Erna Lauenburger

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Erna Lauenburger, genannt Unku (* 4. März 1920 in Berlin-Reinickendorf; † zwischen dem 23. März und dem 15. April 1944 im Zigeunerlager Auschwitz) war eine deutsche Sintiza, die als Vorbild für die Unku in Alex Weddings Buch Ede und Unku diente. Unku oder auch Unko ist ihr Sinti-Name.

Leben, Familie, Tod im KZ Auschwitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Berlin war Erna Lauenburger Ende der 1920er Jahre mit Grete Weiskopf befreundet.[1] Weiskopf verfasste mit dieser Freundschaft im Hintergrund den 1931 im Malik-Verlag erschienenen Roman Ede und Unku.[2] Die Fotos zum Buch, die die reale Familie Erna Lauenburgers zeigen, stammen von John Heartfield.[3] Teile der im Roman verarbeiteten Erlebnisse, etwa das Verstecken eines streikenden Arbeiters bei Lauenburgers Familie vor der Polizei, geben tatsächliche Ereignisse wieder.[1]

1932 wurde Erna Lauenburger von der evangelischen Stadtmission in Berlin getauft.[4]

Mit ihrer Familie zog Erna Lauenburger in den 1930er Jahren nach Magdeburg um. Aus der Magdeburger Zeit lassen sich aufgrund erhaltener Akten die zunehmende rassistische Repression und ihre Deportation mit einigen Details belegen.

Sie war nicht-standesamtlich verheiratet mit Otto Schmidt, geboren am 13. Februar 1918 in Luckenwalde.[5] Ihr Mann, mit dem sie zusammen im Zigeunerlager Magdeburg Holzweg lebte, wurde am 13. Juni 1938 im Rahmen der Inhaftierungswelle der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert. Die „Anordnung der polizeilichen Vorbeugehaft“ vom 13. Juni 1938 ist in seiner Magdeburger „Zigeunerpersonalakte“ ZP 232 erhalten.[6] In dem Lager lebten weitere enge Verwandte von Erna, so ihre Mutter und Großmutter.[7]

Beider Tochter Marie wurde am 25. August 1938 geboren. Am 12. April 1939 wurde die 19-jährige Mutter von der Kriminalpolizei vorgeladen, vernommen und erkennungsdienstlich registriert.[8]

Otto Schmidt wurde am 20. November 1942 im KZ Buchenwald nach Fleckfieberversuchen des Robert Koch-Instituts vom Lagerarzt Waldemar Hoven durch eine Injektion getötet,[9] nachdem er als einer von vier Häftlingen der unbehandelten, infizierten Kontrollgruppe die Fleckfieberinfektion überlebt hatte.[10]

Nachdem ein Festsetzungserlass vom 17. Oktober 1939 vorsah, „Sammellager für Zigeuner“ zur Vorbereitung der Abtransporte in Konzentrationslager einzurichten, wurde Erna Lauenburger neben vielen anderen Sinti genötigt, ein Schriftstück zu unterschreiben, mit dem ihr verboten wurde, den Wohnort zu verlassen. Bei einem Verstoß gegen die Auflage drohte die Einweisung in ein Konzentrationslager. Eine Robert Ritters Unterschrift tragende „Gutachterliche Äußerung“, die sie als „Zigeuner-Mischling (+)“ einstuft, ist auf den 14. Juli 1941 datiert.[11]

Das zweite Kind, Bärbel Lauenburger, wurde am 24. September 1942 geboren.

