Geschichtlichkeit

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Geschichtlichkeit (auch: Historizität) ist ein mehrdeutiger Ausdruck. „Geschichtlich“ bezeichnet[1]

  • etwas zu einer bestimmten vergangenen Zeit tatsächlich Dagewesenes (wirklich geschichtlich);
  • sich damit zufrieden zu geben, etwas Vergangenes lediglich festzustellen (nur geschichtlich);
  • etwas Vergangenes und noch Wirksames (geschichtlich wirksam)
  • einen Grundzug und die Grundbedingung des Menschlichen im Unterschied zu „natürlich“, „naturhaft“.

Als Urheber des Konzepts der Geschichtlichkeit als spezifischer Dimension des Menschen werden genannt:

  • Giambattista Vico: Geschichtlichkeit als herausgestellte Tatsache, dass alle menschliche Realität ihre Geschichte hat.[2] Die Geschichtlichkeit der Welt wird erkannt, weil der Mensch sie hervorgebracht hat.
  • Hegel (gelegentlich, z. B. bei seiner Rechts- und Weltgeschichte),[3]
  • vor allem aber Dilthey,[3][4] für den menschliches Leben nur im Verweis auf die Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz zu verstehen ist.[5]

Die Reflexion von Geschichtlichkeit ist Aufgabe der Geschichtsphilosophie und der Geschichtsdidaktik.

Während der Begriff bei Jaspers noch in der lebensphilosophischen Tradition im Sinne von historischer Bedingtheit verbleibt,[3] erfährt er seine entscheidende Neuprägung durch Heidegger.[4] „Geschichtlichkeit meint die Seinsverfassung des »Geschehens« des Daseins als solches, auf dessen Grunde allererst so etwas möglich ist wie »Weltgeschichte« und geschichtlich zur Weltgeschichte gehören.“[6] Seitdem ist Geschichtlichkeit ein zentraler Begriff in der Existenzphilosophie, Phänomenologie und Hermeneutik (Gadamer).

Während die Geschichtlichkeit bei Dilthey im Zusammenhang mit dem Problem des historischen Relativismus steht, wird er hermeneutisch (auch) als Mittel angesehen, „um den historischen Relativismus (Historismus) zu überwinden.“[4]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Geschichtlichkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerhard Bauer: Geschichtlichkeit. Wege und Irrwege eines Begriffs, Tübingen 1963 (Rezension).
  • Ulrich Brieler: Die Unerbittlichkeit der Historizität. Foucault als Historiker, Böhlau, Köln 2001, ISBN 978-3-41210697-3.
  • José Llompart SJ: Die Geschichtlichkeit der Rechtsprinzipien. Zu einem neuen Rechtsverständnis, Klostermann, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-465-01171-6.
  • Stefanie Mauder: Die Bedeutung der „Geschichtlichkeit“ für die Geisteswissenschaftliche Pädagogik, Tectum, Marburg 2006, ISBN 3-8288-9058-X.
  • Carl Friedrich Gethmann: Geschichtlichkeit. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 3, 2. Aufl., Metzler, Stuttgart, Weimar 2008.
  • Leonhard von Renthe-Fink: Geschichtlichkeit. Ihr terminologischer und begrifflicher Ursprung bei Hegel, Haym, Dilthey und Yorck, 2., durchges. Aufl., Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968.
  • Thomas Schwietring: Kontinuität und Geschichtlichkeit. Über die Voraussetzungen und Grenzen von Geschichte, UVK, Konstanz 2005, ISBN 978-3-89669-715-8.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. die Bedeutungsanalyse bei Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 2005/Geschichtlichkeit
  2. „Die scienza nuova bietet […] deutlich ausgeprägte Ansätze einer Theorie des geschichtlichen Verstehens. Deren Leitgedanke stellt Vicos Entdeckung der Geschichtlichkeit des menschlichen Geistes dar,…“ (Stefanie Woidich: Vico und die Hermeneutik: Eine rezeptionsgeschichtliche Annäherung, 2007, S. 145)
  3. a b c Carl F. Gethmann: Geschichtlichkeit. In: Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 3, 2. Aufl. Metzler, Stuttgart, Weimar 2008
  4. a b c Hügli/Lübcke: Philosophielexikon (1991), ISBN 3-634-22405-3/Geschichtlichkeit
  5. Jörg Baberowski: Der Sinn der Geschichte: Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault. Beck, München 2005, S. 102
  6. Martin Heidegger: Sein und Zeit, 11. Aufl. Niemeyer, Tübingen 1967, 20; siehe insbesondere auch das fünfte Kapitel (§§ 72–77): Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit