Friedrich Pützer

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Friedrich Pützer, 1905

Friedrich Pützer (* 25. Juli 1871 in Aachen; † 31. Januar 1922 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner, evangelischer Kirchenbaumeister, Denkmalpfleger und einflussreicher Hochschullehrer.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Pützer wurde im Juli 1871 als Sohn des Direktors der Städtischen Gewerbeschule, Regierungsrat Johann Mathias Joseph Pützer, und dessen Ehefrau Elisabeth Pützer geb. Zander in Aachen geboren. Er absolvierte die Realschule 1889 und studierte anschließend an der Technischen Hochschule Aachen bei Karl Henrici, einem Anhänger der neuen Städtebau-Lehre von Camillo Sitte. Das Studium schloss er 1894 ab. Von 1894 bis 1896 war er wissenschaftlicher Hilfslehrer an der Oberrealschule in Aachen. 1897 kam er – vermutlich auf Betreiben von Georg Wickop – nach Darmstadt, wo er zuerst als Assistent bei Karl Hofmann, Erwin Marx und Georg Wickop an der Technischen Hochschule Darmstadt tätig war. Bereits 1898 habilitierte er sich und wurde 1900 außerordentlicher Professor. 1902 wurde er an der Technischen Hochschule Darmstadt zum ordentlichen Professor für Städtebau, Kirchenbau, Perspektive und Stegreifentwurf berufen. Pützer gilt damit als Begründer des Darmstädter Städtebaulehrstuhls. Im selben Jahr übernahm er das Amt des Denkmalpflegers für die hessische Provinz Starkenburg. Er gehörte so auch dem ersten Denkmalrat an, der aufgrund des 1902 im Großherzogtum Hessen erlassenen neuen Denkmalschutzgesetzes, des ersten modernen Denkmalschutzgesetzes in Deutschland, zusammentrat.[1] 1908 folgte die Ernennung zum Kirchenbaumeister der Evangelischen Landeskirche in Hessen. Zu seinen Aufgaben gehörte die Begutachtung und Korrektur von Neubauplänen für evangelische Kirchen im Bereich der Landeskirche. Sein Assistent war Josef Rings.

1914 wurde Pützer in der Nachfolge von Georg Wickop Baureferent der Technischen Hochschule Darmstadt und gestaltete auf der Kölner Werkbundausstellung einen evangelischen Kirchenraum mit Taufbecken und Sakristei. Der Beginn des Ersten Weltkrieges verhinderte eine größere Bautätigkeit an der Hochschule, im Studienjahr 1918/1919 amtierte er als Rektor.

Leistungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pützer-Turm an der Hochschulstraße in Darmstadt

Pützer entwarf zahlreiche Neu- oder Umbauten von Kirchen im Rhein-Main-Gebiet. Besonders prägend war seine Tätigkeit in Darmstadt, wo er viele Spuren hinterließ, so zum Beispiel Teile des Hauptsitzes der Merck KGaA an der Frankfurter Straße, den Pützerturm in der Hochschulstraße oder den Bebauungsplan für das Villengebiet Paulusviertel in Darmstadt-Bessungen. Im Jahr 1900 erhielt er vom Magistrat der Stadt Darmstadt den Auftrag, für das Viertel zwischen Herdweg, Nieder Ramstädter Straße, Schießhaus- und Martinstraße (Herdweg-Viertel) einen Bebauungsplan aufzustellen. Bei seiner Planung orientierte Pützer sich an den Prinzipien des Künstlerischen Städtebaus, der auf den Architekten, Städteplaner und bildenden Künstler Camillo Sitte zurückgeht. Sitte hatte 1889 mit dem Buch „Der Städtebau nach seine künstlerischen Grundsätzen“ einen ‚Bestseller‘ geschrieben, welcher eine ganze Generation von Planern beeinflusste. Das Paulusviertel ist mit dem Paulusplatz und der evangelischen Pauluskirche (1907), die Pützer ebenfalls entwarf, eine der bedeutendsten bestehenden Anlagen des künstlerischen Städtebaus in Deutschland.

