Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage

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ECMWF-Gebäude in Reading
  • Mitglieder
  • Zusammenarbeit (Stand 2016)
  • Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW, englisch European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) ist ein unabhängiges internationales Forschungsinstitut und ein Wetterdienst für globale numerische Wettervorhersagen und Klimatologie.[1]

    Übersicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Das EZMW wurde 1975 im Rahmen der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie (COST) gegründet.[2] Die 23 Mitgliedstaaten bilden zusammen das Leitungsorgan, den Rat des EZMW: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Luxemburg, Norwegen, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowenien, Spanien, Türkei und Vereinigtes Königreich.[3]

    Zudem unterhält das EZMW Kooperationsabkommen mit Bulgarien, Georgien, Israel, Lettland, Litauen, Marokko, Montenegro, Nordmazedonien, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn.[3]

    ECMWF-Gebäude in Bonn

    Der Hauptsitz liegt in Reading.[1] In Folge des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs wird bis zum Sommer 2021 ein neuer Standort in Bonn aufgebaut.[4] Vom neuen Standort sollen die Aufgaben ausgeführt werden, die das EZMW im Rahmen des EU-Erdbeobachtungsprogramms „Copernicus“ übernimmt.[5]

    Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die wichtigsten Ziele des Zentrums sind (Art. 2 des Übereinkommens):

    • die Entwicklung dynamischer Modelle der Atmosphäre zur Erarbeitung mittelfristiger Wettervorhersagen mit Hilfe numerischer Methoden
    • die regelmäßige Erstellung der für die Erarbeitung mittelfristiger Wettervorhersagen notwendigen Daten
    • wissenschaftliche und technische Forschung zur Verbesserung der Qualität dieser Vorhersagen
    • die Sammlung und Archivierung zweckdienlicher meteorologischer Daten

    Zur wichtigsten Aufgabe gehört die Berechnung von zwei Mal täglichen mittelfristigen globalen Wettervorhersagen auf Basis physikalischer Modelle. Die deterministischen Prognosen des IFS-Modells (Integrated Forcasting System, math. Modell und Software des EZMW) werden für 10 Tage im Voraus berechnet.[6] Die Modellauflösung liegt zurzeit bei ca. 9 km.[7] Darüber hinaus hat das Zentrum als eine der ersten Organisationen im Jahr 1992 Ensembleberechnungen eingeführt.[8] Durch die mehrfache Berechnung des Vorhersagemodells mit leicht veränderten Anfangsbedingungen können so Aussagen über die Eintreff-Wahrscheinlichkeit getroffen werden. Das atmosphärische Ensemblemodell des ECMWF rechnet zurzeit bis 15 Tage im Voraus.

    Weitere wichtige Rechenmodelle des Zentrums sind das ECMWF Monthly Forecasting system,[9] das EUROSIP multi-model seasonal forecasting system[10] und die globalen atmosphärischen Reanalysen (wie z. B. ERA-Interim global atmospheric reanalysis[11][12] oder ERA5[13]), sowie die beiden ozeanographischen Produkte System 3 Ocean Analysis,[14] das auch für die saisonelle Vorhersage verwendet wird,[15] und WAM (Wave Model)[16] für die Dünungs-Simulation.

    Generaldirektoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Supercomputer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Fortschritte bei der numerischen Wettervorhersage sind eng mit dem Fortschritt beim Supercomputer verbunden. Im Laufe der Jahre hat die größere Rechenleistung es ermöglicht, bessere Wetterprognosen zu erstellen.

    Seit Mitte 2016 läuft in der Phase 1 eine Cray XC30, die eine Rechenleistung von 3.593 TeraFLOPS hat. Sie besteht aus 7.010 Intel-Prozessoren des Typs E5-2697v2 „Ivy Bridge“ (12 Kerne, 2,7 GHz) und wird nachgerüstet mit 3610 Intel Xeon EP E5-2695 V4 „Broadwell“ (18 Kerne, 2,1 GHz) und erreicht dann 8.499 TeraFLOPS.[21] Die ECMWF-Modelle liefen davor seit 2006 auf einem dualen IBM-Cluster (155 p5-575+) mit etwa 5.000 Skalar-CPUs bei 38 TFLOPS, der im Rechenzentrum Shinfield Park in Reading läuft.[22] Davor war eine Cray 1A, dann eine Fujitsu VPP 700, eine VPP 5000 und seit 2002 zwei IBM Cluster 1600 in Betrieb.

    Für den nächste Rechner, einen Bull Sequana mit AMD-Prozessoren, ist ab 2020/21 ein separater Standort außerhalb von Reading im italienischen Bologna vorgesehen.[23][24]

    Bekannte Forschungsergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Durch Auswertung von Daten des Zentrums entdeckten Yong Zhu und Reginald E. Newell vom Massachusetts Institute of Technology 1998 die atmosphärischen Flüsse, die für den Transport von ca. 90 Prozent der Feuchtigkeit aus den Äquatorialregionen in die mittleren Breiten verantwortlich sind.[25] Diese Entdeckung ist auch die Grundlage für das Arkstorm-Szenario der United States Geological Survey.[26]

    Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    • Austin Woods: Medium-Range Weather Prediction: The European Approach. The Story of the European Centre for Medium-Range Weather Forecasts. Springer, New York 2006, ISBN 0-387-26928-2.

    Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    1. a b Who we are. 28. November 2013, abgerufen am 2. Februar 2021 (englisch).
    2. History. 30. Dezember 2013, abgerufen am 2. Februar 2021 (englisch).
    3. a b Member States. 27. Dezember 2013, abgerufen am 17. Februar 2022 (englisch).
    4. Reading, Bologna, and now Bonn. 27. Januar 2021, abgerufen am 2. Februar 2021 (englisch).
    5. BMVI - Bonn neuer Standort für europäische Wetterbehörde. Abgerufen am 2. Februar 2021.
    6. IFS Documentation (Memento vom 31. Mai 2012 im Internet Archive)
    7. New forecast model cycle brings highest-ever resolution. ECMWF, 10. März 2016, abgerufen am 6. Mai 2018 (englisch).
    8. Ensemble Prediction System (Memento vom 21. Oktober 2011 im Internet Archive)
    9. The ECMWF Monthly Forecasting System: Documentation (Memento vom 24. Oktober 2008 im Internet Archive)
    10. The EUROSIP multi-model seasonal forecasting system (Memento vom 1. August 2012 im Webarchiv archive.today).
    11. ERA-Interim Projekt
    12. Dee et al.: The ERA-Interim reanalysis: configuration and performance of the data assimilation system. In: Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society Part A. Band 137, Nr. 656, S. 553–597, April 2011, doi:10.1002/qj.828.
    13. Hersbach, H., Bell, B., Berrisford, P., Hirahara, S., Horányi, A., Muñoz-Sabater, J., Nicolas, J., Peubey, C., Radu, R., Schepers, D., Simmons, A., Soci, C., Abdalla, S., Abellan, X., Balsamo, G., Bechtold, P., Biavati, G., Bidlot, J., Bonavita, M., De Chiara, G., Dahlgren, P., Dee, D., Diamantakis, M., Dragani, R., Flemming, J., Forbes, R., Fuentes, M., Geer, A., Haimberger, L., Healy, S., Hogan, R. J., Hólm, E. A., Janisková, M., Keeley, S., Laloyaux, P., Lopez, P., Radnoti, G., Rosnay, P. D., Rozum, I., Vamborg, F., Villaume, S., Thépaut, J.-N.: The ERA5 global reanalysis. Q J R Meteorol Soc, doi:10.1002/qj.3803, 2020.
    14. Ocean Analysis Documentation (Memento vom 7. Januar 2013 im Internet Archive)
    15. Seasonal Forecast User Guide (System 3) (Memento vom 29. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
    16. Ocean waves at ECMWF. (PDF; 1 MB) ECMWF, abgerufen am 14. Juni 2018 (englisch).
    17. https://www.emetsoc.org/awards/award/david-burridge/
    18. https://www.emetsoc.org/people/person/dominique-marbouty/
    19. https://www.wavestoweather.de/guest/alan-thorpe/index.html
    20. https://www.ecmwf.int/en/about/media-centre/news/2015/ecmwf-appoints-new-director-general
    21. Supercomputer. ECMWF, 2013, abgerufen am 14. Juni 2018 (englisch).
    22. ECMWF Supercomputer History (Memento vom 16. April 2009 im Internet Archive)
    23. ECMWF’s new data centre to be located in Bologna, Italy, by 2019. Abgerufen am 6. Oktober 2017 (englisch).
    24. José Andrés Pérez León: HPC2020 – ECMWF’s new High-Performance Computing Facility. 22. April 2020, abgerufen am 26. April 2020 (englisch).
    25. Yong Zhu, Reginald E. Newell: A Proposed Algorithm for Moisture Fluxes from Atmospheric Rivers. In: Monthly Weather Review. Band 126, März 1998, S. 725–735, doi:10.1175/1520-0493(1998)126<0725:APAFMF>2.0.CO;2 (freier Volltext).
    26. Zusammenfassung des ArkStorm-Szenarios des U.S. Geological Survey aus: Keith Porter, Anne Wein, Charles Alpers, Allan Baez, Patrick Barnard, James Carter, Alessandra Corsi, James Costner, Dale Cox, Tapash Das, Michael Dettinger, James Done, Charles Eadie, Marcia Eymann, Justin Ferris, Prasad Gunturi, Mimi Hughes, Robert Jarrett, Laurie Johnson, Hanh Dam Le-Griffin, David Mitchell, Suzette Morman, Paul Neiman, Anna Olsen, Suzanne Perry, Geoffrey Plumlee, Martin Ralph, David Reynolds, Adam Rose, Kathleen Schaefer, Julie Serakos, William Siembieda, Jonathan Stock, David Strong, Ian Sue Wing, Alex Tang, Pete Thomas, Ken Topping, unter der Leitung von Chris Wills und Lucile Jones; Projektmanager Dale Cox (201) Overview of the ARkStorm scenario: U.S. Geological Survey Open-File Report 2010-1312, 183 Seiten zuzüglich Anhängen

    Koordinaten: 51° 25′ 10,4″ N, 0° 57′ 2,8″ W