Ernst von Wolzogen

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Ernst von Wolzogen
Ernst Freiherr von Wolzogen (1898). Radierung von Johann Lindner
Ernst von Wolzogen und seine Gattin Elsa Laura in ihrer Berliner Wohnung, 1905. Foto von Zander & Labisch.

Ernst Freiherr von Wolzogen (* 23. April 1855 in Breslau; † 30. Juli 1934 in Puppling bei Wolfratshausen) war ein Schriftsteller, Verlagslektor und Gründer eines der ersten literarischen Kabarette in Deutschland.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernst von Wolzogen stammte aus niederösterreichischem Adel und wurde von einer englischen Gouvernante erzogen. Seine Eltern waren der Theaterintendant Alfred von Wolzogen (1823–1883) und dessen zweite Ehefrau Florenz Harriet Anne Houssemayne Du Boulay (* 7. Juli 1830).

Er studierte deutsche Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte in Straßburg und Leipzig. Danach war er Vorleser des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach. 1882 siedelte er nach Berlin über, wo er zunächst Verlagslektor und dann freier Schriftsteller wurde. 1891/92 war er mit Martin Greif und Hermann Heiberg Mitglied im Vorstand des Vereins für Bücherfreunde.

Von 1892 bis 1899 lebte er in München, wo er die Freie Literarische Gesellschaft gründete und Mitglied der Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau wurde. Für seinen Roman Das Dritte Geschlecht (1899) dienten ihm die Münchner Bohème und Frauenbewegung als Vorbild,[1] u. a. gelten die mit Wolzogen befreundeten Frauenrechtlerinnen Fanny zu Reventlow und Sophia Goudstikker als Vorbilder der Protagonistinnen.[2] Der satirisch-bissige Schlüsselroman wurde ein Bestseller[3] und popularisierte so die 1898 von Elsa Asenijeff geprägte Bezeichnung Drittes Geschlecht[4] für Personen, die sich traditionellen Geschlechterrollen verweigern.

Nachdem er nach Berlin zurückgekehrt war, rief Wolzogen 1901 mit dem Überbrettl das erste deutsche Kabarett ins Leben. Die Idee dazu entnahm er aus dem Roman Stilpe des mit ihm befreundeten Otto Julius Bierbaum.[5] Der Name des Kabaretts war allerdings eventuell als ironische Anspielung auf Friedrich Nietzsches Begriff des „Übermenschen“ gedacht und brachte Wolzogen den Namen „Brettl-Baron“ ein. Sein Projekt der Kleinkunstbühne musste er nach anfänglichen großen Erfolgen auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten 1902 beenden. 1905 zog er nach Darmstadt. Nach einem erneuten Versuch, in Berlin eine Theaterbühne zu gründen, ging er 1918 schließlich nach Bayern und ließ sich in Puppling bei Wolfratshausen nieder.

Bereits im Roman Der Erzketzer (1910) zeichnete sich Wolzogens Hinwendung zu völkischen und antisemitischen Auffassungen ab.[6] Als Gegner der Weimarer Republik schrieb er ab 1921 antidemokratische Kabarettverse.[7] Im November 1932 publizierte er im Völkischen Beobachter einen Wahlaufruf für Hitler, in dem Hitler als „Der Kandidat der deutschen Geisteswelt“ bezeichnet wurde.[7]

Wolzogen starb am 30. Juli 1934 im Alter von 79 Jahren in Puppling. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Kalbsrieth.

Ernst von Wolzogen war seit 1902 mit der Sängerin Elsa Laura von Wolzogen verheiratet und Vater des Filmproduzenten und Regisseurs Hans von Wolzogen (1888–1954). Seine Tochter Sigrid wurde Mutter des Filmregisseurs Wolfgang Becker.

