Finanzausgleich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Finanzausgleich (englisch fiscal equalization, französisch péréquation financière) wird in der Finanzwissenschaft insbesondere bei föderalistisch organisierten Staaten ein Finanzsystem bezeichnet, das die Steuerverteilung und Umverteilung von Staatseinnahmen zwischen verschiedenen NUTS-Ebenen innerhalb eines Staates zur Finanzierung der für die öffentlichen Aufgaben entstandenen Staatsausgaben regelt.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etymologisch wurzelt der Begriff des Finanzausgleichs im seit 1867 gebräuchlichen Wort „Ausgleich“, das in Österreich-Ungarn als Bezeichnung für das umfassende Verhältnis der beiden Reichshälften zueinander gebräuchlich war.[1] Von Österreich aus ging der Begriff in den Sprachgebrauch der schweizerischen Staatsrechtslehre und Finanzverfassung über und wurde weiterentwickelt.[2] Dort war Ende des 19. Jahrhunderts der „Finanzausgleich“ die Auseinandersetzung zwischen dem schweizerischen Bund und den Kantonen, die eine finanzielle Entschädigung für die Inanspruchnahme für die verschiedenen Zwecke des Bundes durchsetzen wollten.[3] In der deutschen Fachliteratur wird der Finanzausgleich definiert als „die Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen auf die verschiedenen Ebenen des Staates“.[4]

Auch Einnahmen und Ausgaben von oder zwischen anderen Organisationen (Kirchen, Konzernen, Krankenkassen, Rundfunkanstalten) werden nach einem festgelegten Umlagesystem verteilt und oft als Finanzausgleich tituliert.

Arten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Finanzausgleich umfasst im weiteren Sinne nicht nur die Verteilung der Staatseinnahmen, sondern auch die Verteilung der öffentlichen Aufgaben.[5] Daraus ergibt sich folgende Einteilung:[6]

  • Passiver Finanzausgleich mit der Zuweisung öffentlicher Aufgaben an die einzelnen Staatsebenen, bei denen entsprechend die Staatsausgaben durch die Aufgabenerfüllung verursacht werden. Diese Ausgaben werden im aktiven Finanzausgleich durch die einer Steuerverteilung unterliegenden Staatseinnahmen gedeckt.
  • Der aktive Finanzausgleich betrifft die Verteilung und Umverteilung der Steuereinnahmen:

Diesen Arten ist gemeinsam, was verteilt werden soll (Aufgaben und Einnahmen).

Je nach Organisationsform wird unterschieden zwischen Trennsystem, Mischsystem und Zuweisungssystem:[8]

  • Trennsystem: Die einzelnen Aufgabenträger erhalten eine eigene Ertragshoheit, die zu höherer Eigenständigkeit der Gebietskörperschaften führt.[9]
    • Freies Trennsystem:[10] Jede Gebietskörperschaft erhebt eigene Steuern, was dazu führt, dass einzelne Steuerobjekte durch verschiedene Gebietskörperschaften mehrfach belastet werden können.
    • Beim gebundenen Trennsystem kann ein Steuerobjekt nur von einer Gebietskörperschaft belastet werden.
  • Mischsystem (Verbundsystem): Liegt vor, wenn verschiedenen Gebietskörperschaften gemeinsam erhobene Staatseinnahmen zufließen.
  • Zuweisungssystem: Die Staatseinnahmen fließen einer einzigen Ebene zu (meist dem Staat), welche einen Teil ihrer Einnahmen den übrigen Ebenen durch Zuweisungen zukommen lässt.[11]

Zudem gibt es innerhalb des vertikalen Finanzausgleichs noch den fiskalischen und redistributiven Finanzausgleich. Die fiskalische Funktion besteht darin, dass die Kommunen nicht alle Aufgaben der Daseinsvorsorge mit Kommunalabgaben finanzieren können, sondern auf den vertikalen Finanzausgleich „von oben nach unten“ angewiesen sind. Die redistributive Funktion besteht darin, dass die durch die Gewerbesteuer besonders „reichen“ Kommunen durch die Gewerbesteuerumlage einen Teil ihrer Gewerbesteuer „von unten nach oben“ abgeben müssen.[12]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim staatlichen Finanzausgleich gibt es unter anderem folgende Systeme:

