Giebel

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Bezeichnungen am Dach
Giebel in Finnland
Giebel (1590) in Braunschweig, Niedersachsen

Der Giebel ist der Wandteil eines Gebäudes, der oben an Dachkanten oder Dachüberstände angrenzt, die höher liegen als die Traufe, oder über das Dach hinausragt (als Schein-, Schild- oder freier Giebel). Die giebelseitige Fassade eines Gebäudes wird auch Giebelwand genannt. Sie ist häufig weniger breit als die Längsseiten des Gebäudes und wird dann auch als Stirnseite bezeichnet. Die Schnittlinie zwischen Giebel und Dach bzw. der giebelseitige Dachüberstand wird als Ortgang bezeichnet.

Das Wort Giebel ist im Deutschen seit dem 10. Jahrhundert belegt (ahd. gibil, mhd. gibel). Die genaue Herkunft gilt als ungesichert. Es werden Zusammenhänge mit Kopf (als Oberstes, Haupt), als auch mit Gabel (als Spitze, Gabelung) vermutet.[1]

Der Giebel ist eines der ältesten und bedeutendsten Elemente der europäischen Architektur.

Unter einem Ziergiebel wird nicht nur der geschmückte, verzierte Giebel eines Gebäudes verstanden, sondern auch die verkleinerte Zierform eines Giebels. Portal-, Tür- oder Fenstergiebel beschreiben insofern das Motiv eines Giebels, das zur Bekrönung dieser Bauteile verwendet wird. Bei einem vorspringenden Bauglied wird hier auch von einer Verdachung gesprochen. In der Modernen Architektur verlor der Giebel diese dekorative Bedeutung.

Begriffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Scheingiebel der Kirche Saint-Martin in Le Bernard, Vendée, sind deutlich größer als das dahinterliegende Satteldach.

Die Form des Giebels hängt von der Dachform und -konstruktion ab. Bei der häufigen Form des Satteldaches entsteht das klassische Giebeldreieck. Bei einem Krüppelwalm entsteht eine trapezförmige Fläche, während ein Gebäude mit einem Walmdach keinen Giebel besitzt. Entsprechend der Dachneigung (steil/spitz bzw. flach) existieren auch die Begriffe Spitzgiebel und Flachgiebel. Ein Knickgiebel passt sich mit mehreren Winkeln der Dachform an. Bei einem Tonnendach können Rundgiebel (erstmals 1528 in Naumburg) beziehungsweise Segmentgiebel entstehen.

Ein Zwerchgiebel (heute vielfach Quergiebel) steht zwerch (quer, also rechtwinklig) zum Giebel des Hauptdaches. Ein Giebel über einem Mittelrisalit, einem hervorspringenden Gebäudeteil, wird auch als Frontispiz bezeichnet.[2]

Ein aus der Gebäudeflucht hervortretender, übergiebelter Risalit wird in Norddeutschland auch als Kapitänsgiebel bezeichnet.

Ragt die Giebelscheibe über Dachfläche und Dachfirst hinaus, ist es ein Schildgiebel. Das Dach schließt dann von hinten an den Giebel an, der eine eigenständige Form erhalten kann. Nimmt dieser Schildgiebel keinen Bezug auf die Dachform oder -neigung, spricht man von einem vorgesetzten Blend- oder Scheingiebel.[3] Die Giebelränder von historischen, repräsentativen Gebäuden wurden auch mit Bauplastiken geschmückt. Ist der Giebel deutlich größer dimensioniert als das dahinterliegende Dach spricht man ebenfalls von einem Scheingiebel.

Formenübersicht
Bezeichnung Beschreibung Abbildung
Dreiecksgiebel, auch Tempelgiebel, Pediment, Fronton, Frontispiz, Ziergiebel Der flache Dreiecksgiebel findet sich bereits in der griechischen Architektur der Antike. Er wurde in der Renaissance, im Barock und im Klassizismus aufgegriffen. Dabei findet sich – wie bereits in der Antike – auch die gesprengte und verkröpfte Ausführung. Zahlreiche Variationen tauchen als Bekrönung oder Verdachung über Türen und Fenstern als Ziergiebel auf.[4]
Staffelgiebel, auch Treppengiebel oder Stufengiebel Beim Staffelgiebel ist die Kontur seitlich abgetreppt. Diese Form entstand zunächst aus technischen Gründen, um die einzelnen waagerecht durchgeführten Steinschichten gerade abzuschließen und mit Dachziegeln eindecken zu können.[5] Der Staffelgiebel war dominierend in den Gebieten der Backsteingotik, insbesondere im Nord- und Ostseeraum vom 14. bis zum 17. Jahrhundert.[6] Während der Renaissance wurden gestaffelte Giebel mit Obelisken und Voluten geschmückt. Voluten wurden damals als Ornamente verwendet, die zwischen waagerechten und senkrechten Bauteilen vermitteln sollten.[7] Insofern wurden die Stufen des Staffelgiebels damit „verschleift“.[8] Es entstand der Volutengiebel.
Schweifgiebel Der Schweifgiebel oder geschweifte Giebel hat einen geschweiften Umriss.[9]
Schweifwerkgiebel Mit Schweifwerk dekorierter Giebel.[10]
Volutengiebel Der Volutengiebel ist durch seitliche Voluten eingerahmt. Voluten wurden in Renaissance und Barock als Ornamente verwendet, die zwischen waagerechten und senkrechten Bauteilen vermitteln sollten.[11] Ausgehend von Italien verbreitete sich diese Giebelform während der Hochrenaissance in vielen Variationen in fast allen Ländern der Renaissance, besonders in den Niederlanden und in Deutschland, und wurde bis in das 18. Jahrhundert hinein verwendet.[12]
Gesprengter Giebel Die Seiten des Giebels sind nicht bis ganz oben geführt, das Mittelteil ist ausgespart. Dieses Merkmal der Giebelausführung ist immer mit einer konkreten Giebelform kombiniert.
Verkröpfter Giebel Das Mittelteil tritt gegenüber den Seitenteilen vor oder zurück.[13] Dieses Merkmal der Giebelausführung ist immer mit einer konkreten Giebelform kombiniert.
Scheingiebel, auch Blendgiebel Die Giebelform nimmt keinen Bezug auf die Dachform oder Neigung.[3] Dies ist besonders ausgeprägt im Inn-Salzach-Stil.

