Gerulf Pannach

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Gerulf Pannach (* 24. Juni 1948 in Arnsdorf; † 3. Mai 1998 in Berlin) war ein deutscher Liedermacher und Texter.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Abitur und der Ableistung des Wehrdienstes bei der NVA begann Pannach ein Jurastudium in Halle, das er allerdings abbrach. Zwischen 1970 und 1971 war er Referent im Kabinett für Kulturarbeit der Stadt Leipzig und arbeitete mit der Klaus Renft Combo, kurz Renft, zusammen. Seit 1972 war er als freischaffender Künstler tätig. In dieser Zeit entwickelte er auch Kontakte und Freundschaften zu regimekritischen Sängern und Schriftstellern. So trat er 1974 gemeinsam mit Christian Kunert auf und war ein Freund des Schriftstellers Jürgen Fuchs, mit dem er ebenfalls auftrat.

Es folgten Auftrittsverbote bzw. befristete Spielerlaubnisse, und ihm war nur noch der Auftritt bei inoffiziellen Veranstaltungen möglich. Im November 1976 unterzeichnete er die Protesterklärung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann,[1] Am 21. November 1976 wurde er auf dem Alexanderplatz in Ost-Berlin vom MfS verhaftet.[2] Zusammen mit Christian Kunert und Jürgen Fuchs, der schon zwei Tage zuvor aus dem Auto des Regimekritikers Robert Havemann heraus verhaftet worden war, wurde Pannach in das zentrale Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen gebracht.[3] Nach neun Monaten der Verhöre wurden alle drei Künstler am 26. August 1977 ohne Prozess aus dem Gefängnis entlassen, ausgebürgert und nach West-Berlin ausgewiesen.

In der Folge lebte Pannach in West-Berlin, trat gemeinsam mit Biermann auf, arbeitete mit Christian Kunert zusammen und betätigte sich als Textautor und Schauspieler in Film und Theater. 1986 spielte Pannach die Hauptrolle in dem Spielfilm Vaterland des britischen Regisseurs Ken Loach. Am 12. November 1989 gehörten Pannach und Kunert zu den wenigen Musikern aus der DDR, die am Konzert für Berlin in der Berliner Deutschlandhalle teilnahmen. Nach der Wende konnte er am 2. Dezember 1989 gemeinsam mit anderen ausgewiesenen Künstlern erneut in der DDR auftreten.

Pannach starb am 3. Mai 1998 in Berlin im Alter von 49 Jahren an Nierenkrebs. Der Verdacht, sein Tod sei darauf zurückzuführen, dass ihn das MfS als Häftling Röntgenstrahlung ausgesetzt habe,[4] konnte bisher nicht bewiesen werden.

Seine Frau Amrei Pannach war eine Tochter des Literaturwissenschaftlers Rolf Recknagel. Sie starb am 2. April 2019 in Berlin.

Gerulf Pannachs Nachlass befindet sich im Archiv der DDR-Opposition bei der Robert-Havemann-Gesellschaft.[5]

Seine musikalischen Spuren in Berlin sammelt das Projekt RockinBerlin.[6]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am bekanntesten waren wohl seine für Renft geschriebenen Lieder Apfeltraum und Als ich wie ein Vogel war. Charakteristisch für Pannach sind etwa folgende Liedzeilen:

Mensch, wir werden fett gefüttert.
Mit Kampagnen immer neu.
Und ich krieg das große Kotzen.
Mensch, ich fraß schon massig Heu.

aus Überholen ohne einzuholen

Pannach ist mit seinen Texten und Liedern ein Beispiel für jene Künstler und Oppositionellen, die im Kalten Krieg zwischen die Fronten gerieten, als Grenzgänger in Ost und West wenig Freunde fanden und unter einem seltsamen deutsch-deutschen Exil litten. Dafür stehen seine kurz nach der Zwangsausbürgerung entstandenen Zeilen:

Ob im Osten oder Westen
wo man ist, ist's nie am besten
suche, Seele suche
fluche, Seele, fluche.

nach dem Gedicht Weiter immer weiter des von den Nationalsozialisten ermordeten Dichters Erich Mühsam.[7]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im November 2008 wurde am Kulturhaus „Sonne“ in Schkeuditz, wo Pannach seine Kindheit und Jugend verbrachte, eine Gedenktafel für ihn enthüllt.

Diskografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fuchs, Pannach, Kunert: Für uns, die wir noch hoffen (CBS, 1977)
  • Pannach und Kunert live in Schweden: Sänger mot Rädslan (1978)
  • Pannach und Kunert (CBS, 1979)
  • Pannach und Kunert: Fluche Seele, fluche (MOOD Records 1981 / als CD bei Nebelhorn/Buschfunk, 1996)
  • Pannach und Kunert live: Pretty Woman guck nicht so! (Bluesong, 1991)
  • Gerulf Pannach: Yorck 17 (BMG Ariola, 1996)
  • Pannach und Kunert: Gib mir 'ne Hand voll Glück. Live 1977–1993 (Buschfunk, 2000)
  • Für uns, die wir noch hoffen. Lieder von Gerulf Pannach & Christian Kunert. Prosa von Jürgen Fuchs. Leipzig 1976, West-Berlin 1977. Herausgegeben von Doris Liebermann und Bodo Strecke. Hörbuch, 3 CDs (Marktkram, 2013)

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerulf Pannach: Anpasser oder Aufmüpfer. Ein Songschreiber über Bands und Legenden. In: Irmela Hannover, Peter Wicke (Hrsg.): Puhdys. Eine Kultband aus dem Osten. Berlin 1994, S. 31–36.
  • Detlef Kriese: Nach der Schlacht. Die Renft-Story – von der Band selbst erzählt. Aufgeschrieben von Delle Kriese. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1998, ISBN 3-89602-170-2.
  • Salli Sallmann (Hrsg.): Als ich wie ein Vogel war. Gerulf Pannach: Die Texte. Mit Anmerkungen von Christian Kuno Kunert. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999, ISBN 3-89602-186-9.
  • Heike Buhmann/ Hanspeter Haeseler (Hrsg.): Balladen, Blues und Rocklegenden. Rock und Song-Poesie Ost. Best of Collection, Schlüchtern 1999, ISBN 978-3927638044.
  • Gerulf Pannach: Aus einem Interview von 1992. In: Wolf Biermann und andere Autoren: Die Ausbürgerung. Anfang vom Ende der DDR. Herausgegeben von Fritz Pleitgen, München 2001, S. 95–105.
  • Rainer Bratfisch: Pannach, Gerulf. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Christian Kunert: Vom Rot das brennt. Gerulf Pannach zum 20. Todestag. In: Gerbergasse 18, Thüringer Vierteljahreszeitschrift für Zeitgeschichte und Politik, 2/2018, Heft 87, S. 39–41.
  • Doris Liebermann: Verbotene Lieder in Bad Köstritz. Über ein Konzert mit Gerulf Pannach, Bettina Wegner und Jürgen Fuchs im Februar 1975. In: Gerbergasse 18, Thüringer Vierteljahreszeitschrift für Zeitgeschichte und Politik, 2/2019, Heft 91, S. 42–46.
  • Doris Liebermann: Das geheime Tonband von Pannach, Fuchs und Kunert, Feature, Hessischer Rundfunk 2019,[1]
  • Doris Liebermann: "Gegen die Angst, seid nicht stille". Das geheime Tonband von Pannach, Kunert und Fuchs, Mitteldeutscher Verlag Halle 2022, ISBN 978-3-96311-689-6

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Prominenter Protest vom 17. November 1976 auf jugendopposition.de (Bundeszentrale für politische Bildung / Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.), gesichtet am 15. März 2017.
  2. Zeitzeuge Christian Kunert auf jugendopposition.de (Bundeszentrale für politische Bildung / Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.), gesichtet am 15. März 2017.
  3. Fuchs, Kunert und Pannach auf jugendopposition.de (Bundeszentrale für politische Bildung / Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.), gesichtet am 15. März 2017.
  4. Peter Wensierski: Stasi: In Kopfhöhe ausgerichtet. In: Der Spiegel. Nr. 20, 1999 (online).
  5. Neu im Archiv der DDR-Opposition: Der Nachlass des oppositionellen Liedermachers Gerulf Pannach. Abgerufen am 1. Mai 2021.
  6. Gerulf Pannach-Seite bei RockinBerlin (abgerufen 27. Mai 2022).
  7. Lied Fluche, Seele, fluche im Netz Live-Aufnahme 1985 im Flöz auf jugendopposition.de (Bundeszentrale für politische Bildung / Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.), gesichtet am 15. März 2017.