Die im sogenannten Zigeunerlager Magdeburg Holzweg lebenden 160 Sinti, darunter 125 Kinder, wurden am 1. März 1943 festgenommen und in das „Zigeunerlager Auschwitz“ deportiert. Erna Lauenburger erhielt die Häftlingsnummer Z 633, ihre Tochter Marie Z 635 und Bärbel Z 634.[12] Ihre Mutter und Großmutter trugen die kurz zuvor vergebenen Häftlingsnummern Z 623 und Z 622,[13] was dafür spricht, dass sie auch aus dem Magdeburger Lager deportiert wurden. Wenige Tage vor der Deportation hatten Ritter und Eva Justin das Lager besucht, um die Deportationsunterlagen zu ergänzen.[14]

Bereits in den 1960er Jahren hatten dem DDR-Bürgerrechtler und Journalisten Reimar Gilsenbach mehrere Überlebende berichtet, dass Unku den Tod ihrer erstgeborenen Tochter Marie nicht verkraftet hatte und daraufhin ermordet wurde. Die Geschehnisse dokumentierte Reimar Gilsenbach nach Gesprächen mit Überlebenden in einigen seiner Veröffentlichungen. Auch im 2009 entstandenen Film Was mit Unku geschah – Das kurze Leben der Erna Lauenburger wird Unkus Lebensgeschichte thematisiert.

Das genaue Todesdatum ist nur von Bärbel Lauenburger belegt, nicht aber von Marie und Erna Lauenburger. Nach neuesten Erkenntnissen liegt es zwischen dem 23. März 1944 und dem 15. April 1944.[15] Der Nachfahre Janko Lauenberger und die Journalistin Juliane Wedemeyer stießen bei der Arbeit für ihr Buch Ede und Unku – die wahre Geschichte im Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz auf Dokumente, die belegen, dass Unku am 23. März 1944 noch an einer Fleckfieberblutuntersuchung teilgenommen hat.[16] Die überlebenden Zeitzeugen für ihren Tod wurden am 15. April 1944 aus Auschwitz abtransportiert.[17] Das Buch Ede und Unku – die wahre Geschichte, das 2018 im Gütersloher Verlagshaus erschien, rekonstruiert und erzählt Unkus Schicksal und das ihrer Familie. Lauenberger ist der Enkel Kaulas (bürgerlich: Helene Ansin, geb. Steinbach), der ebenfalls im Kinderbuch Ede und Unku erwähnten Cousine Unkus. Lauenbergers Großvater ist der von Gilsenach interviewte Zeitzeuge für Unkus Zeit im Konzentrationslager Auschwitz und ihres Todes. In Lauenbergers Familie gab es weitere Zeitzeugen.

Ehrung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 27. Januar 2011 wurde in Berlin-Friedrichshain ein Weg als Ede-und-Unku-Weg zur Erinnerung an Erna Lauenburger und Grete Weiskopf alias Alex Wedding benannt.[2]

Hinweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erna Lauenburger wird auch in Frieda Zeller-Plinzners Jesus im Zigeunerlager (Neumünster 1934) genannt.[18]
  • Erna Lauenburgers Magdeburger „Zigeunerpersonalakte“ ZP 420 ist erhalten.[19]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Steffi Kaltenborn: Lauenburger, Erna, genannt Unku (auch Unko). In: Eva Labouvie (Hrsg.): Frauen in Sachsen-Anhalt, Band 2: Ein biographisch-bibliographisches Lexikon vom 19. Jahrhundert bis 1945. Böhlau, Köln u. a. 2019, ISBN 978-3-412-51145-6, S. 264–266.
  • Janko Lauenberger, Juliane von Wedemeyer: Ede und Unku – die wahre Geschichte. Das Schicksal einer Sinti-Familie von der Weimarer Republik bis heute. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018, ISBN 978-3-579-08694-1.
  • Gabriele Wittstock: Unku – Das Schicksal einer jungen Sintezza. In: Unerwünscht verfolgt ermordet. Ausgrenzung und Terror während der nationalsozialistischen Diktatur in Magdeburg 1933–1945. Magdeburger Museen, Magdeburg 2008, ISBN 978-3-930030-93-4.
  • Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau in Zusammenarbeit mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg: Gedenkbuch: Die Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz Birkenau. Saur-Verlag, München u. a. 1993, ISBN 3-598-11162-2.