Künstlerisches Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Schriftsteller verfasste Wolzogen vor allem sozialkritische Romane; seine Autobiographie Wie ich mich ums Leben brachte ist nicht nur stark konservativ gefärbt, sondern auch deutlich antisemitisch.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden seine Schriften Mein Vortragsbuch (1922) und Wie ich mich ums Leben brachte (1923) sowie in der Deutschen Demokratischen Republik Wenn die alten Türme stürzen (1925) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[8][9]

Werke (in Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Romane und Erzählungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Kinder der Excellenz, Roman. Engelhorn, Stuttgart 1888 (Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek)
  • Die tolle Komteß, Roman, 1890
  • Die kühle Blonde. Berliner Sittenbild in zwei Bänden. Engelhorn, Stuttgart 1891 (Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek)
  • Erlebtes Erlauschtes Erlogenes. Berlin 1892
  • Der Thronfolger. Roman in zwei Bänden. Engelhorn, Stuttgart 1892. 152 S. (Engelhorns Allgem. Romanbibliothek, Salon – Ausgabe Nr. 3)
  • Das gute Krokodil und andere Geschichten aus Italien, 1893
  • Die Entgleisten. Eine Katastrophe in sieben Tagen nebst einem Vorabend, 1894
  • Die Erbschleicherinnen, Roman in zwei Bänden, 1895
  • Ecce ego – erst komme ich! Roman 1896
  • Die Gloriahose. ’s Meikatel und der Sexack. Zwei Geschichten, 1897
  • Der Kraft-Mayr. Ein humoristischer Musikanten-Roman. 1897 (1935 mit Paul Hörbiger verfilmt unter dem Titel Wenn die Musik nicht wär’)
    • Der Kraft-Mayr. Ein humoristischer Musikanten-Roman. (Um Franz Liszt). Singer, Berlin 1933. 399 S.
    • Der Kraft-Mayr. Ein humoristischer Musikanten-Roman. (Um Franz Liszt). Juncker, Berlin 1940. 399 S.
  • Geschichten von lieben süßen Mädeln, Novellen, 1898
  • Das dritte Geschlecht. Roman, 1899
    • Das dritte Geschlecht. Roman. Weichert, Berlin 1930. 320 S.
  • Ein königliches Weib. Und andere Geschichten vom Münchener Fasching, 1900
  • Die arme Sünderin, Roman in zwei Bänden, 1902
  • Vom Peperl und andern Raritäten, 1902
  • Was Onkel Oskar mit seiner Schwiegermutter in Amerika passierte, 1904
  • Aus Schnurrpfeifers Lügensack. 10 Märlein für gescheite Kinder, 1908
  • Die Großherzogin a. D. Roman. 1908
    • Die Großherzogin a. D. Roman. Engelhorn, Stuttgart 1922
    • Die Großherzogin a. D. Roman. Kulturelle Verlags-Gesellschaft, Berlin-Wilmersdorf, 1935. 288 S.
    • Die Großherzogin a. D. Roman. Peter Oestergaard, Berlin-Schöneberg, 1938, 288 S.
  • Der Bibelhase. Eine Begebenheit aus der Fridericianischen Zeit, Roman, 1908
  • Der Erzketzer. Ein Roman vom Leiden des Wahrhaftigen. F. Fontane & Co, Berlin, 1910
    • Der Erzketzer. Ein Roman vom Leiden des Wahrhaftigen. (Neue Auflage). G. Westermann, Braunschweig, Hamburg 1924. 490 S.
  • Mein erstes Abenteuer und andere Novellen, 1910
  • Leidige Schönheit, Roman, 1910
  • Das Kaisermanöver und andere Erzählungen, 1911
  • Der Dichter in Dollarica. Blumen-, Frucht- und Dornenstücke aus dem Märchenlande der unbedingten Gegenwart. 1912 (Digitalisat)
  • Der Lebensretter und andere Erzählungen, 1912
    • Der Lebensretter und andere Erzählungen, 1921
  • Die Feuertaufe, 1912
  • Der Herr in hohen Stiefeln und andere Humoresken. 1913
    • Der Herr in hohen Stiefeln und andere Humoresken. Hillger, Berlin, Leipzig, 1931. 111 S. (Kürschners Bücherschatz. Neue Ausgabe, Nr. 135a)
  • Peter Karn. Leben, Lieben und Leiden eines deutschen Musikanten. Roman. 1914
    • Peter Karn. Leben, Lieben und Leiden eines deutschen Musikanten. Roman. Kulturelle Verlags-Gesellschaft, Berlin 1935. 315 S.
  • Das Kuckucksei und andere lustige Geschichten, 1914
  • Landsturm im Feuer, 1915 (Ullstein-Kriegsbücher)
  • Das Mädchen mit den Schwänen, drei Geschichten, 1916
  • Die verdammte Liebe, Roman, 1919
    • Die verdammte Liebe. Roman. Neue Ausgabe. 4. – 6. Tsd. Sonnemann-Verlag, Halle (Saale) 1926. 345 S.
  • Das gut alt teutsch Schwankbuch. Das ist: artige Mären und lose Schwänklein...Verlag der Freunde, Wolfenbüttel 1922
  • Sem – der Mitbürger. Roman. Brunnen-Verlag, Berlin 1924. 255 S. (Reihe: Neue deutsche Romane)
  • Wenn die alten Türme stürzen. Roman. Eysler, Berlin 1925. 303 S. (Digitalisat)
    • Wenn die alten Türme stürzen. Roman. Neuthor-Verlag, Michelstadt 1996. 246 S.
  • Das Schlachtfeld der Heilande. Roman. Frundsberg-Verlag, Magdeburg 1926. 308 S.
  • Norddeutsche Geschichten. G. Westermann, Braunschweig & Hamburg 1926. 291 S.
  • Der Topf der Danaiden. Geschichte aus der deutschen Bohême. Hillger, Berlin, Leipzig 1927. 127 S. (Kürschners Bücherschatz, Nr. 6)
    • Der Topf der Danaiden. Geschichte aus der deutschen Bohême. Hillger, Berlin, Leipzig 1929. 127 S. (Kürschners Bücherschatz. Neue Ausgabe, Nr. 30)

