Günter Kießling

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Günter Kießling (2007)

Günter Kießling (* 20. Oktober 1925 in Frankfurt (Oder); † 28. August 2009 in Rendsburg) war ein deutscher General der Bundeswehr.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kießling wurde als Sohn eines Werkmeisters (und bis 1925 in der Reichswehr dienenden Unteroffiziers) geboren und wuchs in Berlin auf. Nach dem Besuch der Volksschule wurde er am 5. Mai 1940, im Alter von 14 Jahren, in die Unteroffiziervorschule in Dresden aufgenommen. Im Zweiten Weltkrieg kam er als Soldat der Jägertruppe und später als Leutnant der Infanterie an die Ostfront. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft schlug er sich zu seiner Mutter nach Berlin durch und arbeitete zeitweise auch als Bauhilfsarbeiter und beim britisch kontrollierten YMCA. Nebenher besuchte er in Berlin die Abendschule, um auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur (1947) nachzuholen. Danach studierte er in Hamburg und Bonn Volkswirtschaftslehre. Er schloss das Studium 1954 ab und trat danach in den Bundesgrenzschutz ein. In seiner wachfreien Zeit studierte er an der Universität Bonn und der Universität Hamburg Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaft sowie Philosophie. 1957 folgte in Bonn die Promotion zum Dr. rer. pol.[2] In Bonn gehörte er auch seit dem Sommersemester 1954 der Bonner Burschenschaft Sugambria an, die später in der Bonner Burschenschaft Germania aufging.[3][4] Er trat 1956 als Hauptmann in die neu aufgestellte Bundeswehr ein und absolvierte Anfang der 1960er Jahre den 4. Generalstabslehrgang (Heer) an der Führungsakademie der Bundeswehr. Seine Ablösung vom Generalstabslehrgang im Januar 1963 hat er in seinen Memoiren beschrieben. Ursächlich war dafür die Beziehung zu einer damals 20-jährigen Offizierstochter, deren Vater gegen diese Beziehung war. Kießling kam nach einer Zwischenverwendung im Stab der 1. Panzergrenadierdivision in Hannover zum Staff College nach Camberley, wo er den britischen Generalstabslehrgang absolvierte. Es folgte eine Tätigkeit als Generalstabsoffizier in der G3-Abteilung der Northern Army Group.

Sein erstes Truppenkommando wurde Kießling 1967 übertragen, als er Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 62 in Neustadt (Hessen) wurde. 1969 wurde er Chef des Stabes der 2. Panzergrenadierdivision in Marburg und bereits 1970 Kommandeur der Panzerbrigade 15 in Koblenz. Seinem Kommando entsprechend wurde Kießling 1971 im Alter von 45 Jahren zum Brigadegeneral befördert und war somit einer der jüngsten Offiziere im Generalsrang der Bundeswehr.[5] Im Oktober 1971 wurde er zum General für Offizier- und Unteroffizierausbildung im Heer, Dienstsitz Heeresamt in Köln, ernannt. Sein drittes Truppenkommando folgte 1976 mit Übernahme der 10. Panzerdivision in Sigmaringen. Verbunden war damit die Beförderung zum Generalmajor.

Im September 1977 wechselte er nach Bonn ins Bundesministerium der Verteidigung, wo er Stellvertretender Abteilungsleiter Personal wurde. 1979 übernahm er den Dienstposten des Befehlshabers der Alliierten Landstreitkräfte Schleswig-Holstein und Jütland (LANDJUT) in Rendsburg und wurde zum Generalleutnant befördert. Schließlich wechselte er nach Ernennung zum General 1982 zur NATO, wo er bis zu seiner Entlassung Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte und Stellvertreter des Obersten Alliierten Befehlshabers Europa (Deputy Supreme Allied Commander Europe, DSACEUR), General Bernard W. Rogers war.

Affäre wegen angeblicher Homosexualität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner erhielt die Desinformation, dass Kießling homosexuell und damit nach Vorschriftenlage ein Sicherheitsrisiko sei.[6] Vage Ermittlungen der Kölner Kriminalpolizei schienen diesen Verdacht zu bestätigen. Daher wurde Kießling am 23. Dezember 1983 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Die Behauptungen erwiesen sich in der Aufarbeitung der Affäre als haltlos und wurden zurückgenommen. Kießling wurde ab 1. Februar 1984 wieder eingestellt und am 26. März 1984 mit dem Großen Zapfenstreich in den ehrenhaften Ruhestand versetzt.[7] Zum 30. Jubiläum der Bundeswehr 1985 war er als einziger General nicht eingeladen.

Zivilleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kießling mit Horst Hennig in Halle (2009)

Kießling war von 1984 bis 2000 stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Hunzinger Information AG, der heutigen infas Holding AG. Anschließend wurde er zum Ehrenvorsitzenden des Aufsichtsrates der Hunzinger Information AG ernannt.[8]

Zudem erteilte ihm die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg einen Lehrauftrag für das Fach „Betriebswirtschaft der Streitkräfte“.[9] 1997 erhielt er noch einmal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch seine Trauerrede für Oberst Joseph W. Rettemeier.[10] 2008 gründete er die General-Kießling-Stiftung zur Pflege bundeswehreigener Tradition mit Sitz an der Offizierschule des Heeres in Dresden.[11] Kießling bestimmte Generalmajor a. D. Christian Trull, sich um die Geschicke seiner Stiftung zu kümmern.

Kießling lebte bis zu seinem Tode in Rendsburg und starb nach langer schwerer Krankheit. Bei der Trauerfeier mit militärischem Zeremoniell hielt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, die Trauerrede. Unter den Trauergästen waren viele hochrangige aktive und frühere Soldaten, u. a. Wolfgang Altenburg, zu Zeiten der Kießling-Affäre Generalinspekteur der Bundeswehr, und Carl-Hubertus von Butler, Befehlshaber des Heeresführungskommandos. Die Beisetzung fand im engsten Kreise in Berlin statt.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Neutralität ist kein Verrat: Entwurf einer europäischen Friedensordnung. Straube, Erlangen 1989, ISBN 3-927491-04-7.
  • NATO, Oder, Elbe: Modell für ein europäisches Sicherheitssystem. 1990.
  • Versäumter Widerspruch. Hase & Koehler, Mainz 1993, ISBN 3-7758-1294-6. Autobiographie.
  • Fachbeiträge für Zeitschriften über Personalprobleme der Streitkräfte, aber auch über Themen wie Der Christ als Soldat und Traditionsverständnis und Traditionspflege aus der Sicht eines Truppenführers.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker, Teilband 7: Supplement A–K. Winter, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8253-6050-4. S. 539–541.
  • Wörner – „der Lächerlichkeit preisgegeben“. In: Der Spiegel. Nr. 5, 1984, S. 18–26 (online).
  • Ortwin Buchbender (Hrsg.): Staatsbürger und General. Blazek und Bergmann, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-9806536-7-6.
  • Heiner Möllers: Die Kießling-Affäre 1984 Zur Rolle der Medien im Skandal um die Entlassung von General Dr. Günter Kießling. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 64, 2016, S. 517–550.
  • Heiner Möllers: Die Affäre Kießling. Der größte Skandal der Bundeswehr. Ch.Links, Berlin 2019.
  • Ein Mann will nach oben. In: Die Zeit, Nr. 3/1984, zeit.de (Memento vom 17. Januar 2010 im Internet Archive)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Günter Kießling – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Ex-General Günter Kießling gestorben“ op-online.de der Offenbach-Post, 28. August 2009.
  2. Dissertation: Die Neuordnung des Bundesfinanzwesens in der Schweiz
  3. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 26. März 2000, S. 3.
  4. Burschenschafter-Stammrolle 1991. S. 74
  5. Günter Kießling ist tot: Der General, der an Selbstmord dachte und siegte. In: welt.de. 28. August 2009, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  6. Verstorbener Ex-General: Kießling-Affäre erschütterte die Republik, rp-online.de, 28. August 2009
  7. Wolfgang Wiedemeyer: Vom Morast in den abgrundtiefen Sumpf. Deutschlandfunk, 3. Januar 2009, abgerufen am 30. September 2017.
  8. Grußwort von Dr. Kießling zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Moritz Hunzinger (Word-Dokument; 52 kB).
  9. „Wer bezahlt den Krieg?“ Gastkommentar Kießlings in: DIE WELT vom 15. April 1999.
  10. Günter Kießling: Nachruf auf Oberst Rettemeier (Memento vom 7. November 2006 im Internet Archive) (archiviert auf den privaten Seiten von Uwe Schifbenger).
  11. Mainhardt Graf von Nayhauß: Soldat durch und durch. Cicero, 28. August 2009, archiviert vom Original am 23. November 2011; abgerufen am 5. November 2009.