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 178.
  2. a b Gedenken an „Ede und Unku“ von Alex Wedding und den sinto-deutschen Boxmeister Johann Rukeli Trollmann. Pressemitteilung der Stadt Berlin Nr. 3/2011 vom 6. Januar 2011.
  3. Reimar Gilsenbach, Wolfgang Ayaß, Ursula Körber, Klaus Scherer u. a.: Feinderklärung und Prävention. Kriminalbiologie, Zigeunerforschung und Asozialenpolitik. (Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Band 6), Rotbuch, Westberlin 1988, ISBN 3-88022-955-4, S. 110.
  4. Susanne Blumesberger, Ernst Seibert (2007): Alex Wedding (1905–1966) und die proletarische Kinder- und Jugendliteratur. Praesens Verlag Sniplet
  5. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 186, 189.
  6. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 189: Foto des Dokumentes; auch Otto Schmidt war nicht vorbestraft.
  7. Neben den zeitnah vergebenen Häftlingsnummern des Zigeunerlagers Auschwitz (siehe Gedenkbuch, Hauptbuch Frauen, S. 41), die eine gleichzeitige Deportation belegen, spricht hierfür, dass ihre Mutter in Erna Lauenburgers Magdeburger Polizeiakte im Erfassungsbogen vom 9. Mai 1939 als Zeugin für die Identifikation angegeben wird (siehe: Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 187, 195.) Gilsenbach nennt die Verwandtschaftsverhältnisse.
  8. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993. Bei Gilsenbach abgebildet: Erfassungsbogen vom 9. Mai 1939, mit Vermerk einer „Zigeunerbescheinigung v. Berlin“ und Eintrag des „Zigeunerlager in Magdeburg, Holzweg“ als Wohnort S. 186 f., Gutachtliche Äußerung Nr. 2543 vom 14. Juli 1941, S. 188.
  9. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 192: Foto der Todesmeldung (Telegramm des KZ Buchenwald an Magdeburger Polizei) mit falscher Todesursache und der Mitteilung, dass Almar Schmidt, die Mutter des Toten, die ebenfalls im Magdeburger Zigeunerlager lebte, die Asche binnen 4 Wochen abholen könne. Blatt 54 seiner Magdeburger Akte ZP 232.
  10. Annette Hinz-Wessels 2011, S. 13.
  11. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 188.
  12. Gedenkbuch, Hauptbuch Frauen, S. 41, bei keiner ist ein Todesdatum im Hauptbuch vermerkt.
  13. Gedenkbuch, Hauptbuch Frauen, S. 41, Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 195. Gilsenbach nennt die Verwandtschaftsverhältnisse.
  14. Reimar Gilsenbach, Wolfgang Ayaß, Ursula Körber, Klaus Scherer u. a.: Feinderklärung und Prävention. Kriminalbiologie, Zigeunerforschung und Asozialenpolitik. (Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Band 6), Rotbuch, Westberlin 1988, ISBN 3-88022-955-4, S. 110.
  15. Janko Lauenberger, Juliane Wedemeyer: Ede und Unku – die wahre Geschichte. Gütersloher Verlagshaus 2018, ISBN 978-3-579-08694-1, S. 164, 229, 230.
  16. Archiv der Gedenkstätte und des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau: Abteilung III Hauptbücher des Zigeunerlagers, Abteilung V Schreiben und Liste zur Laborsendung vom 23. März 1944- 16062/3b
  17. ITS-Archiv Bad Arolsen: Ansin, Kurt: Überstellung nach Buchenwald 2839-235; Korrespondenz Akte Pauline Weiß, 209/204
  18. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993, S. 172.
  19. Reimar Gilsenbach: Django, Oh sing deinen Zorn. Berlin 1993. Bei Gilsenbach abgebildet: Deckblatt, S. 180, ED-Foto, S. 181, Foto, S. 182, Foto von Otto Schmidt, S. 181, Fingerabdrücke, S. 184, Strafregisterauzug (nicht vorbestraft), S. 185, Erfassungsbogen vom 9. Mai 1939, mit Vermerk einer „Zigeunerbescheinigung v. Berlin“ und Eintrag des „Zigeunerlager in Magdeburg, Holzweg“ als Wohnort S. 186 f., Gutachterliche Äußerung Nr. 2543 vom 14. Juli 1941, S. 188.