Auch das erste Hochhaus Deutschlands, der 1915/16 entstandene Bau 15 der Carl Zeiss AG in Jena, wurde nach seinen Plänen errichtet. Es hat mit 11 Geschossen eine Höhe von 43 Metern.

Einige Werke Pützers haben Jugendstilelemente, so der Hauptbahnhof Darmstadt. Pützer war gemäßigt reformfreudig, pflegte eigentlich den traditionalistischen Stil der Zeit nach der Jahrhundertwende und war vom Expressionismus beeinflusst. Die Gegnerschaft Pützers und seiner ebenfalls dem traditionellen Bauen verschriebenen Professorenkollegen an der Technischen Hochschule bewirkte, dass der Einfluss der Architekten der Darmstädter Künstlerkolonie auf das Gesamtbild der Stadt gering war.

Wegweisend für die Geschichte des Arbeiterwohnungsbaus war Pützers bereits 1905 entworfene Wohnsiedlung auf dem Gelände des Chemie-Unternehmens Merck, die allerdings nur zu rund einem Fünftel verwirklicht und in den 1970er Jahren abgerissen wurde.

Verschiedene Rufe an die Technische Hochschule Hannover, die Technische Hochschule Charlottenburg sowie vertrauliche Anfragen der Technischen Hochschule München nahm er nicht an. Friedrich Pützer lehrte an der Technischen Hochschule Darmstadt bis zu seinem Tod; er starb bereits im Jahr 1922 mit 50 Jahren nach eineinhalbjähriger Krankheit. Auf dem Städtebaulehrstuhl folgte ihm Karl Roth.

Pützer war mit Elisabeth geb. Selck verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Das Grab Pützers, seiner Frau und seiner Söhne befindet sich auf dem Waldfriedhof Darmstadt (Grabstelle: L 8a 51). Das Grabmal gestaltete der Bildhauer Augusto Varnesi, Professor für dekorative Plastik an der Architekturabteilung der Darmstädter Hochschule.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Pützer erhielt die Preußische Staatsmedaille (1900), den preußischen Roten Adlerorden IV. Klasse (1905), das Ritterkreuz I. Klasse des hessischen Ordens Philipps des Großmütigen (1905), die Krone hierzu (1908), den preußischen Kronenorden III. Klasse (1912), die Ernennung zum Geheimen Baurat (1913) und die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Aachen (als Dr.-Ing. E. h.).

Nach Pützer sind eine Straße in Frankfurt-Praunheim sowie eine Straße in Darmstadt benannt.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Pützer hat sehr wenig veröffentlicht; daher war er bis Ende der 1970er Jahre nahezu vergessen. Die Rezeption dieses bedeutsamen Städtebaulehrers basiert auf den inzwischen publizierten Darstellungen seiner ausgeführten Projekte und den Berichten insbesondere von seinem späteren Nachfolger Max Guther über ihn. Aus Anlass der Sanierung des 1904 eröffneten Erweiterungsgebäudes für die Elektrotechnik (mit dem Pützer-Turm) in der Hochschulstraße führte die Technische Universität Darmstadt 2015 eine umfassende Ausstellung zu seinem Leben und Werk durch; sie wurde 2016 vom Landesmuseum Mainz übernommen.[2] Der Nachlass von Friedrich Pützer liegt im Stadtarchiv Darmstadt.[3]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Pützerturm“ der Merck KGaA in Darmstadt
evang. Pauluskirche in Darmstadt-Bessungen
Bau 15 in Jena, ältestes Hochhaus Deutschlands

Nicht ausgeführte Entwürfe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Darmstadt
    Wettbewerbsentwurf für ein Hallenbad (1905)
  • Frankfurt am Main
    Wettbewerbsentwurf für die Westend-Synagoge (1906), ausgezeichnet mit dem 3. Preis[12]
  • Oberhausen
    Wettbewerbsentwurf für das Rathaus (1913; Zur Ausführung kam lediglich das dem Rathaus gegenüber liegende Sparkassengebäude, welches Teil des Pützerschen Gesamtkonzeptes war. Dieses Konzept wurde dann um 1927 für einen neuen Rathaus-Entwurf des Stadtbauamtes übernommen.)

