Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke

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Kalligrafische Nachschrift zu Rilkes Cornet

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke ist der Titel einer kurzen Erzählung von Rainer Maria Rilke (1875–1926). Sie entstand unter dem Titel Der Cornet nach Angaben des Autors innerhalb einer Nacht im Jahr 1899 in der „Villa Waldfrieden“ in Berlin-Schmargendorf und erlangte durch ihre Veröffentlichung in der Insel-Bücherei 1912 weite Verbreitung und Bekanntheit.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgangspunkt der Erzählung ist ein Regest (die Zusammenfassung einer Urkunde) in einer alten Chronik. Das Dokument berichtet von der Übertragung des Besitzanteils Christoph Rilkes, der 1663 im Türkenkrieg gefallen war, an seinen Bruder Otto. Alternativ zum kurzen Chronikeintrag bietet Rilke die Geschichte vom Zug des Christoph Rilke von Langenau nach Ungarn und seinem dortigen Tod an.

Der 18-jährige Adelige reitet mit anderen Soldaten nach Ungarn, um gegen die dort eingefallenen Türken zu kämpfen. Ein französischer Marquis wird dabei sein Freund. Von einer Rose, die der Marquis von seiner Geliebten erhalten hat, schenkt er von Langenau beim Abschied ein Rosenblatt, das ihn beschützen soll. Aufgrund eines Empfehlungsschreibens wird von Langenau zum Cornet, zum Fahnenträger ernannt. Seiner Mutter schreibt er daraufhin stolz einen Brief, den er neben dem Rosenblatt verwahrt. Jenseits des Grenzflusses Raab – an deren Ufern die entscheidende Schlacht bei Mogersdorf stattfinden sollte – übernachtet von Langenau mit seiner Kompanie in einem Schloss. Mit der Gräfin verbringt er die Nacht im abseits gelegenen Turmzimmer. Während der Nacht wird das Schloss von den Türken angegriffen und in Brand gesteckt. Um die Fahne zu retten und zu seiner bereits aufgebrochenen Truppe zu gelangen, verzichtet er auf Waffenrock und Helm, läuft durch die brennenden Gemäuer und reitet aus dem Schloss. Mit der brennenden Fahne findet er sich allein mitten unter den Feinden wieder und fällt.

Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die lyrisch-impressionistische Prosa vermittelt Gefühle von Jugend und Lebenshunger, Liebe und Tod. Besonderer Popularität erfreute sich die Soldatenballade aus dem 17. Jahrhundert in der Zeit der beiden Weltkriege. Das letztlich zeitlos-universelle Schicksal des jungen Soldaten schwankt zwischen Glorifizierung des Heldentodes und der Sinnlosigkeit (jungen) Sterbens, Gefühlen von überzogener Ehre, Verlust und Traurigkeit. Dem Langemarck-Mythos zufolge hatten die „jungen“ Regimenter das Deutschlandlied auf den Lippen und „Rilkes Cornet im Tornister“.[1] Eine besondere Wirkung hatte Rilkes Cornet auf Alexander Lernet-Holenia, der Motive daraus etwa in seiner Szene zur Totenfeier für Rainer Maria Rilke (1927) und seiner Novelle Der Baron Bagge (1936) aufnahm.

Editionsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Buchausgabe bei Axel Juncker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunächst erschien der „Cornet“ 1904 eher unbeachtet in der Oktoberausgabe der Monatsschrift Deutsche Arbeit in Prag. Im selben Jahr schenkte Rilke die überarbeitete Version Stefan Zweig; auf ihr basierte die erste Buchveröffentlichung von 1906 beim Verlag Axel Juncker in 300 nummerierten Exemplaren. Diese hatte der Autor Gudrun Baronin Uexküll geborene Gräfin von Schwerin gewidmet. Das bei Breitkopf & Härtel in Leipzig gedruckte Buch erhielt zwar mit Büttenpapier, einer farbigen Tafel mit dem Familienwappen Rilkes und einem Halbpergamenteinband die von Rilke gewünschte bibliophile Ausstattung, die von Lucian Bernhard besorgt worden war; es hatte aber keinen kommerziellen Erfolg.

Buchausgaben in der Insel-Bücherei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

IB 1, Rilke: Cornet, EA, Rizzipapier-Einband
IB 1, Rilke: Cornet, EA, Rizzipapier-Einband
Prospekt der ersten zwölf Ausgaben der Insel-Bücherei 1912
Prospekt der ersten zwölf Ausgaben der Insel-Bücherei 1912

