Erdgaskraftwerk Emsland

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Erdgaskraftwerk Emsland
Erdgaskraftwerk Emsland: Rechts Block B und C, links der dazugehörige Kühlturm
Erdgaskraftwerk Emsland: Rechts Block B und C, links der dazugehörige Kühlturm
Erdgaskraftwerk Emsland: Rechts Block B und C, links der dazugehörige Kühlturm
Lage
Erdgaskraftwerk Emsland (Niedersachsen)
Erdgaskraftwerk Emsland (Niedersachsen)
Koordinaten 52° 28′ 51″ N, 7° 18′ 21″ OKoordinaten: 52° 28′ 51″ N, 7° 18′ 21″ O
Land Deutschland Deutschland
Ort Lingen (Ems)
Gewässer Dortmund-Ems-Kanal
Daten
Typ Block A: Gasturbinenkraftwerk
Block B: Erdgaskraftwerk mit Vorschaltgasturbine
Block C: Erdgaskraftwerk mit Vorschaltgasturbine
Block D: Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk
Primärenergie Fossile Energie
Brennstoff Erdgas
Leistung 1837 Megawatt
Eigentümer RWE
Betreiber RWE Generation SE
Betriebsaufnahme Block A: 1972
Block B: 1974
Block C: 1975
Block D: 2010
Website RWE
Stand 2020
Luftbild des Kraftwerkstandorts (2018)
Luftbild des Kraftwerkstandorts (2018)

Luftbild des Kraftwerkstandorts (2018)

Block D (August 2010)
Block D (August 2010)

Block D (August 2010)

f2

Das Erdgaskraftwerk Emsland ist ein Kraftwerkskomplex der RWE Generation (ehemals VEW) am Standort Lingen (Ems). Die Anlage besteht aus mehreren Blöcken, die mit verschiedenen Technologien aus Erdgas Strom erzeugen, vornehmlich für den Mittel- und Spitzenlast-Bereich. Weiterhin lieferte die Anlage Ferndampf insbesondere für die ehem. Firma Dralon (vormals Faserwerke Lingen, Betrieb 2022 eingestellt).

Die Anlage liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zwischen dem den stillgelegten Kernkraftwerken Lingen und Emsland, ist aber anlagentechnisch nicht mit diesen verbunden. 2016 stiegen die Betriebszeiten des Kraftwerkes verglichen mit den Vorjahren deutlich an. Ursache hierfür sind neben ausgeführten technischen Verbesserungen insbesondere die gefallenen Erdgaspreise.[1]

Blöcke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Block Brenn-
stoff
Brutto-
leistung
Netto-
leistung
Prozesswärme-
leistung
Netto-
wirkungsgrad
Inbetrieb-
nahme
Abschal-
tung
A Erdgas 50 MW 1972 1985
B Erdgas 488 MW 475 MW 37 MW 46 % 1974
C Erdgas 488 MW 475 MW 37 MW 46 % 1975
D Erdgas 902 MW 887 MW 50 MW 59,2 % 2010

Quelle: Bundesnetzagentur[2]

Block A: Gasturbinenkraftwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Block A ist stillgelegt. Es handelte sich um ein Gasturbinenkraftwerk, ehemals mit einer Gasturbine Siemens V93.0 mit 50 MWel Leistung.

Block B und C: Erdgas-Kombiblöcke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erdgas-Kombiblöcke B und C bildeten das eigentliche Erdgaskraftwerk Lingen und lieferten jeweils eine Bruttoleistung von 427 MW (Nettoleistung 410 MW) zur Abdeckung von Mittel- und Spitzenlast. Darüber hinaus konnte aus beiden Blöcken eine Leistung von 74 MWth in Form von Prozessdampf ausgekoppelt werden. Eine Besonderheit ist dabei der Kombinationsprozess, bei dem eine Gasturbine dem Dampferzeuger vorgeschaltet ist: Die etwa 430 °C heißen Abgase der Gasturbine mit einem Volumenanteil von circa 17 % Restsauerstoff strömen in einen nachgeschalteten erdgasgefeuerten Turmkessel (1-Druck mit , Frischdampf 535 °C / 185 bar / 1150 t/h, Fabrikat Steinmüller). Jeder Kessel speist eine Dampfturbine (365 MWelFabrikat BBC). Die Wärme der von der Gasturbine dem Kessel zugeführten Verbrennungsluft wird zusätzlich noch als Nutzwärme im Dampferzeuger genutzt und ein Wirkungsgrad von 42 % erzielt. Diese Technik wurde von Klaus Knizia (Vorstandsvorsitzender der VEW von 1975 bis 1992) forciert und von 1972 bis 1974 in den Erdgaskraftwerken Emsland und Gersteinwerk umgesetzt.

