Fürstenberg (Oder)

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Panorama von Fürstenberg, seit 1961 Ortsteil von Eisenhüttenstadt, im Jahr 2009
Stadtwappen

Fürstenberg (niedersorbisch Pśibrjog, poln. Przybrzeg[1]) ist ein Stadtteil von Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Die im 13. Jahrhundert gegründete Ortschaft war bis 1961 eine eigenständige Kleinstadt und wurde am 13. November 1961 in die 1953 neu gegründete Stadt Stalinstadt eingemeindet. Die vereinigte Stadt erhielt den Namen Eisenhüttenstadt. Am 31. Dezember 2016 hatte Fürstenberg 4862 Einwohner.[2]

Fürstenberg konnte seinen historischen Altstadtkern mit vielen Baudenkmalen weitgehend bewahren und stellt damit eine Besonderheit unter den Städten an der Oder dar.

Geographische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fürstenberg liegt im Norden der Niederlausitz am Westufer der Oder an der Einmündung des Oder-Spree-Kanals, etwa 25 Kilometer südlich von Frankfurt an der Oder.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marktplatz und Rathaus, 1952
Anteilschein der Dampfer-Genossenschaft Deutscher Strom- und Binnenschiffer eGmbH aus Fürstenberg
Das ehemalige Rathaus in Fürstenberg

Fürstenberg wurde im Zuge der Ostkolonisation um 1250 durch den Wettiner Markgrafen Heinrich der Erlauchte gegründet. Jahrhundertelang befand sich das Landstädtchen im Besitz und unter der Herrschaft des Zisterzienserstifts Neuzelle. Am 18. Dezember 1286 wurde es zum ersten Mal urkundlich als Zollstelle und im Jahr 1293 als civitas Vurstenberg erwähnt.[3] Im frühen 15. Jahrhundert wurde die heutige Nikolaikirche errichtet.

Die im 14. Jahrhundert[4] erbaute Nikolaikirche

Die industrielle Entwicklung begann, als 1846 Fürstenberg durch den Bau der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn einen Bahnhof erhielt. 1864 gründete der Fürstenberger Kaufmann Th. F. Berndt und der Bergwerksexperte F. Neumann die erste Glashütte im Ort, für die Glasarbeiter aus Böhmen angeworben wurden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Unternehmen in Volkseigentum überführt. Es produzierte bis 1952, zuletzt als VEB Glaswerk Fürstenberg/O., Beleuchtungs- und Wirtschaftsglas.   

1873 gründete die Berliner Maklervereinsbank die Niederlausitzer Glashütte, die aber bereits 1876 liquidiert wurde.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Fürstenberg eine evangelische Kirche aus dem 14. Jahrhundert, eine katholische Kapelle und war Sitz eines Amtsgerichts.[4] 1919 wurde die Oderbrücke eröffnet.

Im Jahr 1880 wurde eine Anilinfabrik an der Buchwaldstraße errichtet, die bis 1915 bestand. Im Jahr 1891 wurde der Oder-Spree-Kanal eröffnet. Der Höhenunterschied zur Oder wurde mit einer dreistufigen Schleusentreppe überwunden. Um größere Kähne schleusen zu können, wurde die Schleusentreppe im Jahr 1925 durch eine Zwillingsschachtschleuse ersetzt.

Die Schifffahrt war im Weiteren für die Stadtentwicklung bestimmend. Es gab eine Reihe von Häfen und Geschäften und Gasthäuser, um die Schiffer zu versorgen. Von Fürstenberg aus wurden die von Schlesien antriebslos auf der Oder treibenden, vor allem mit Steinkohle beladenen Zillen von einem Schleppdampfer übernommen und über den Kanal nach Berlin geschleppt.

Im April 1936 ist die Reichssegelflugbauschule 2 in eine ehemalige Korbwarenfabrik umgezogen und hat in der Umgebung einige Segelflugplätze betrieben. Der Flugbetrieb wurde aber bereits wieder 1940 wegen der Ansiedlung von DEGUSSA eingestellt. Nach dem Krieg beherbergten die Gebäude die Erweiterte Oberschule Clara Zetkin, in der unter anderem Tamara Bunke und Rudolf Bahro lernten.

