Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung

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Der eingetragene Verein Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (kurz GRH) ist eine Lobbyorganisation von Angehörigen der Bewaffneten Organe der DDR und anderer DDR-Funktionäre. Er wurde 1993 gegründet und hat seinen Sitz in Berlin. Die Gemeinnützigkeit, die der Verein im Jahr 2007 laut eigenen Publikationen hatte,[1][2] ist ihm nach eigener Angabe aus dem Jahr 2012 „schon lange“ aberkannt worden.[3]

Große Teile seiner Arbeit werden als Verharmlosung von DDR-Unrecht betrachtet. Der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse konstatiert, dieser Organisation gehe es um „primitive DDR-Apologie“.

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehemalige DDR-Minister, Stasi-Offiziere und DDR-Grenzsoldaten gründeten die GRH am 19. Mai 1993 in Berlin vor dem Hintergrund verschiedener Strafverfahren zur Aufarbeitung von DDR-Unrecht. Initiatoren waren Frank Osterloh und Jürgen Strahl, die sich seit 1990 als Anwälte auf die Verteidigung dieses Personenkreises spezialisiert hatten. Über die GRH sollte juristische, finanzielle und politische Unterstützung für die ehemaligen Systemträger erfolgen. 2009 hatte die GRH etwa 1400 Mitglieder, darunter viele ehemalige Spitzenfunktionäre der SED, beispielsweise Egon Krenz, Angehörige der Grenztruppen, systemnahe Wissenschaftler und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR,[4] darunter auch der letzte Chef des MfS, Wolfgang Schwanitz.[5]

Selbstverständnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach ihrer Satzung vom Oktober 2004 hat die GRH unter anderem das Ziel, Personen zu unterstützen, die „wegen der (Tätigkeit) im Rahmen der Verfassung und der Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik einer Strafverfolgung ausgesetzt oder davon bedroht sind“. Ihr besonderes Augenmerk gilt Angehörigen der Grenztruppen, des Ministeriums für Staatssicherheit, der Nationalen Volksarmee und des DDR-Innenministeriums.[5] Menschenrechtsverletzungen der Staatssicherheit werden von der Gesellschaft relativiert.[6]

Die GRH forderte die Einstellung der Prozesse gegen ehemalige Führungskader der SED und der DDR-Staatssicherheit. Bei diesen Prozessen wurden Anklagepunkte verhandelt, die zum Teil schon gegen DDR-Recht verstießen. Die Prozesse werden von den Altkadern der GRH als „Siegerjustiz“ bezeichnet.

Der Verein versteht sich dabei als Lobbyorganisation für ihre Gruppenanliegen und als Unterstützer exponierter Mitglieder. Eine weitere Zielgruppe sind solche Personen, die im Staatsdienst für die DDR durch Straftaten Dritter zu Schaden kamen.

Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marianne Birthler wirft der GRH vor, die DDR-Geschichte schönzureden und die Tätigkeit des MfS zu verharmlosen.[7] Ein Bericht des Berliner Verfassungsschutzes kommentiert: „Ein mangelndes Unrechtsbewusstsein zeigt sich bereits darin, dass Begriffe wie Stasi-Unrecht, westliche Demokratie und Menschenrechte, Verbrechen des MfS sowie Opfer des Stalinismus und SED-Regimes (in der Verbandszeitschrift der GRH) jeweils in Anführungszeichen gesetzt werden.“ Die GRH verteidigt auch die gezielten Schüsse auf DDR-Flüchtlinge.[5]

Der Berliner Verfassungsschutz attestiert dem Verein Feindlichkeit gegenüber der bundesdeutschen Justiz, sieht aber keine rechtliche Handhabe für eine Beobachtung von GRH und GBM. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die GRH die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wolle.[8]

Politikwissenschaftler werfen dem Verein eine primitive DDR-Apologie, Geschichtsklitterung und Geschichtsrevisionismus vor.[9]

Hubertus Knabe bezeichnet die GRH als „Hilfsverband für Staatskriminelle“, es handele sich um einen Solidaritätsverein für an Straftaten beteiligte Funktionäre.[10]

Der damalige Berliner Innensenator Ehrhart Körting verglich die GRH 2006 mit den Freundschaftsverbänden der Waffen-SS.[11]

Der Verein agitiert gegen die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und die Aufarbeitung der DDR-Geschichte.[4]

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschäftsstelle befindet sich im Verlagsgebäude Neues Deutschland.[12][13]

Die GRH organisiert sich in „Territoriale Aktionsgruppen“ (TAG) als Basiseinheiten. Daneben existieren Arbeitsgemeinschaften, zum Beispiel:

  • AG Sport: Beschäftigt sich mit den Methoden im DDR-Spitzensport und insbesondere dem Thema Doping.
  • AG Grenze: Beschäftigt sich laut eigener Darstellung mit „der geschichtlichen Wahrheit der Entwicklung der DDR und der Sicherung ihrer Staatsgrenzen“.[14] In den 1990er Jahren richteten sich die Aktivitäten gegen die Versuche der Justiz, die Verbrechen an der innerdeutschen Grenze strafrechtlich aufzuarbeiten.[15]
  • AG Aufklärer: Fungiert als heimliche Schaltstelle früherer Stasi-Offiziere.[16]

Vorsitzender des Vereins ist seit 2005 der ehemalige stellvertretende Generalstaatsanwalt der DDR, Hans Bauer. Die Mitgliedschaft ist stark überaltert, ein Großteil der Mitglieder war 2007 über 70 Jahre alt.[5]

Unterstützt wird die Organisation unter anderem von der Deutschen Kommunistischen Partei.

