Einbaum

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Amerikanische Ureinwohner mit Einbäumen beim Fischen in der englischen Kolonie Virginia. (Stich von Theodor de Bry 1585 nach einem Aquarell von John White)
Amerikanische Ureinwohner bei der Herstellung eines Einbaums. (Stich von Theodor de Bry 1590 nach einem Aquarell von John White)
Einbaum in Stralsund
Einbaum auf dem Malawisee

Der Einbaum (griech. Monoxylon) ist ein verbreiteter Bootstyp bei indigenen Völkern, aber auch in moderneren Gesellschaften noch in Gebrauch. Der Rumpf ist aus einem einzigen Baumstamm gefertigt. Mitunter sind die Bordwände durch eingesetzte Spanten verstärkt und durch das Aufsetzen eines Plankenganges erhöht, dann oft Piroge genannt. Charakteristisch sind auch Querbänke, die nicht eingesetzt, sondern aus dem Stamm gearbeitet sind.

Einbaum ist vermutlich Lehnübersetzung des lateinischen monoxilus, weiter aus griechisch μονόξυλον – monoxylon, mit den Bestandteilen monos „einzig“ und Xylon „Holz, Baum“.

Beginn der Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als in Deutschland 1785 mit dem Fund bei Dannenberg die archäologische Auseinandersetzung mit Einbäumen begann, waren sie in Nordeuropa noch in Gebrauch. Einbaumfunde sind mittlerweile vor allem in Nord- und Osteuropa verzeichnet worden. Europaweit wird die Zahl geborgener Einbäume von Christian Hirte auf etwa dreitausend geschätzt. Die Funde unvollendeter Einbäume in Tündern und bei Artlenburg an der Elbe ermöglichten es, die Bautechniken von Einbäumen zu rekonstruieren. Sie unterschieden sich kaum von den Techniken, die bis in die jüngste Zeit am Mondsee angewandt wurden.

Geschichte des Einbaums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Einbaum ist eine der Urformen des Bootes. Wegen der fehlenden großen Baumstämme kann angenommen werden, dass Einbäume während der letzten Eiszeit (Weichseleiszeit bzw. Würmeiszeit) in Mittel- und Nordeuropa noch nicht bekannt waren und erst mit der Wiederbewaldung der Nacheiszeit (Holozän) aufkamen. Wie archäologische Funde belegen, beherrschten Menschen bereits im nordischen Mesolithikum (etwa 8000 bis 4200 v. Chr.) die Kunst, einen Baum auszuhöhlen und ihn zum Transportmittel zu machen. Die ältesten archäologischen Belege sind der etwa 8000 Jahre alte Einbaum von Pesse (Provinz Drenthe, Niederlande)[1] sowie die Einbäume von Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) sowie ein Fund aus Nordostnigeria, Afrika.[2] Der mit 7000 Jahren älteste erhaltene, knapp 10 m lange Einbaum des Mittelmeerraums fand sich 1993 am Braccianosee im italienischen Latium (La Marmotta 1).[3]

Während ethnographische Quellen (siehe Bilder) belegen, dass der Baumstamm auch mit Hilfe von schwelendem Feuer ausgehöhlt wurde, gibt es dafür keinen archäologischen Beleg in der älteren Urgeschichte. Stattdessen kann davon ausgegangen werden, dass Steinbeile (die ältesten Formen sind Kernbeile aus Feuerstein), seit dem Neolithikum vor allem auch Dechsel zum Aushöhlen verwendet wurden. Eine Reihe gut erhaltener jungsteinzeitlicher Einbäume wurden in Pfahlbausiedlungen der Pfyner Kultur und der Horgener Kultur gefunden, zum Beispiel am Federsee allein über 40. Ebenso sind Einbäume im Kontext mit eisenzeitlichen Crannógs gefunden worden.