Um 1939 wurde mit der Errichtung einiger Rüstungsbetriebe, unter anderem einer kriegsbedingt aus Berlin ausgelagerten Waffenfabrik des Rheinmetall-Borsig-Konzerns, ein Zweigwerk von Focke-Wulf[5] und einer Degussa-Chemiefabrik begonnen. Nördlich der Stadt entstand ein Großkraftwerk. Die nötigen Arbeitskräfte kamen aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag III B. Zwischen 1940 und 1943 wurde am Oder-Spree-Kanal ein neuer Binnenhafen als „Umschlaghafen des Generalbauinspektors“ errichtet, der heutige Hafen Eisenhüttenstadt. Am Hafen wurden großformatige Granitblöcke für die geplante Welthauptstadt Germania eingelagert, die nach dem Krieg für das zentrale sowjetische Ehrenmal in Berlin und den Aufbau von Stalinstadt verwendet wurden.[6] Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Industrieanlagen im Rahmen von Reparationsleistungen demontiert.[7]

Gesprengte Oderbrücke, Rest auf polnischer Seite

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erreichte am Nachmittag des 4. Februar 1945 die sowjetische 33. Armee die Oderbrücke nach Kloppitz südlich des Ortes. Die Oderbrücke wurde vermutlich am 4. Februar 1945 um ca. 10:30 Uhr durch die Wehrmacht gesprengt, was aber die anschließende Eroberung der Stadt durch die Rote Armee nicht verhindern konnte. Der bei der Sprengung umgekommene Baupionier Justus Jürgensen wurde posthum mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet und namentlich in der Wochenschau am 5. März 1945 genannt.[8][9] Es gibt aber auch Zeitzeugen (Günter Soslarek), die sich dran erinnern können, dass die Brücke bereits am 3. Februar gesprengt worden sei.[10]

Nach Kriegsende wurde die Region östlich der Oder, die hier einen Teil der Oder-Neiße-Linie bildete, von der Sowjetunion 1945 gemäß dem Potsdamer Abkommen unter polnische Verwaltung gestellt, wodurch Fürstenberg geographisch zerteilt und zur Grenzstadt wurde. Die östlichen Teile des Stadtgebietes (im Wesentlichen der Ort Kloppitz, heute Kłopot) wurde unter polnische Verwaltung gestellt. Es wurde daraus eine kurzlebige Stadt namens Przybrzeg gebildet.[1] Die Oderbrücke wurde bis heute nicht wiederaufgebaut; am Ostufer sind noch Reste erhalten. Aufgrund der nur geringfügigen Schäden in der historischen Innenstadt besitzt Fürstenberg den am besten erhaltenen Altstadtkern am westlichen, nach 1945 bei Deutschland verbliebenen Oderufer.

1950 wechselte Fürstenberg vom aufgelösten Landkreis Guben in den neuen Landkreis Frankfurt (Oder). Zwei Jahre später wurde durch die Kreisreformen in der DDR aus Teilen des Landkreises Frankfurt der Kreis Fürstenberg gebildet. Ihre Selbständigkeit verlor die Stadt durch den Zusammenschluss mit Stalinstadt zu Eisenhüttenstadt im Jahre 1961. Dabei wurde die Stadt dem neuen Stadtkreis Eisenhüttenstadt zugeschlagen. Der Kreis Fürstenberg wurde daraufhin in Kreis Eisenhüttenstadt-Land umbenannt und existierte bis 1993. Sein Verwaltungssitz blieb bis dahin in Eisenhüttenstadt.

In der Königstraße 61 wurden durch den Künstler Gunter Demnig im Juli 2005 Stolpersteine für Emma und Siegfried Fellert verlegt.[11][12]

Demographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anzahl Einwohner bis zur Auflösung der städtischen Eigenständigkeit 1961
Jahr Einwohnerzahl Anmerkungen
1800 1370 in 252 Wohngebäuden[13]
1840 1873 in 299 Wohngebäuden[14]
1850 2080 in 298 Wohngebäuden[13]
1864 2693 in 330 Wohngebäuden[15]
1867 2724 am 3. Dezember[16]
1871 2753 am 1. Dezember, darunter 2651 Evangelische, 66 Katholiken, 36 Juden[16]
1875 3029 [17]
1880 3213 [17]
1890 4021 davon 429 Katholiken und 43 Juden[17]
1900 5735 meist Evangelische[4]
1910 6384 am 1. Dezember[18]
1925 7317 [17]
1933 7054 [17]
1939 6820 [17]
1950 ?
1960 ?

Eingemeindungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1944 und ein zweites Mal 1950 wurde das Dorf Schönfließ nach Fürstenberg eingemeindet.

Sehenswürdigkeiten und Baudenkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe: Liste der Baudenkmale in Fürstenberg (Oder)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heinrich Berghaus: Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafthums Nieder-Lausitz, Band 3, Brandenburg 1856, S. 540–543 (online).
  • Wilhelm Heinrich Riehl, J. Scheu (Hrsg.): Berlin und die Mark Brandenburg mit dem Markgrafthum Nieder-Lausitz in ihrer Geschichte und in ihrem gegenwärtigen Bestande. Scheu, Berlin 1861, S. 553–556 (Digitalisat) der Bayerischen Staatsbibliothek.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Fürstenberg (Oder) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Poznański Dziennik Wojewódzki – rok 1945, nr 12, poz. 88 (Seite 12).
  2. Gemeinde- und Ortsteilverzeichnis des Landes Brandenburg. Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB), abgerufen am 21. Juni 2020.
  3. museum-ehs. Abgerufen am 20. Februar 2021.
  4. a b c Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 7, Leipzig/Wien 1907, S. 220 (Zeno.org)
  5. Axel Drieschner, Barbara Schulz: Denkmal oder Altlast? Eine Kraftwerksruine in Eisenhüttenstadt erzählt von Rüstungswirtschaft, Zwangsarbeit und Krieg. In: kunsttexte e.V. (Hrsg.): kunsttexte.de. Nr. 2. Berlin 2002 (hu-berlin.de [PDF]).
  6. Eisenhüttenstadt vom Wasser. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. September 2017; abgerufen am 30. September 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tor-eisenhuettenstadt.de
  7. Arbeitsgruppe Eisenhüttenstadt (Hrsg.): Eisenhüttenstadt. „Erste sozialistische Stadt Deutschlands“. Berlin 1999.
  8. Joachim Schneider: Die Oder während der Kriegshandlungen im Frühjahr 1945, in Mitteilungen des Historischen Vereins zu Frankfurt (Oder) e.V., 2001, Heft 2, S. 12
  9. Lausitzer Landeszeitung vom 14. Februar 1945, die den Wehrmachtbericht vom 6. Februar zitiert.
  10. MOZ vom 13. März 2015
  11. Emma Fellert. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Februar 2014; abgerufen am 9. Dezember 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aktionsbuendnis-brandenburg.de
  12. Siegfried Fellert. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Februar 2014; abgerufen am 9. Dezember 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aktionsbuendnis-brandenburg.de
  13. a b Heinrich Berghaus: Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafthums Nieder-Lausitz, Band 3, Brandenburg 1856, S. 541 (online).
  14. Topographisch-statistische Uebersicht des Regierungs-Bezirks Frankfurt a. d. O. Gustav Harnecker’s Buchhandlung, Frankfurt a. O. 1844, S. 77, Nr. 1 (online).
  15. Topographisch-statistisches Handbuch des Regierungs-Bezirks Frankfurt a. O. Verlag von Gustav Harnecker u. Co., 1867, S. 85, Nr. 1 (online).
  16. a b Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preußischen Staats und ihre Bevölkerung. Teil II: Provinz Brandenburg, Berlin 1873, S. 184–185, Nr. 1 (online).
  17. a b c d e f Michael Rademacher: Guben. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  18. Gemeindeverzeichnis Deutschland 1900 – Königreich Preußen – Provinz Brandenburg, Regierungsbezirk Frankfurt, Landkreis Guben. 5. Januar 2020, abgerufen am 26. August 2020.

Koordinaten: 52° 9′ N, 14° 40′ O