Bereits seit 1905 stand Rilke mit dem Leipziger Insel Verlag in Kontakt, bei dem er zunehmend seine neuen Arbeiten verlegen ließ. Dessen Leiter, Anton Kippenberg, bemühte sich um die Sammlung des Gesamtwerks von Rilke in seinem Verlag und stand wegen der Übernahme auch des „Cornet“ mit Juncker in Verhandlungen, der zunächst noch zögerte. Schließlich gelang es Kippenberg, Anfang 1912 die Rechte an diesem Titel für 400 Mark von ihm zu erwerben. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kippenberg schon vorgesehen, das Buch in die Insel-Bücherei, eine neue, gut ausgestattete Buchreihe zum Preis von 50 Pfennig pro Pappband im Rizzi-Musterpapier aufzunehmen, die nach längerer Vorbereitungszeit im späten Frühjahr des Jahres 1912 erscheinen sollte. Am 7. Mai 1912 teilte Kippenberg unter kurzfristiger Abänderung seiner zunächst anderweitigen Planung mit Hofmannsthals Der Tod des Tizian Rilke schließlich mit, die neue Reihe mit dessen „Cornet“ als Nummer 1 eröffnen zu wollen.[2] In der Ausgabe der Insel-Bücherei wurde die Erzählung dann zum Bestseller, der bis in die Gegenwart verlegt wird und mit seiner Gesamtauflage die Millionengrenze bereits weit überschritten hat.

  • Normale Reihen- und Vorzugsausgaben

Am 23. Mai 1912 erschien Rilkes Werk als erster Band der Insel-Bücherei in einer Auflage von 10.000 Exemplaren, die sofort vergriffen war. Es musste sofort nachgedruckt werden. Bis zum Jahr 1918 war bereits das 160. Tausend erreicht. Bis zu Rilkes Todesjahr 1926 wurden 320.000 Exemplare aufgelegt, es war somit sein erfolgreichstes Buch.[3]

Aufgrund der Beliebtheit des Insel-Bändchens bot es der Verlag ab 1913 auch in einem Ledereinband an. Dazu wurden den laufenden Auflagen zumeist 200 Druckbögen entnommen und mit dem besonderen Einband versehen. 1916 kamen auch Halbledereinbände hinzu. Letztmals wurden von der aus dem Jahre 1932 stammenden Teilauflage Exemplare in Leder gefertigt.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erschienen erst ab 1949 (761.–770. Tsd.) im Wiesbadener Verlagshaus neue, zunächst nur broschierte Auflagen; 1954 lag der „Cornet“ dann wieder im Pappband vor. 1959 erreichte die Gesamtauflage die Millionengrenze. Aus Anlass des 40. Todestags Rilkes kam 1966 zusätzlich erneut ein Lederbändchen in kleiner Auflage auf den Buchmarkt.
1987, anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Insel-Bücherei, wartete auch das Leipziger Verlagshaus seit 1945 wieder mit einer Neuauflage auf. Ihm wurde ein Anhang beigegeben, der u.a ein Nachwort vom Herausgeber Horst Nalewski und einen ausgewählten Briefwechsel, vor allem zwischen Kippenberg und Rilke, womit vor allem die Entstehungs-, Editions- und Rezeptionsgeschichte des Werks beleuchtet werden sollte, enthielt.[4] Nun gab es auch in Leipzig eine bibliophile Edition des Titels: Es handelte sich um einen Reprint eines von Max Schwimmer im Zweiten Weltkrieg während eines Fronteinsatzes privat illustrierten Bändchens, der sich in seiner Einbandgestaltung der Ausgabe von Juncker aus dem Jahre 1906 stark anlehnt. Das Frankfurter Verlagshaus beschränkte sich 1987 dagegen auf eine Neuauflage des Reprints der Erstauflage von 1912, der schon anlässlich des Erscheinens der Bandnummer 1000 im Jahre 1978 erstmals angeboten worden war.
Zum 100-jährigen Jubiläum der Insel-Bücherei 2012 folgte dann im seit 1990 wiedervereinigten Insel Verlag auch eine illustrierte normale Reihenausgabe des „Cornet“ mit Schabblättern von Karl-Georg Hirsch, allerdings abweichend unter der Nummer 1350.[5] Als IB 1/A erreichte der „Cornet“ bis 2021 nach Verlagsangaben mit 56 Auflagen über 1,153 Mio. Exemplare.

Trotz der vielen Teilauflagen wiesen die Gestaltung des Einbands und die Typografie eine relative Konstanz auf. Bis 1934 setzte Kippenberg das schon beim erstmaligen Erscheinen des „Cornet“ 1912 zum Einsatz gekommene grün/weiße Rizzi ein. Nur kleine Binderaten verließen die Buchbindereien mit einem abweichenden Musterpapier. 1934 lieferte Fritz Kredel für das anstehende 451. bis 500. Tausend den Entwurf für ein neues Einbandpapier ab, das bis in die Gegenwart die Ausgaben ziert. Wurde bei der Erstausgabe noch in einer Breitkopf-Fraktur gesetzt, die 1921 einem Satz in Maximilian–gotisch und diese 1936 einer Kleist–Fraktur wich, wird der Text seit 1962 in einer Antiquaschrift, der Diotima–Kursiv, gedruckt, nachdem es von 1954 bis 1959 (975.-1000. Tsd.) ein Intermezzo mit der von Hermann Zapf geschaffenen Gilgengart gab.

