Entscheidungstheorie

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Die Entscheidungstheorie ist in der angewandten Wahrscheinlichkeitstheorie ein Zweig zur Evaluation der Konsequenzen von Entscheidungen. Die Entscheidungstheorie wird vielfach als betriebswirtschaftliches Instrument benutzt. Zwei bekannte Methoden sind die einfache Nutzwertanalyse (NWA) und der präzisere Analytic Hierarchy Process (AHP). In diesen Methoden werden Kriterien und Alternativen dargestellt, verglichen und bewertet, um die optimale Lösung einer Entscheidung oder Problemstellung finden zu können.

Teilgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt in der Entscheidungstheorie eine Unterscheidung in drei Teilgebiete:

  1. Die normative Entscheidungstheorie basiert auf der Rational-Choice-Theorie und normativen Modellen. Grundlegend hierfür sind Axiome (zum Beispiel Axiom der Rationalität des Entscheiders), welche die Menschen bei der Entscheidung beachten sollten. Durch die axiomatische Herangehensweise lassen sich logisch konsistente Ergebnisse herleiten. ⇒(Wie soll entschieden werden?)
  2. Die präskriptive Entscheidungstheorie versucht, Strategien und Methoden herzuleiten, die Menschen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, indem sie normative Modelle verwendet. Gleichzeitig werden die begrenzten kognitiven Fähigkeiten des Menschen untersucht. Des Weiteren werden insbesondere Probleme behandelt, die bei der Implementierung rationaler Entscheidungsmodelle auftreten.
  3. Die deskriptive Entscheidungstheorie untersucht dagegen empirisch die Frage, wie Entscheidungen in der Realität tatsächlich getroffen werden. ⇒(Wie wird entschieden?)

Die praktische Anwendung der präskriptiven Entscheidungstheorie wird Entscheidungsanalyse genannt. Hierbei werden Methoden und Software entwickelt, die Menschen bei der Entscheidungsfindung unterstützen sollen. Insbesondere Gesetzgebung und Gesetzesauslegung müssen sich oft an verschiedenen, miteinander konkurrierenden Zielen und Interessen orientieren und zwischen diesen einen Kompromiss anstreben, „der als gerecht erscheint und mit dieser Bedingung den Nutzen optimiert“. Entscheidungsanalysen sollen hierbei „die Vielfalt der Faktoren sichtbar … machen, die in zweckorientierten Entscheidungen eine Rolle spielen. Das erleichtert es, über Zielkonflikte rational zu diskutieren und jene Entscheidungsalternative zu finden, die diese Ziele in optimaler Weise und in optimalem Maße verwirklicht.“[1]

Das Grundmodell der (normativen) Entscheidungstheorie kann man in einer Ergebnismatrix darstellen. Hierin enthalten sind das Entscheidungsfeld und das Zielsystem. Das Entscheidungsfeld umfasst:

  • Aktionsraum: Menge möglicher Handlungsalternativen
  • Zustandsraum: Menge möglicher Umweltzustände
  • Zielraum: Menge der Zieldimensionen
  • Zeitraum: Menge der zukünftigen Zeitpunkte
  • Ergebnisfunktion: Zuordnung eines Wertes für die Kombination von entweder Aktion und Zustand, Aktion und Ziel oder Aktion und Zeitpunkt.

Sicherheit und Unsicherheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oft ist der wahre Umweltzustand nicht bekannt. Hier spricht man von Unsicherheit. Den Gegensatz bildet eine Situation der Sicherheit, in der der Umweltzustand bekannt ist. Es lässt sich folgende Gliederung vornehmen:

  • Entscheidung unter Sicherheit: Die eintretende Situation ist bekannt. (Deterministisches Entscheidungsmodell)
  • Entscheidung unter Unsicherheit: Es ist nicht mit Sicherheit bekannt, welche Umweltsituation eintritt, man unterscheidet dabei weiter in:
    • Entscheidung unter Risiko: Die Wahrscheinlichkeit für die möglicherweise eintretenden Umweltsituationen ist bekannt. (Stochastisches Entscheidungsmodell)
    • Entscheidung unter Ungewissheit: Man kennt zwar die möglicherweise eintretenden Umweltsituationen, allerdings nicht deren Eintrittswahrscheinlichkeiten.
Bei einer Entscheidung unter Risiko können über alle möglichen Konsequenzen jeder einzelnen Entscheidung Erwartungswerte errechnet werden, während das bei einer Entscheidung unter Ungewissheit nicht möglich ist bzw. das Prinzip vom unzureichenden Grund (Indifferenzprinzip) angewendet wird, welches jeder Option die gleiche Wahrscheinlichkeit zuordnet. Auf der Basis derartiger Wahrscheinlichkeitsbewertungen kann auch unter Ungewissheit eine Bestimmung des Erwartungswertes vorgenommen werden.

Der (ein- oder mehrstufige) Entscheidungsprozess mitsamt den verschiedenen Konsequenzen lässt sich grafisch als Entscheidungsbaum darstellen.

Entscheidungs- und Spieltheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grenzen zwischen Entscheidungs- und Spieltheorie sind fließend. Entscheidungen bei Risiko und unter Ungewissheit werden als Spiele gegen die Natur bezeichnet. Spiele bei einem bewusst handelnden Gegenspieler werden der Spieltheorie zugerechnet.

Gemeinsame Entscheidungen einer Gruppe von Individuen sind Inhalt der Sozialwahltheorie.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erwin Amann: Entscheidungstheorie. Individuelle, strategische und kollektive Entscheidungen. Springer Spektrum Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-24514-6.
  • Anderson, Sweeney, Williams: An Introduction to Management Science. 7. Auflage. West Publishing, Minneapolis et al. 1994, ISBN 0-314-02479-4, Kapitel 14.
  • Günter Bamberg, Adolf G. Coenenberg: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. 16. Auflage. Verlag Vahlen, München 2019, ISBN 978-3-8006-5884-8.
  • Michael Bitz: Entscheidungstheorie. Vahlen, München 1981, ISBN 3-8006-0789-1.
  • Elisabeth Göbel: Entscheidungstheorie. Studienausgabe. UTB, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-8252-8731-3.
  • Helmut Jungermann, Hans-Rüdiger Pfister, Katrin Fischer: Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung. 3. Auflage. Spektrum, Berlin / Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2386-3.
  • Egbert Kahle: Betriebliche Entscheidungen. 6. Auflage. Oldenbourg, München/Wien 2001, ISBN 3-486-25633-5 (Standardlehrbuch).
  • Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes: Entscheidungstheorie. 10. Auflage. Springer Gabler, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-57817-9.
  • Roswitha Meyer: Entscheidungstheorie. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Gabler, Wiesbaden 1999, ISBN 3-409-12249-4.
  • David Müller: Investitionscontrolling: Entscheidungsfindung bei Investitionen II: Entscheidungstheorie. 3. Aufl. Springer Gabler, Berlin u. a. 2022, ISBN 3-658-36596-X.
  • Michael Resnik: Choices: An Introduction to Decision Theory. Minneapolis / London 1987.
  • Christoph Schneeweiß: Planung 1. Springer, Berlin 1991, ISBN 3-540-54000-8.
  • F. P. Springer: Zur Behandlung von Entscheidungen unter Ungewissheit. In: Der Betrieb, 1974, Heft 6, S. 249–251.
  • F. P. Springer: The Evaluation of Uncertainty in Engineering Calculations by the Use of Non-Distributional Methods. Society of Petroleum Engineers of AIME Paper 4817, Dallas 1974

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Reinhold Zippelius: Juristische Methodenlehre. 11. Auflage. § 10 V