Diese Giebelformen und -ausführungen wurden im 19. Jahrhundert, in der Architektur des Historismus, wieder aufgegriffen. Bereits vorher wurden sie nicht nur in der Baukunst, sondern auch bei der Gestaltung von Möbeln und anderen Gebrauchsgegenständen benutzt.

Giebelschmuck[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Giebelreiter auf dem historischen Rathaus in Waiblingen

In der antiken Architektur, insbesondere dem Tempelbau, ist das Tympanon die dreieckige Giebelfläche, die durch ihre Größe und Frontalität hervorgehoben war und mit figürlichem oder ornamentalem Dekor versehen wurde. Giebelfeld ist eine Eindeutschung von Tympanon, bezeichnet allgemein aber auch ein Giebeldreieck, insbesondere wenn dies von Gesimsen eingefasst und plastisch geschmückt ist.[14]

  • Das Giebelgesims ist ein Gesims, das den schräg ansteigenden Giebelschenkel (Ortgang) begleitet.[14] Im Zusammenhang mit der antiken Architektur wird auch der Begriff Schräggeison verwendet.
  • Als Giebelfuß bezeichnet dabei eine waagerechte untere Begrenzungslinie, beispielsweise als Giebelfußgesims.[14]
  • Die Giebelspitze, als der höchste Punkt eines Giebels, wurde besonders betont und gestaltet.
  • Die Giebelähre ist eine ährenartige Verzierung auf Giebel- und Turmspitzen, die im Mittelalter und während der Renaissance aus Eisen oder gebranntem Ton hergestellt wurde.[14]
  • Die Giebelblume ist eine Bezeichnung für eine stilisierte Blume, die, oft mit Figuren, Abzeichen und Symbolen verbunden, insbesondere in der Gotik zur Bekrönung von Giebeln und Dachfirsten diente, beispielsweise in Form einer Kreuzblume.
  • Der Giebelreiter ist ein Dachreiter, ein Dachaufbau häufig als kleiner Turm, der auf dem Giebel aufsitzt.[14] Er gilt als ein Merkmal städtischer Profanbauten, findet sich also beispielsweise bei historischen Rathäusern.[5]
  • Der Giebelspieß ist im Holzbau der Schweiz ein über die Giebelspitze hinaus hochgeführter Holzständer.[14] In Westfalen, und dort insbesondere im Ravensberger Land wird der Giebelspieß bzw. Giebelpfahl oder Firstpfahl als Geckpfahl bezeichnet.
  • Die Giebelzinne kann ein Akroterion meinen, ein antikes Architekturelement zur Bekrönung von Giebeln, beziehungsweise dessen Nachbildung in einer späteren Epoche.[14]
  • Der Giebelbogen ist eine Bezeichnung für einen Spitzbogen mit geraden Bogenschenkeln, er tritt in der romanischen und angelsächsischen Ornamentik auf.[15]
  • Das Giebelgebänk ist eine seltene alte Benennung für Wimperg, einen gotischen Ziergiebel.[14]
  • Die Schaumburger Mütze ist eine gewölbte Verkleidung der Giebelfläche im Schaumburger Land.
  • Pferdeköpfe bezeichnet nach oben verlängerte Windbretter, die sich vor dem First kreuzen und als Pferdeköpfe gestaltet sind.

Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Giebel liegt in der Regel an der Schmalseite eines Gebäudes. Da eine Balkenlage als innere Geschossdecke normalerweise über den schmaleren Abstand gespannt ist, liegen deren Balken häufig parallel zum Giebel. Der Giebelbalken (oder Ortbalken) ist derjenige Balken, der unmittelbar neben dem Giebel(mauerwerk) angebracht ist.[14] Ein sogenannter Giebelanker verbindet eine Giebelwand mit einer Balkenlage.[14] Ziel ist die Rückverankerung und Aussteifung des Mauerwerks. Diese Technik kann als historisch gelten, heute werden dazu in der Regel Stahlbetonbauteile verwendet. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war die Verankerung von Mauerwerk in die Holzbalkendecken der Geschosse mit Hilfe von Metallankern jedoch noch die gängige Methode.