  • Ausgaben während der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts

Da die Erzählung aufgrund ihrer Thematik auch eine beliebte Lektüre der deutschen Soldaten bei ihrem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg wurde, nahm Kippenberg sie in die Reihe der Kriegsbroschuren auf; für den leichteren Transport an die Front und die bessere Handhabbarkeit unter Feldbedingungen fertigte der Insel Verlag in den ersten beiden Kriegsjahren 1914 und 1915 von ausgewählten Titeln der Insel-Bücherei einfarbige Broschuren an, deren Buchblöcke in nicht allzu großer Zahl den laufenden Auflagen entnommen wurden, hier drei Teilauflagen aus dem 31. bis 60. Tausend, und mit 30 Pfennigen deutlich preiswerter als die normalen Pappbände angeboten wurden.

Im Zweiten Weltkrieg fand der Titel dann Eingang in die Reihe der so genannten Feldpostausgaben, die nun von vornherein als Broschurauflagen vorgesehen waren und nur 45 Pfennige kosteten. Von 1942 und bis 1943 wurden so 60.000 Exemplare gedruckt (701.–760. Tsd.). Sie konnten allerdings nicht mehr vollständig ausgeliefert werden; Restbestände wurden vom Insel Verlag nach dem Krieg mit überklebtem Feldposteindruck vertrieben. Wohl in Eigenregie von Wehrmachtsstellen wurde 1944 in einer Auflage von 5.000 Exemplaren der „Cornet“ im Pappband mit dem von Fritz Kredel 1934 neugestalteten Musterpapier aufgelegt und zum eingedruckten Preis von RM 0,80, was dem regulären Ladenpreis der Insel-Bücher in dieser Zeit entsprach, verkauft.[6]

Weitere Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1929 erschien das Werk als privater Pressendruck in 200 Exemplaren mit Illustrationen von Mari Alexander Jacques Bauer und dem Einbandentwurf von Henry van de Velde (fiktive Verlagsangabe: Hubertus-Verlag Hoenderloo).

Vertonungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Stück wurde mehrfach vertont:

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Braungart, Wolfgang: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. In: Rilke-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Hg. v. Engel, Manfred. Stuttgart/Weimar, 2016, S. 210216.
  • Helmut Jenne: Katalog der Sammlung Jenne. Insel-Bücherei – Die Schönste aller Buchreihen. 2 Bände, 2., erweiterte Auflage, und Katalog der Sammlung Jenne Ergänzungen zur 2. Auflage des Kataloges. Selbstverlag des Autors, Schriesheim 2006 und 2008 sowie 2013.
  • Walter Simon (Hrsg.): Rainer Maria Rilke. Die Weise von Liebe und Tod. Texte und Dokumente. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1974
  • Rainer Maria Rilke: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke: mit erklärenden Fußnoten kommentiert. edition:nihil.interit, Wien 2023, ISBN 979-8394116292

Einzelnachweise, Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Joachim Güntner: Manipulation der Massen, Neue Zürcher Zeitung vom 8. Juli 2006.
  2. Heinz Sarkowski: Der Insel-Verlag 1899–1999. Die Geschichte des Verlags. (Chronik 1965–1999 von Wolfgang Jeske. Eingeleitet von Siegfried Unseld). Insel, Frankfurt am Main/Leipzig 1999, ISBN 3-458-16985-7, S. 120.
  3. Rainer Maria Rilke: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. In: Manfred Engel (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. J.B. Metzler, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-476-04000-8, S. 691–692. [Biogramm, Werkartikel zu Das Buch der Bilder von Jutta Heinz, Werkgruppenartikel zu Das Stundenbuch von Manfred Engel, usw.] doi:10.1007/978-3-476-05728-0_19026-1
  4. Vgl. Horst Nalewski Nachwort zur IB-Ausgabe des Leipziger Verlagshauses 1987 (Insel-Bücherei 1/B, S. 77 ff.).
  5. Von diesem Band wurden nach Verlagsangaben bis 2022 einschließlich der Vorzugsausgabe im originalen Handpapiereinband von Gisela Reschke (2012, 650 Ex.) über 7.000 Exemplare gedruckt.
  6. Die Ausgabe wurde im besetzten Dorpat (Estland) auf von der Ostland-Faser-G.m.b.H. geliefertem Papier gedruckt und ist nicht in der Auflagenzählung des Verlags erfasst. Die leicht rotstichige Einbandfarbe weicht deutlich von dem sonst vom Verlag verwendeten Überzugspapier ab. Dagegen stimmt der Satz mit der 1943 im Insel Verlag erschienenen regulären Feldpostausgabe von IB 1 (721.–760.) überein. Aufgrund der im Impressum angegebenen Afv. Nr. II/01493 – die Afv. Nr. ist auch bei anderen Druckerzeugnissen der Truppenbetreuung der Wehrmacht zu finden – dürfte es sich um eine direkt von der Truppenbetreuung verantwortete Ausgabe handeln, indem eine vorliegende Verlagsausgabe fotomechanisch vervielfältigt wurde. Aufgrund der fehlenden Auflagenzählung liegt auch das Fehlen einer verlagsseitigen Genehmigung sehr nahe.