Zu den Blöcken gehört ein Naturzug-Nasskühlturm, der an den Dortmund-Ems-Kanal angebunden ist. Die Anlage wurde von der Kraftwerk Union als Generalunternehmer errichtet und ging 1974/1975 in Betrieb.

2011 wurden die bestehenden 55 MW Gasturbinen (Siemens V93.0) durch jeweils zwei neue Gasturbinen vom Typ Rolls-Royce Power Systems Trent 60 ersetzt,[3] wodurch die Leistung auf jeweils 475 MW und der Wirkungsgrad auf 46 % erhöht werden konnte. Die Turbinen können bei einem Stromausfall auch durch Dieselaggregate gestartet werden. Damit gewährleisten sie Schwarzstartfähigkeit.

Block D: GuD-Kombikraftwerk mit Erdgasspeicher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 7. September 2010 ging der neue Block D, ein Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk mit einer Gesamtleistung von 887 MW, kommerziell in Betrieb. Der Block besteht aus zwei Gasturbinen (Fabrikat Alstom GT26, 288 MW), deren Abgase werden jeweils einem Abhitzedampferzeuger zugeführt. Der so erzeugte Dampf wird einer gemeinsamen Dampfturbine (326 MW) zugeführt; diese Schaltung ermöglicht einen Wirkungsgrad von 59,2 %. Auch aus diesem Block kann dank Kraft-Wärme-Kopplung stündlich bis zu 100 Tonnen Prozessdampf ausgekoppelt werden. Das heißt: Ein Teil des Dampfes wird von der Dampfturbine abgezweigt und einem Industriekunden zur Verfügung gestellt.

Zur Abfuhr der physikalisch bedingten Abwärme, die sich technisch nicht mehr nutzen lässt, wurde ein 123 m hoher Kühlturm errichtet. Ebenfalls zum Kraftwerk gehört ein Erdgas-Röhrenspeicher.

Auf Grund der starken Verwerfungen auf dem Energiemarkt musste zur wirtschaftlichen Optimierung die Schnellstartfähigkeit des Block D durch Anlagenumbau und einer Betriebsleittechnikanpassung verbessert werden. Nunmehr können die Gasturbinen innerhalb von nur 45 Minuten ihre volle Leistung von 540 MW zur Verfügung stellen und garantieren damit Versorgungs- und Netzsicherheit.

Batteriespeicher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Kraftwerksgelände befindet sich seit 2023 ein Batterie-Speicherkraftwerk. Der Speicher aus Lithium-Ionen-Akkumulatoren hat eine installierte Leistung von 45 MW und 49 MWh Speicherkapazität. Das Speichersystem stellt Regelleistung bereit und wird am Energiemarkt eingesetzt. Durch virtuelle Kopplung mit RWE-Laufwasserkraftwerken an der Mosel wird der Betrieb optimiert:[4] Durch das Hoch- bzw. Herunterregeln der Durchflussmenge an diesen Anlagen kann RWE zusätzliche Leistung als Regelenergie bereitstellen und die Gesamtleistung der Batterien steigern. Die Systemtechnik zur Integration und optimalen Steuerung der Be- und Entladung der Batterien liefert SMA Solar Technology. Es kommen mehrere Batterie-Wechselrichter des Typs Sunny Central Storage UP 3450 zum Einsatz.[5] Die Anlage wurde im Beisein von Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer eingeweiht.

Zukunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Standort spielt für RWE sowohl für die Stromerzeugung als auch die Wasserstoffherstellung auch in Zukunft eine wichtige Rolle.

Elektrolyse-Testanlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Gelände des Gaskraftwerks errichtet RWE Generation eine Elektrolyse-Testanlage und erhält dafür vom Land Niedersachsen finanzielle Fördermittel in Höhe von 8 Mio. Euro. In der Versuchsanlage werden zwei Elektrolyse-Technologien unter industriellen Bedingungen erprobt. Der 2010 gegründete Hersteller Sunfire aus Dresden installiert einen Druck-Alkali-Elektrolyseur mit einer Kapazität von zehn Megawatt. Parallel dazu errichtet der Industriegaskonzern Linde einen vier Megawatt Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur. Der Versuchsbetrieb ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt, mit der Option auf ein weiteres Jahr. Mithilfe von Grünstrom können pro Stunde bis zu 290 Kilogramm grüner Wasserstoff erzeugt werden.[6]