Vorwikingerzeitliche Einbäume (mit Spanten) stammen aus der Lecker Au und dem Vaaler Moor in Schleswig-Holstein. Aus dem Šlivni-See in Polen ist ein etwa 5 m langer Einbaum des Spätmittelalters (14. Jahrhundert) erhalten, bei dem in der Bootsmitte eine durch zwei Schotten in Bordwandhöhe gebildete Bünn (Hälter für lebende Fische) ausgearbeitet ist.[4]

Einbäume waren zum Beispiel im Spreewald bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Im Sprachgebrauch vergangener Jahrhunderte wurden sie oft Nachen genannt.

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ältesten in Europa gefundenen Einbäume stammen aus dem Mesolithikum (10.000 bis 5.000 v. Chr.) Während dieser Periode stieg der Meeresspiegel um etwa 100 Meter. Die alten Küstenwohnplätze wurden vom Meer bedeckt und sind unserem Wissen verloren gegangen.

Der Einbaum von Pesse in den Niederlanden scheint mit 8.265 ± 275 v. Chr. der älteste im aktuellen Forschungsstand zu sein. Seine Datierung ist allerdings unsicher, weil es zwei widersprüchliche 14C-Daten gibt. In Frankreich wurde der Einbaum von Noyen-sur-Seine auf 7.960 ± 100 v. Chr. datiert. Der Einbaum von Dümmerlohausen, einem Ortsteil von Damme in Niedersachsen, wurde auf 7.600 ± 100 v. Chr. datiert. Der Einbaum von Gartrop-Bühl ist mit etwa 17,0 m Länge der größte historische Einbaum, der in Europa gefunden wurde. In Dänemark werden zwei Einbäume (dänisch stammebåden) dem 7. Jahrtausend zugeschrieben. Der neolithische Einbaum im Lago Bracciano ist der älteste in Italien.

Britische Einbäume

Unter den britischen Einbäumen sind die Einbäume von Fiskerton und die vom Lough Eskragh sowie die Funde von Brigg, Hanson, Hasholme, vom Loch Arthur, vom Poole Harbour und vom White Loch besonders erwähnenswert.

Von den 400 französischen Einbäumen wurden 55 mit wissenschaftlichen Methoden datiert. Es gibt drei aus dem Mesolithikum, fünf aus dem Neolithikum, zwei aus dem Chalkolithium, drei aus der Bronzezeit, sechs aus der Eisenzeit, fünf aus der gallo-römischen Zeit, 30 aus dem Mittelalter und eines aus der Neuzeit.

Bei archäologischen Grabungen im Egå-Tal nördlich von Aarhus in Jütland in Dänemark wurden von Anfang der 1990er Jahre bis 2001 in Lystrup Enge Nordeuropas älteste Einbäume gefunden. Sie datieren nach 14C-Untersuchungen zwischen 5210 und 4910 v. Chr.[5] Bei Ausgrabungen in Tybrind Vig wurden drei Lindenstämme und Eschenpaddel gefunden. Im Åmose wurden 25 Boote unterschiedlichen Größe gefunden.

Ethnographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einbäume haben, abhängig auch von der Größe der Bäume in den lokalen Waldbeständen, ein zum Teil beträchtliches Ausmaß. In Äquatorialafrika erreichen Einbäume eine Tragfähigkeit, die 70 Personen entspricht. Einbäume sind auch heute noch in vielen Regionen der Welt verbreitet, so zum Beispiel in Afrika, Südamerika, Indien und auf Neuguinea. Oft sind sie mit Auslegern versehen (vgl. Auslegerkanu). Einige Gruppen fertigen auch Einbäume mit Segeln (Segelkanus) an. Regionale Formen mit einer normierten Bauweise sind zum Beispiel der Mokoro (Namibia) oder das aus mehreren aneinandergebundenen Einbäumen bestehende Boot Lagatoi (Papua-Neuguinea).

