Ganztodtheorie

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Die Ganztodtheorie nimmt an, dass mit dem Tod der ganze Mensch – Leib und Seele – gestorben ist. Auferstehung wird damit wie eine Neuschöpfung des ganzen Menschen nach dessen vollständiger Auslöschung verstanden. Eine solche Interpretation des christlichen Auferstehungsglaubens wurde v. a. von einigen evangelischen Theologen im 20. Jahrhundert vertreten, die somit die Unsterblichkeit der Seele ablehnen.[1]

Vertreter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ganztodtheorie wird unter anderem von den Theologen Paul Althaus, Karl Barth, Oscar Cullmann, Carl Stange und Werner Elert sowie von dem Prozessphilosophen Charles Hartshorne vertreten.[2] Darüber hinaus findet sie sich bei einigen Religionsgemeinschaften wie den Siebenten-Tags-Adventisten, der Bibelforscherbewegung einschließlich der Zeugen Jehovas und den Christadelphians.

Argumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vertreter einer Ganztodtheorie sehen in der Trennung von Leib und Seele ein eher griechisches philosophisches Konzept, das in alt- und neutestamentlichen Texten weniger manifest sei. Dort werde keine Unsterblichkeit der Seele gelehrt, sondern letztlich auf eine Auferstehung gehofft, was überflüssig wäre, wenn die Seele ihrer eigenen Natur nach weiterleben würde. Ihre Fortexistenz wird vielmehr als ein Gnadenakt verstanden, der nur durch Jesus Christus möglich ist und der insbesondere nötig sei, weil Sünde und Tod die ganze Existenz des Menschen treffe.

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Kritiker der Ganztodtheorie – z. B. Christian Henning und Werner Thiede – sehen dabei die personale Identität unterbrochen und verweisen auf Bibelstellen, welchen eine Unterscheidung von Leib und Seele entnehmbar ist, etwa Mt 10,28 EU, Apg 20,10 EU, sowie auf Stellen, welche eine ewige Existenz der Seele nahelegen (etwa Mt 25,46 EU und Joh 11,25–26 EU; 2 Kor 4,18 EU), wobei gesagt werden muss, dass der Begriff „Seele“ in Mt 25,46 EU nicht auftaucht.[3]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Reinhard Brandt, Peter Godzik, Ulrich Kühn: Hoffnungsbilder gegen den Tod (= Vorlagen. NF 20). Lutherisches Verlagshaus, Hannover 1994, ISBN 3-7859-0680-3.
  • Gisbert Greshake, Jacob Kremer: Resurrectio mortuorum. Zum theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1986, ISBN 3-534-07037-2, S. 273 ff. et passim.
  • Fritz Heidler: Ganztod oder nachtodliche Existenz? In: Theologische Beiträge. Bd. 16, Nr. 4, 1985, S. 169–175, (Digitalisat).
  • Christian Henning: Wirklich ganz tot? Neue Gedanken zur Unsterblichkeit der Seele vor dem Hintergrund der Ganztodtheorie. In: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie. Bd. 43, Nr. 2, 2001, ISSN 0028-3517, S. 236–252.
  • Christian Herrmann: Unsterblichkeit der Seele durch Auferstehung. Studien zu den anthropologischen Implikationen der Eschatologie (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie. 83). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 3-525-56290-X (Zugleich: Erlangen – Nürnberg, Universität, Dissertation, 1995/1996).
  • Eberhard Jüngel: Tod (= Gütersloher Taschenbücher Siebenstern. 339). Gütersloher Verlagshaus Mohn, Gütersloh 1979, ISBN 3-579-03760-9.
  • Siegfried Kettling: „Wo sind unsere Toten?“ In: Akzente für Theologie und Dienst. 1987; jetzt unter dem Titel: Glanz und Elend der Ganztod-Theorie. In: Peter Godzik (Hrsg.): Der Weg ins Licht. Lesebuch zu letzten Fragen des Lebens. Steinmann, Neuenkirchen bei Soltau, 2., verbesserte und ergänzte Neuauflage 2020, ISBN 978-3-927043-63-3, S. 85–111.
  • Siegfried Kettling: Du gibst mich nicht dem Tode preis. Esras.net, Niederbüren, 4. Auflage 2018, S. 149–184.
  • Theodor Mahlmann: Auferstehung der Toten und ewiges Leben. In: Konrad Stock (Hrsg.): Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie (= Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie. 7). Kaiser – Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1994, ISBN 3-579-00258-9, S. 108–131.
  • Markus Mühling: Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung, UTB 2918, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2007, ISBN 978-3-525-03619-8, Kapitel: Der Tod des Menschen, S. 156ff.
  • Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie. Band 3. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-52190-1, S. 599 ff.
  • Albrecht Peters: Der Tod in der neueren theologischen Anthropologie. In: Albrecht Peters: Rechenschaft des Glaubens. Aufsätze. Zum 60. Geburtstag des Autors herausgegeben von Reinhard Slenczka und Rudolf Keller. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984, ISBN 3-525-58143-2, S. 239–277.
  • Reinhard Slenczka: Ziel und Ende. Einweisung in die christliche Endzeiterwartung: „Der Herr ist nahe“. Freimund, Neuendettelsau 2008, ISBN 978-3-86540-054-3, 192 ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christian Brouwer: Abschied von Dir, in: Thomas Klie, Martina Kumlehn, Ralph Kunz, Thomas Schlag: Praktische Theologie der Bestattung, Walter de Gruyter, 2015, S. 234 [1]
  2. Vgl. beispielsweise Paul Althaus: Die letzten Dinge, 111ff u.ö.. Karl Barth: Dogmatik im Grundriß, Zürich, 7. Aufl. 1987, S. 138 u.ö. Karl Barth: Die Kirchliche Dogmatik, Bd. III/2, Zollikon-Zürich 1948, S. 524ff u.ö.; Paul Tillich: Systematische Theologie, Bd. 3, Stuttgart 1966, S. 450ff.459ff. Carl Stange: Die Unsterblichkeit der Seele, Studien des apologetischen Seminars 12, Gütersloh 1925. Charles Hartshorne: The logic of perfection, Lassalle, Ill. 1962, S. 257u.ö.
  3. Vgl. z. B. Werner Thiede: Karl Barths individuelle Eschatologie und die Krise der Ganztod-Theologie, in: ders. (Hg.): Karl Barths Theologie der Krise. Transfer-Versuche zum 50. Todestag, Leipzig 2018, S. 253–278.