Reden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rede auf einer Trauerfeier für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Studenten und Dozenten der Technischen Hochschule Darmstadt in der Pauluskirche am 8. April 1919

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pützer, Friedrich. In: Hermann Alexander Müller, Hans Wolfgang Singer (Hrsg.): Allgemeines Künstler-Lexikon. Leben und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. Band 6, Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1922, S. 226 (Digitalisat).
  • Max Guther: Friedrich Pützer. Architekt – Städtebauer – Hochschullehrer. In: Jahrbuch der Technischen Hochschule Darmstadt 1978/79, S. 7–28.
  • Max Guther: Zur Geschichte der Städtebaulehre an deutschen Hochschulen. In: Heinz Wetzel und die Geschichte der Städtebaulehre an deutschen Hochschulen. Stuttgart 1982.
  • Claudia Dutzi: Heimat aus zweiter Hand. Die Arbeitersiedlung Merck in Darmstadt und ihr Architekt Friedrich Pützer. Darmstadt 1990, ISBN 3-88443-168-4.
  • Günter Fries et al. (Bearb.): Stadt Darmstadt. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen) Vieweg, Braunschweig 1994, ISBN 3-528-06249-5, passim (zu verschiedenen Gebäuden von Pützer).
  • Gerlinde Gehrig: Friedrich Pützer und das Paulusviertel in Darmstadt. (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, Band 169.) Darmstadt 2014, ISBN 978-3-88443-324-9.
  • Gerlinde Gehrig: Friedrich Pützer und der Reformkirchenbau in Darmstadt. In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge, Bd. 73 (2015), S. 349–380.
  • Regina Stephan (Hrsg.): „In die Umgebung hineingedichtet“. Bauten und Projekte des Architekten, Städtebauers und Hochschullehrers Friedrich Pützer (1871–1922). Spurbuchverlag, Baunach 2015, ISBN 978-3-88778-447-8.
  • Wolfgang Lück, Regina Stephan, Werkbundakademie Darmstadt e. V. (Hrsg.): Unterwegs in die Moderne. Friedrich Pützers (1871–1922) Bauten, Straßen, Plätze in Darmstadt. Jovis, Berlin 2021, ISBN 978-3-86859-654-0.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Friedrich Pützer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bekanntmachung, die Bestellung des Denkmalrats betreffend vom 10. Februar 1903. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt – Beilage 4 vom 2. März 1903, S. 49f.
  2. http://www.landesmuseum-mainz.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Flyer/201603_6-seiter_puetzer_ausst_web.pdf.
  3. StadtA DA Bestand 45/82 - Arcinsys Detailseite. Abgerufen am 6. Juli 2018.
  4. evang.-ref. Kirche Affolterbach auf www.denkmalpflege-hessen.de, zuletzt abgerufen am 22. Juli 2012.
  5. Alter Hörsaal mit moderner Technik in FAZ vom 20. November 2015, Seite 43.
  6. Erich Haenel / Heinrich Tscharmann (Hrsg.): Das Einzelwohnhaus der Neuzeit. Bd. 1, J. J. Weber, Leipzig 1909, S. 4–6 [mit Abb.].
  7. www.paulusgemeinde-darmstadt.de www.paulusgemeinde-darmstadt.de
  8. Werner Kurz: Auf dem Gelände der Störgerschen Turnhalle errichtet. Vom wilhelminischen Prachtbau zum Altenheim. Mit dem Umbau des Landratsamtes verschwindet das letzte Zeichen des Landkreises Hanau. In: Hanauer Anzeiger vom 18. Oktober 2008, S. 33.
  9. Franz Dumont (Hrsg.), Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz: Mainz. Die Geschichte der Stadt. 2. Auflage, Philipp von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-2000-0, S. 463.
  10. Pfarrkirche Neckarsteinach auf www.odenwald.de (Memento vom 8. Oktober 2006 im Internet Archive)
  11. http://www.luthergemeinde-of.de/
  12. Deutsche Bauzeitung, 40. Jahrgang 1906, Nr. 79, S. 538 (Mitteilung der Wettbewerbs-Ergebnisse).