Experimente zur prähistorischen Einbaumnutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Experimenten Monoxylon I und Monoxylon II belegten tschechische Archäologen die Hochseetauglichkeit von Einbäumen, die den neolithischen Funden nachempfunden sind.[6] In der ersten Expedition wurden 300 km zwischen ägäischen Inseln zurückgelegt, in der zweiten etwa 800 km entlang der Mittelmeerküste.[7]

Einbaumfunde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ältesten Nachrichten über den archäologischen Fund eines Wasserfahrzeugs stammen aus dem 18. Jahrhundert und beziehen sich auf den Einbaum Ni-56 aus dem Teufelsmoor in Niedersachsen, der 1785 veröffentlicht wurde. Spätere Einbaumfunde stammen auch oft aus Mooren und aus Torfstichen – allen voran aus dem Federseemoor in Schwaben, wo in den 1930er Jahren 25 Einbaumfunde bekannt waren. Die letzte mit der Torfgewinnung verbundene Fundmeldung datiert von 1983 und stammt aus Berlin-Brandenburg. Die ersten systematischen Untersuchungen an Einbäumen stellen die ab Beginn der 1920er Jahre einsetzenden Untersuchungen Oscar Parets im Federseeried dar.

2022 wurde auf dem Darß in Mecklenburg-Vorpommern ein mittelalterlicher Einbaum gefunden.

