Diskussion:Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft

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"Dabei sei eine reine Synchronie ohnehin illusorisch, da in jeder Epoche stets mehrere literarische Tendenzen gleichzeitig existieren." Gleichzeitigkeit ist illusorisch wegen der Gleichzeitigkeit? Sollte das vielleicht Diachronie heißen? --Haascht 11:36, 23. Sep. 2008 (CEST)[Beantworten]

Hab mal ausgebessert. Sollte der Fehler bei mir liegen, tuts mir leid... --Haascht 12:13, 5. Okt. 2008 (CEST)[Beantworten]

synchronie vs. diachronie[Quelltext bearbeiten]

(alle zitate im folgenden diskussionsbeitrag aus jauß, hans robert: literaturgeschichte als provokation. suhrkamp: frankfurt am main 1970)

hallo, nein, da gehört nicht "diachronie" sondern schon "synchronie", das stimmt schon. der zweite teil der aussage muss aber modifiziert und ergänzt werden, damit sie einen sinn ergibt: jauß ist der ansicht (er greift hier auf siegfried kracauers geschichtsverständnis zurück), dass jede der literarischen tendenzen, die gleichzeitig existieren, ihre eigene "special history" hat, deshalb gibt es die synchronie eigentlich nicht. er spricht von der deshalb von der "faktischen ungleichzeitigketi des gleichzeitigen" (jauß 1970, 195).

das zitat hierzu: "denn die vielfalt der ereignisse eines historischen augenblicks, die der universalhistoriker als exponenten eines einheitlichen gehalts zu begreifen glaubt, seien de facto momente ganz verschiedener zeitkurven, von den gesetzlichkeiten ihrer besonderen geschichte (special history) bedingt, wie an den interferenzen der verschiedenen 'geschichten' der künste, der rechts-, wirtschafts- oder politischen geschichte und so fort unmittelbar evident werde" (jauß 1970, 195).

kracauers abhandlung "time and history" "bestreitet den anspruch der allgemeinen geschichtsschreibung (general history), ereignisse aller lebensbereiche im homogenen medium der chronologischen zeit als einen einheitlichen, in jedem historischen augenblick konsistenten prozeß begreifbar zu machen" (jauß 1970, 195) - mit anderen worten die ansicht, "daß alles, was sich gleichzeitig ereignet, gleichermaßen von der bedeutung dieses moments geprägt sei" (jauß 1970, 195), die von hegel herrührt.

die im artikel zitierte aussage (die über die gleichzeitigkeit) stimmt so gesehen schon, es fehlt aber die ergänzung mit den verschiedenen zeitkurven - hab mir erlaubt, das einzufügen.

und noch was fehlt: außerdem gibt es die reine synchronie nicht, weil ein synchroner schnitt immer notwendigerweise gleichzeitig auch das vorher und das nachher des systemzustandes mitenthalten muss (jauß 1970, 197) - in einer fußnote zu diesem zitat führt das originalzitat von j. tynjanov und r. jakobson an, auf das er sich hiermit bezieht: "'die geschichte des systems stellt ihrerseits wieder ein system dar. die reine synchronie ERWEIST SICH JETZT ALS ILLUSORISCH: JEDES SYNCHRONE SYSTEM HAT SEINE VERGANGENHEIT UND SEINE ZUKUNFT ALS UNTRENNBARE STRUKTURELEMENTE DIESES SYSTEMS.'" (j. tynjanov und r. jakobson, probleme der literatur- und sprachforschung (1928), in: Kursbuch 5 (1966), s. 75; zit. nach: jauß 1970, 197)

(ich vermute, dass der satz, der probleme bereitet, über das soeben angeführte zitat in den artikel hereingekommen ist. so wie es dasteht, hat es jedenfalls nicht gestimmt, vor allem weil da in der zweiten fassung "diachronie" gestanden ist.)

jedenfalls ... ausgehend hiervon fordert jauß die überwindung der reinen diachronie durch eine literaturgeschichtsschreibung, in der synchrone und diachrone betrachtung ineinandergreifen, indem sie die geschichtliche entwicklung anhand von synchronen schnitten darstellt: er schlägt vor, "durch einen moment der entwicklung einen synchronen schnitt zu legen, die heterogene vielfalt der gleichzeitigen werke in äquivalente, gegensätzliche und hierarchische strukturen zu gliedern und so ein übergreifendes bezugssystem in der literatur eines historischen augenblicks aufzudecken. daraus ließe sich das darstellungsprinzip einer neuen literaturgeschichte entwickeln, wenn weitere schnitte im vorher und nachher der diachronie so angelegt werden, daß sie den literarischen strukturwandel historisch in seinen epochebildenden momenten artikulieren." (195)

wenn man das ganze nach der produktionsästhetischen und nach der rezeptionsästhetischen seite hin ausdifferenziert (das macht jauß auf seite 197), ergibt sich folgendes:

produktionsästhetisch gesehen, ist die ganze literatur, die zu einem zeitpunkt erscheint, de facto ungleichzeitig (zerfällt in "eine heterogene vielfalt des ungleichzeitigen";jauß 1970, 197), weil eben jede literarische tendenz ihre "special history" hat (jauß 1970, 197). aber vom leser aus, also rezeptionsästhetisch, gesehen, fällt diese ganze literatur wieder zusammen, weil er sie "als werke seiner gegenwart wahrnimmt und aufeinander bezieht, in die einheit eines gemeinsamen und bedeutungsstiftenden horizonts literarischer erwartungen, erinnerungen und antizipationen zusammen" (jauß 1970, 197) - vor dem horizont des lesers werden sie also wieder gleichzeitig.

und jauß' ziel ist es nun, "den literarischen horizont eines bestimmten historischen augenblicks als dasjenige synchrone system faßbar zu machen, auf welches bezogen die gleichzeitig erscheindende Literatur diachronisch in relationen der ungleichzeitigkeit, das werk als aktuelloder unaktuell, als modisch, gestrig oder perennierend, als verfrüht oder verspätet aufgenommen werden konnte." (jauß 1970, 196f.)

--Lukas Hacksteiner 06:48, 19. Aug. 2009 (CEST)[Beantworten]

Hab die betreffende Stelle mal ausgebessert. ein paar zusätzliche einzelnachweise würden dem artikel übrigens auch nicht schaden. ich werde das bald mal machen.

--Lukas Hacksteiner 06:55, 19. Aug. 2009 (CEST)[Beantworten]