Der Verein ist Mitglied im Verein Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. und im Verein Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden e. V.

Umstrittene Aktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verein unternahm eine Reihe umstrittener Aktionen. Insbesondere Verbände von Opfern der DDR-Diktatur halten ihr Geschichtsrevisionismus und Verhöhnung von Personen vor, die in der DDR unter widerrechtlichen Maßnahmen der Behörden zu leiden hatten.

  • Bekannte Mitglieder der GRH störten wiederholt Diskussionsveranstaltungen und Gedenkstunden durch massives Auftreten, verhöhnten Opfer der DDR-Justiz und verbreiteten offensichtliche Geschichtsfälschungen.[17][18]
  • Einzelne „Territoriale Arbeitsgruppen“ versuchen, ehemalige DDR-Oppositionelle zur Inaktivität zu bewegen.
  • Die GRH sendet im Stil von Lobbygruppen gezielt Werbematerial an Personen und Institutionen, die in den Medien durch abweichende Darstellungen auffielen.

Es gibt Berichte über einschüchternde und Drohanrufe bei Privatpersonen und bei der Politikerin Karin Seidel-Kalmutzki.[19] Vereinsmitglieder schmähten ihre früheren Opfer.[20]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. Berlin 2008.
  • Norman Bock: Postkommunistischer Geschichtsrevisionismus. Die Verklärung der SED-Diktatur. In: Gesellschaft. Wirtschaft. Politik. Jg. 58, Nr. 3 (2009), S. 377–386.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://www.parlament-berlin.de/ados/16/VerfSch/protokoll/vfs16-003-ip.pdf; 14. März 2007, abgerufen am 14. Februar 2020
  2. https://www.die-tagespost.de/politik/aktuell/Keine-harmlosen-Stasi-Opis;art315,68160; 29. März 2007, abgerufen am 14. Februar 2020
  3. Laut einer im Internet veröffentlichten Sonderinformation zur 10. Vertreterversammlung am 10. November 2012 in Berlin, wo es heißt: „Die Gemeinnützigkeit ist uns ja schon lange aberkannt.“
  4. a b Michael Meyer: Die Schönfärber. Über Versuche, die DDR-Geschichte umzudeuten. In: Deutschlandfunk. 19. Februar 2009, abgerufen am 1. Mai 2014.
  5. a b c d Berichte im Ausschuss für Verfassungsschutz (VSA) des Abgeordnetenhauses von Berlin. (pdf) In: www.berlin.de. Senatsverwaltung für Inneres und Sport, 18. April 2007, S. 13, archiviert vom Original am 15. April 2010; abgerufen am 2. Februar 2016.
  6. Guido Kleinhubbert: Laxer Umgang. In: Der Spiegel. 2. Februar 2008, abgerufen am 1. Mai 2014.
  7. Marianne Birthler: Ex-Stasi-Mitarbeiter torpedieren Aufarbeitung. In: Die Welt. 21. März 2008, abgerufen am 1. Mai 2014.
  8. Stefan Schulz: Stasi-Vereine bleiben unbeobachtet. In: Berliner Morgenpost. 14. März 2007, abgerufen am 1. Mai 2014.
  9. Eckhard Jesse: Fakten und Erkenntnisse, keine Mythen und Legenden
  10. Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. Berlin 2008, S. 277ff.
  11. Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. Berlin 2008, S. 298
  12. Eric Gujer: Die Todesstrafe in der DDR und ihre mühevolle Aufarbeitung im wiedervereinigten Deutschland: Ein verspäteter Akt der Befreiung. Vor 20 Jahren wurde in der DDR die Todesstrafe abgeschafft, die zuvor nur im Geheimen vollzogen worden war. Ihre Aufarbeitung in der Bundesrepublik wird bis heute kontrovers beurteilt. Die Geschichte der DDR spaltet noch immer die Gesellschaft in Ostdeutschland. In: nzz.ch. 16. August 2007, abgerufen am 26. August 2015.
  13. Timo Hoffmann: Ex-Funktionsträger verklären DDR im Internet: www.geschichtsklitterung.de. Knapp zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall lebt ein kleiner Teil der DDR im Internet weiter. Ex-Beschäftigte von Stasi und Grenztruppen schreiben dort die Geschichte zu ihren Gunsten um. In: taz.de. 3. Dezember 2008, abgerufen am 26. August 2015.
  14. Website der AG Grenze
  15. Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. Berlin 2008, S. 302
  16. Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. Berlin 2008, S. 280.
  17. Verhöhnung von Stasi Opfern. In: www.rbb-online.de. 2. Mai 2006, archiviert vom Original am 2. Mai 2006; abgerufen am 2. Mai 2014.
  18. Michael Reinsch: Der Sadismus der Sachbearbeiter. Opfer des DDR-Dopings. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. April 2014, abgerufen am 1. Mai 2014.
  19. Peter Wensierski: Die Rache der Rentner. In: Der Spiegel. 27. März 2006, abgerufen am 1. Mai 2014.
  20. Anja Maier: Der Wehrhafte. In: taz. 26. März 2009, abgerufen am 1. Mai 2014.