Mesolithikum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neolithikum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bronzezeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eisenzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Römische Kaiserzeit/Völkerwanderungszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühmittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spätmittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unbekannte Zeitstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Moderne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Kontext des UNESCO-WeltkulturerbesPrähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ findet einmal im Jahr in einem der Seen im Voralpenland eine Einbaum-Regatta statt.[23]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Béat Arnold: Pirogues monoxyles d’Europe centrale, construction, typologie, évolution (= Archéologie neuchâteloise. 20–21, ISSN 1662-1972). 2 Bände. Musée cantonal d’archéologie, Neuchâtel 1995–1996.
  • Renée Enevold: Pollenanalytisk undersøgelse af vegetations- og fjordudvikling omkring fund af stammebåd ved Lystrup Enge (= Konserverings- og Naturvidenskabelig Afdeling. Nummer 5). Moesgård Museum, Aarhus 2005, (dänisch, Digitalisat).
  • Basil Greenhill: Archaeology of the Boat. A New Introductory Study. Black, London 1976, ISBN 0-7136-1645-8.
  • Christian Hirte: Zur Archäologie monoxyler Wasserfahrzeuge im nördlichen Mitteleuropa. Eine Studie zur Repräsentativität der Quellen in chorologischer, chronologischer und konzeptioneller Hinsicht. Kiel 1987, (Kiel, Christian-Albrechts-Universität, Dissertation, 1993).
  • Emil Hoffmann: Lexikon der Steinzeit (= Beck’sche Reihe. 1325). C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-42125-3.
  • Eric Kentley: Schiffe: Die faszinierende Geschichte der Schiffahrt. Vom Einbaum zum Containerschiff. Aus dem Englischen von Margot Wilhelmi. Gerstenberg, Hildesheim 2007, ISBN 978-3-8369-4556-1.
  • Sean McGrail: Logboats of England and Wales with comparative material from European and other countries (= BAR. British Series. 51 = National Maritime Museum, Greenwich. Archaeological Series. 2). 2 Bände. British Archaeological Reports, Oxford 1978, ISBN 0-86054-026-X.
  • Sean McGrail: The Ship. Raft, Boats and Ships. From Prehistoric Times to the Medieval Era (= The Ship. 1). Her Majesty’s Stationery Office, London 1981, ISBN 0-11-290312-6.
  • Waldemar Ossowski: Some results of the study of longboats in Poland. In: Jerzy Litwin (Hrsg.): Down the river to the sea. Proceedings of the eighth International Symposium on Boat and Ship Archaeology, Gdańsk 1997. Polish Maritime Museum, Danzig 2000, ISBN 83-909987-5-0, S. 59–66.
  • Oscar Paret: Die Einbäume im Federseeried und im übrigen Europa. In: Praehistorische Zeitschrift. Band 21, 1930, S. 76–116, doi:10.1515/prhz.1930.21.1-2.76.
  • Sila Sokulu, Bo Ejstrud: Stockbåtar i Sverige – typologi och datering. In: Fornvännen. Band 109, Nummer 1, ISSN 0015-7813, 2014, S. 34–48.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Einbaum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Einbaum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Emil Hoffmann: Lexikon der Steinzeit. München 1999, S. 395.
  2. Peter Breunig: The 8000-year-old dugout canoe from Dufuna (NE Nigeria). In: Gilbert Pwiti, Robert Soper (Hrsg.): Aspects of African archaeology. Papers from the 10th congress of the Pan African association for prehistory and related studies. University of Zimbabwe publications, Harare 1996, ISBN 0-908307-55-1, S. 461–468.
  3. Maria Antonietta Fugazzola Delpino, Mario Mineo: La piroga neolitica del lago di bracciano („La Marmotta 1“). in: Bullettino di Paletnologia Italiana. Nuova Serie, Band 4 = Band 86, 1995, S. 197–266.
  4. Seite über prähistorische Fischerei (Memento vom 23. November 2010 im Internet Archive).
  5. Lystrup I 6110 ± 100.
  6. Radomir Tichy: Monoxylon Expeditions 1995 and 1998. Facts about the oldest Sea Navigation. In: Experimentelle Archäologie in Europa. Bilanz. Heft 1, 2002, ZDB-ID 2108386-1, S. 189–197.
  7. Zusammenfassender Bericht der Monoxylon-Expeditionen (tschechisch/ englisch/ französisch) (Memento vom 18. Dezember 2009 im Internet Archive).
  8. a b Einbäume aus Zürcher Gewässern (Memento vom 1. Februar 2012 im Internet Archive) (PDF; 88 kB).
  9. Badische Zeitung: Ur-Boot-Bergung: Einbaum beschäftigt Forscher am Bodensee – Baden-Württemberg - Badische Zeitung. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. März 2021; abgerufen am 31. März 2021.
  10. Süddeutsche Zeitung: Ur-Boot-Bergung: Einbaum beschäftigt Forscher am Bodensee. Abgerufen am 31. März 2021.
  11. Bodensee: Experten beginnen Bergung von 4000 Jahre altem Boot. In: Der Spiegel. Abgerufen am 31. März 2021.
  12. Tobias Pflederer: Ein „vergessener“ Einbaum im Starnberger See. In: Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie. Band 5, 1999, S. 68.
  13. Tobias Pflederer: Ein Einbaum der Latènezeit aus dem Starnberger See. In: Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie. Band 9, 2002, S. 17–19.
  14. Christian Stradal, Cyril Dworsky: Zwei Einbaumfunde aus dem Klopeiner See /Kärnten. In: Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie. Band 9, 2002, S. 10–12.
  15. Einbaumgalerie Downloadseite (Scrollen bis Langbürgner See).
  16. Tobias Pflederer: Einbäume des Chiemsees. In: Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie. Band 11/12, 2005, S. 37–44.
  17. Tobias Pflederer: Einbäume des Chiemsees. Gemeinden Prien a. Chiemsee und Breitbrunn a. Chiemsee, Landkreis Rosenheim, Oberbayern. In: Das archäologische Jahr in Bayern. 2004 (2005), S. 151–154.
  18. Béat Arnold: Pirogues monoxyles d’Europe centrale, construction, typologie, évolution. Band 2. Neuchâtel 1996, S. 79–80; 85–86.
  19. Rosemarie Leineweber: Entdeckt in Magazinen, Akten und Gewässern: Einbäume in Sachsen-Anhalt. In: Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie. Band 15, 2009, S. 83–92.
  20. Beat Eberschweiler: Ein erodierter Einbaum in der Seeufersiedlung Feldmeilen-Vorderfeld. In: Plattform. Band 4, 1995, ISSN 0942-685X, S. 65.
  21. Einbaum beschäftigt die Forscher am Bodensee. In: faz.net (dpa). 31. März 2021, abgerufen am 26. Januar 2024.
  22. Ur-Boot im Bodensee wird geborgen. In: zeit.de. 31. März 2021, abgerufen am 1. April 2021.
  23. Oliver Nelle: Das deutsche gemischte Team Kanuclub Konstanz-Palafetz Hemmenhofen gewinnt die diesjährige Einbaumregatta. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege. Band 52, Nummer 4, 2023, S. 307–308, doi:10.11588/nbdpfbw.2023.4.