Staat Verweis Staatsziel
Australien Australien Finanzausgleich (Australien) Steuerverteilung zwischen den Bundesstaaten
Belgien Belgien Finanzausgleich (Belgien) Steuerverteilung zwischen Regionen
Kanada Kanada Finanzausgleich (Kanada) Steuerverteilung zwischen Provinzen
Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Finanzausgleich (USA) Steuerverteilung zwischen Bundesstaaten
Europaische Union Europäische Union Europäischer Finanzausgleich nationaler Partialausgleich zwischen EU und EU-Mitgliedstaaten
Deutschland Deutschland Finanzausgleich (Deutschland) komplexe Steuerverteilung zwischen Bund (Bundessteuern), Ländern (Ländersteuern) und Gemeinden (Gemeindesteuern)
Osterreich Österreich Finanzausgleich (Österreich) Regelung der Aufteilung der Finanzmittel des Bundes auf die einzelnen Gebietskörperschaften
Schweiz Schweiz Finanzausgleich (Schweiz) Finanzausgleich zwischen Bund (direkte Bundessteuern), Kantonen (Kantonssteuern) und Gemeinden (Gemeindesteuern)
Frankreich Frankreich Finanzausgleich (Frankreich) Verteilung zwischen dem Staat, den Regionen und Gemeinden
Fachbezogene Beispiele
Nationaler Vollausgleich

Systeme für finanzielle Gleichverteilung:

Nationaler Partiellausgleich

Systeme, welche die Verteilungsungleichheit vermindern:

Wirtschaftliche Aspekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Staatsziele des Finanzausgleichs sind einerseits die Nivellierung regional unterschiedlicher Steuerkraft und andererseits die Internalisierung interregionaler externer Effekte.[13] Letzteres bedeutet, dass jedes Verwaltungshandeln in einer Gebietskörperschaft mehr oder weniger deutliche Übertragungseffekte (englisch spill-over) auf andere Gebietskörperschaften aussendet. Handelt es sich dabei um wohlfahrtsrelevante negative oder positive Externalitäten, so können diese über gezielte Finanztransfers internalisiert werden. Beispiel ist Hamburg, dessen Hamburger Hafen Vorteile für die ganze deutsche Wirtschaft ausstrahlt. Hierfür erhält Hamburg tatsächlich eine Kompensation aus dem Finanzausgleich.[14]

Ein idealer Finanzausgleich würde dafür sorgen, dass jede Ebene so viel Staatseinnahmen erhält (entweder durch eigene Ertragshoheit oder durch Finanzausgleich), dass sie einen Haushaltsausgleich erreichen kann. Dies wird in keinem der Beispiele verwirklicht.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Meyer, Die Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 74
  2. Michael Bach, Der kommunale Finanzausgleich als Existenzsicherung der Selbstverwaltungsgarantie, 2016, S. 146 f.
  3. Albert Hensel, Finanzausgleich im Bundesstaat in seiner staatsrechtlichen Bedeutung, 1922, S. 91
  4. Peter Michael Huber, Art. 107 GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 2018, Art. 107, Rn. 8; ISBN 978-3406712005
  5. Klaus Schubert (Hrsg.), Handwörterbuch des ökonomischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 2005, S. 154
  6. Springer Fachmedien Wiesbaden (Hrsg.), Kompakt-Lexikon Finanzwissenschaft, 2013, S. 64 f.
  7. Benjamin A. Rauber, Finanzierung zentralörtlicher Funktionen, 2012, S. 52
  8. Springer Fachmedien Wiesbaden (Hrsg.), Kompakt-Lexikon Wirtschaft, 2014, S. 196
  9. Alfred Boss, Wettbewerb der Regionen und Finanzverfassung: Prinzipien einer Reform des Finanzausgleichs in der Bundesrepublik Deutschland, in: Beihefte der Konjunkturpolitik H 41, 1993, S. 92
  10. Michael Hohlstein, Lexikon der Volkswirtschaft, 2009, S. 231
  11. Michael Hohlstein, Lexikon der Volkswirtschaft, 2009, S. 232
  12. Thomas Kuhn, Theorie des kommunalen Finanzausgleichs, 1995, S. 73
  13. Klaus Schubert (Hrsg.), Handwörterbuch des ökonomischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 2005, S. 155; ISBN 978-3810035882
  14. Klaus Schubert (Hrsg.), Handwörterbuch des ökonomischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 2005, S. 155