 3-9802515-0-0, S. 260).
  5. Jochen Desel (Hrsg.): Deutsches Hugenotten-Museum Bad Karlshafen. Museumsführer. Bad Karlshafen 2010. ISBN 978-3-930481-32-3
  6. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 21. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hugenottenbibliothek.de