In einer Testanlage mit einer Leistung von 250 kW von Sunfire werden mittels Hochtemperaturelektrolyse in einer Festoxid-Elektrolyseurzelle täglich rund 170 kg Wasserstoff erzeugt. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 11,63 Mio. Euro geförderte Projekt erprobt, wie Wasserstoff sicher und zuverlässig durch Pipelines transportiert und gespeichert werden kann.[7]

Initiative GET H2[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Rahmen der geförderten Initiative GET H2 plant RWE Generation die Errichtung von insgesamt 300 Megawatt Elektrolyseurleistung am Kraftwerksstandort. Das Vorhaben ist ein Important Project of Common European Interest. Im Januar 2023 hat RWE bei Linde zwei Protonen-Austauschmembran-Elektrolyseure mit je 100 Megawatt Leistung bestellt, die 2024 in Betrieb gehen sollen.[8] Im August 2023 erhielt die Nukleus Green H2 GmbH & Co. KG, ein Tochterunternehmen von RWE, vom Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg die Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz für den Bau und Betrieb der beiden Elektrolyseure mit einer Produktionskapazität an Wasserstoff von 35.000 Tonnen pro Jahr.[9]

Wasserstoffturbine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemeinsam mit Kawasaki Heavy Industries plant RWE Generation in Lingen die Errichtung einer wasserstoffbetriebenen Gasturbine. Mit ihr soll die Rückverstromung von Wasserstoff erprobt werden, indem die Turbine Wasserstoff in industriellem Maßstab in Strom umwandelt. Die Anlage mit einer Leistung von 34 Megawatt könnte Mitte 2024 in Betrieb gehen.[10]

Netzanschluss[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vorschaltturbinen der Blöcke B und C speisen auf der 110-kV-Hochspannungsebene in das Verteilnetz der Westnetz ein. In das Übertragungsnetz von Amprion speisen die Dampfturbinen der Blöcke B und C auf der 220-kV-Höchstspannungsebene sowie der Block D auf der 380-kV-Höchstspannungebene ein. Der Netzanschluss erfolgt auf allen drei Spannungsebenen über die Schaltanlage in Hanekenfähr.[2]

Umspannanlage Hanekenfähr
Block Netto-Nennleistung Spannungsebene Netzbetreiber
B1 116 MW 110 kV Westnetz
B2 359 MW 220 kV Amprion
C1 116 MW 110 kV Westnetz
C2 359 MW 220 kV Amprion
D 887 MW 380 kV Amprion

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stilllegung des Kernkraftwerks: Erste Anträge. In: Neue Osnabrücker Zeitung, 25. August 2016. Abgerufen am 7. September 2016.
  2. a b Kraftwerksliste. Bundesnetzagentur, 11. November 2019, abgerufen am 11. Dezember 2019.
  3. Gasturbinen in Lingen liefern jetzt Energie. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 22. Oktober 2011, abgerufen am 24. Januar 2020.
  4. RWE stellt Megabatterie in Lingen und Werne fertig. RWE, 9. Januar 2023, abgerufen am 11. Februar 2024.
  5. RWE setzt beim Bau eines der größten und innovativsten Speicherkraftwerke Deutschlands auf Technologie von SMA. RWE, 22. November 2021, abgerufen am 11. Februar 2024.
  6. RWE erhält Förderzusage für 14 Megawatt Elektrolyse-Testanlage in Lingen – Baustart für Juni geplant. RWE, 3. Mai 2022, abgerufen am 25. April 2023.
  7. 250-Kilowatt-Elektrolyse erzeugt ersten Wasserstoff in Lingen. RWE, 27. September 2023, abgerufen am 11. Februar 2024.
  8. RWE bestellt bei Linde zwei 100-Megawatt-Elektrolyse-Anlagen für GET H2 in Lingen. RWE, 31. Januar 2023, abgerufen am 25. April 2023.
  9. Bekanntmachung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Wasserstofferzeugungsanlage. (PDF) Gewerbeaufsichtsverwaltung Niedersachsen, 18. August 2023, abgerufen am 7. September 2023.
  10. Armin Scheuermann: RWE und Kawasaki wollen erste wasserstofffähige Gasturbine in Lingen installieren. In: chemietechnik.de. Hüthig GmbH, 10. Dezember 2021, abgerufen am 25. April 2023.