Lyrisches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Er photographirt!, Eine nervöse Geschichte in Versen, 1890
  • Verse zu meinem Leben, 1907

Theaterstücke und Musikstücke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Lumpengesindel. Tragikomödie in drei Aufzügen. Fontane, Berlin 1892, VI, 80 S.
  • Die Kinder der Excellenz, Lustspiel, 1893
  • Daniela Weert, 1894
  • Feuersnot. Ein Singgedicht, Musik von Richard Strauss, 1901
  • Die Maibraut. Ein Weihespiel in 3 Handlungen, 1909
  • Eine fürstliche Maulschelle, Spiel in 5 Aktussen, 1912
  • König Karl, Trauerspiel, 1914
  • Daniel in der Löwengrube, burleske Oper, Musik von Amélie Nikisch, 1914
  • Weibchen, Lustspiel, 1915
  • Die Peitsche, Schauspiel, 1918
  • Der Weg des Kreuzes. Dramatisches Gedicht in sechs Bildern. Sonnemann – Verlag, Halle (Saale) 1926
    • Der weg des Kreuzes: Dritter Tag: Fausti Himmelfahrt oder Der deutsche Teufel. Die zur Handlung gehörige Musik vom Verfasser. Sonnemann – Verlag, Halle (Saale) 1926. 114 S. (auch Digitalisierte Ausgabe)
  • Der deutsche Teufel. Dramatisches Gedicht. Eher, München 1933. 104 S.

Autobiographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wie ich mich ums Leben brachte. Erinnerungen und Erfahrungen. G. Westermann, Braunschweig & Hamburg 1922. 327 S.

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilkie Collins. Ein biographisch-kritischer Versuch, 1885 (Digitalisat)
  • George Eliot, 1885
  • Ansichten und Aussichten. Gesammelte Studien über Musik, Literatur und Theater, 1908
  • Dr Porphyrius Dermenjoglus merkwürdige Klinik, 1910
  • Harte Worte, die gesagt werden müssen, 1919
  • Engländer, 1920
  • Offenes Sendschreiben an den christlichen Adel deutscher Nation, 1920
  • Mein Vortragsbuch. Ernste und heitere Vortragsstücke. Universal-Verlag, München / Leipzig 1922
  • Großmeister deutscher Musik: Bach – Mozart – Beethoven – Weber – Wagner. Bosse, Regensburg 1924
  • Sagen der Edda, 1929

Herausgebertätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans von Schweinichen: Eigene Lebensbeschreibung, 1885
  • Lauensteiner Hexameron oder Die Geschichten der sechs Knasterbärte von hüben und drüben. Verlag der Freunde, Wolfenbüttel 1924, 151 S.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pergival Pollard: Entente cordiale between art and music hall. How some poets decided that popular tunes should have poetic words. Hence the „Cabaret“ and other festive things. In: New York Times. 30. August 1908.
  • Amelia von Ende: A representative „young german“. Ernst Freiherr von Wolzogen. Novelist, Playwright, and Musician. In: New York Times 7. Januar 1911.
  • O. H. Brandt: Ernst von Wolzogen. In: Die schöne Literatur. 29, H. 10, Oktober 1928, ZDB-ID 215988-0, S. 465–474 [mit ausführlicher Bibliographie, zusammengest. v. Ernst Metelmann].
  • Stephan Kohler: Der Vater des „Überbrettl“. Ernst von Wolzogen im Briefwechsel mit Richard Strauss. In: Jahrbuch der Bayerischen Staatsoper. 3, 1979/80, ISSN 0938-4952, S. 100–120 [der Briefwechsel betrifft vor allem Wolzogens Libretto für Strauss’ Oper „Feuersnot“, deren Neuinszenierung am 11. Juli 1980 am Münchener Nationaltheater aufgeführt wurde].
  • Angela Gudrun Schmitt: Ernst von Wolzogen als Theatermacher. München – Berlin. Vom naturalistisch-orientierten Experimentiertheater zur literarischen Kleinkunstbühne. Magisterarbeit am Institut für Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1984 (Gutachter: Dieter Borchmeyer), [Bisher die einzige wissenschaftliche Monographie, die zudem Wolzogens zentrale künstlerische Intention heraushebt. Mit ausführlicher Bibliographie und einer Rarität im Anhang: der handschriftlichen „Hausordnung für das ‚Bunte Theater‘“ mit den Unterschriften sämtlicher Ensemblemitglieder].
  • Ernst von Wolzogen: Humor und Naturalismus. (1890). In: Manfred Brauneck, Christine Müller (Hrsg.): Naturalismus. Metzler, Stuttgart 1987, S. 403–407 (Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1880–1900).
  • Theodor Lessing: Rez. E. v. Wolzogen: „Der Kraftmayr“ (Göttinger Zeitung, 17. November 1906). In: Theodor Lessing: Nachtkritiken. Kleine Schriften 1906–1907. Herausgegeben von Rainer Marwedel. Wallstein, Göttingen 2005, S. 71–l75 [pointierte, wichtige Kritik des Wolzogen’schen Bestsellers].
  • Frank Eberhardt: Das „Bunte Theater“ in der Köpenicker Straße. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 8, 2000, ISSN 0944-5560, S. 49–58 (luise-berlin.de).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Ernst von Wolzogen – Quellen und Volltexte
Commons: Ernst von Wolzogen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Waldemar Fromm, Schwabinger Boheme. In: Historisches Lexikon Bayerns (23. Dezember 2021), abgerufen am 30. August 2022.
  2. Helene Stöcker: Lebenserinnerungen. Die unvollendete Autobiographie einer frauenbewegten Pazifistin, hrsg. von Reinhold Lütgemeier-Davin und Kerstin Wolff. Boehlau Verlag, Köln 2015, S. 84.
  3. Ute Gerhard, Christina Klausmann und Ulla Wischermann, Frauenfreundschaften – ihre Bedeutung für Politik und Kultur der alten Frauenbewegung, in: Feministische Studien, 11. Jg., 1993, H. 1, S. 25; Online, abgerufen am 30. August 2022.
  4. Elsa Asenijeff, Aufruhr der Weiber und das Dritte Geschlecht. Wilhelm Friedrich Verlag, Leipzig, 1898. In: Austrian Literature Online, abgerufen am 30. August 2022.
  5. Hans-Joachim Böttcher: Otto Julius Bierbaum - Ein Poetenleben voller Ruhm und Tragik. Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2022, ISBN 978-3-944487-94-6, S. 103,127,134.
  6. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen (Hrsg.), Wolzogen, Ernst Ludwig von, abgerufen am 30. August 2022.
  7. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 675.
  8. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, abgerufen am 15. Dezember 2012.
  9. Buchstabe W, Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben vom Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik. Dritter Nachtrag nach dem Stand vom 1. April 1952 (Berlin: VEB Deutscher Zentralverlag, 1953). In: www.polunbi.de.