Giebelsparren werden die äußersten an einem Dachgiebel befindlichen Sparren des Daches genannt. Eine andere Bezeichnung ist auch Giebelbinder.[14] Die Giebelsäule ist die Säule – als Stütze – eines Dachstuhls, die den Giebel unterstützt, die Last nach unten abträgt.[14] Ein Giebelgebinde ist ein Verbund von Dachsparren und Kehlbalken, entweder als (ausgemauerte) Giebelfläche oder unmittelbar hinter einem massiven Giebel (aus Mauerwerk) als Teil des Dachstuhls.[14] Die Giebelschwelle ist die Schwelle eines Giebelgebindes, bei Fachwerkhäusern kann auch die Schwelle der gesamten Giebelwand gemeint sein.[14]

Giebelständig[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Altstadthäuser in Landshut: (von links) Schweifgiebel, Staffelgiebel, Walmdach, Volutengiebel und traufständiges Haus
Giebelhäuser unterschiedlicher Form links und traufständiges Haus rechts in Landshut

Giebelständig bezieht sich auf die Orientierung eines Gebäudes in Bezug zu einer erschließenden Straße, oder einem Platz. Bei giebelständiger Bauweise steht die Giebelseite eines Gebäudes parallel zur Straße, während der Dachfirst quer zu dieser steht. Ein derartig ausgerichtetes Gebäude wird auch als Giebelhaus bezeichnet.[14] Ein Giebeldach ist in diesem Zusammenhang ein Satteldach, dessen Giebel Teil der Gebäudefront ist.[14] Giebelständige Bauweise gilt als typisch für deutschsprachige Straßenbilder der Gotik und der Renaissance. Der Gegenbegriff zu giebelständig in Architektur und Stadtplanung ist traufständig.

Besondere Giebelbauwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ein Giebelturm ist ein Turm mit einem Satteldach, er besitzt insofern zwei Giebel, der doppelte Giebelturm vier.[14] Der doppelte Giebelturm ist mit einem Kreuzdach abgedeckt. Andere verwenden den Begriff Giebelturm auch für einen Turm, der auf einem Giebel aufsitzt, vergleichbar einem großen Giebelreiter, und unabhängig von der Dachform des Turmes.[5]
  • Ein Glockengiebel ist ein Giebelaufbau mit einer oder mehreren Öffnungen, in denen Glocken hängen. Der Glockengiebel ist oft selbst mit einem Dreiecksgiebel abgeschlossen. Er findet sich bei kleinen Kirchen oder Kapellen vor allem im Mittelmeerraum.[16] Sonderformen sind die stets dreigeteilten Clochers trinitaires genannten Giebel an den Kirchen im baskischen Pays de Soule und die beinahe burgartig wirkenden rechteckigen Glockengiebel (franz. clochers mur) im Raum von Toulouse.
  • Bereits im Mittelalter erhielten viele romanische Kirchenbauten im Süden und Südwesten Frankreichs (vor allem in der Charente) einen – oft schmucklosen – Rechteckgiebel, der die reale oder symbolische Wehrbereitschaft der Kirche und der Bewohner der jeweiligen Ortschaft im Vorfeld des Hundertjährigen Krieges andeutete.
  • Selten ist ein Kranz von Giebeln über den Kapellen einer Kirchenapsis.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Giebel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Giebel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Absatz nach Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage. 2002.
  2. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 14. Februar 2024), S. 194: Frontispiz.
  3. a b Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur. 3. Auflage. Prestel, München 1992, Lemma Giebel.
  4. Absatz nach Wilfried Koch: Baustilkunde. 27. Auflage. Gütersloh/München 2006.
  5. a b c Satz nach Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur (= Kröners Taschenausgabe. Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X.
  6. Satz nach Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur. Leipzig, 1988, Lemma Staffelgiebel.
  7. Satz nach Wilfried Koch: Baustilkunde. 27. Auflage. Gütersloh/München, 2006, Stichwortverzeichnis Volute [819].
  8. Nach Wilfried Koch: Baustilkunde. 27. Auflage. Gütersloh/München, 2006, Stichwortverzeichnis Giebel [291].
  9. Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur. Prestel, München 1971, unter Giebel.
  10. Henry-Russell Hitchcock: Netherlandish scrolled gables of the sixteenth and early seventeenth centuries. University Press, New York 1978 (englisch).
  11. Satz nach Wilfried Koch: Baustilkunde. 27. Auflage. Gütersloh/München 2006, Stichwortverzeichnis Volute [819].
  12. Satz nach Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur. Leipzig 1988, Lemma Volutengiebel.
  13. Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur. 3. Auflage. Prestel, München 1992, Lemma Giebel. Vergleichbar auch bei Fritz Baumgart: DuMont’s kleines Sachlexikon der Architektur. Köln 1977, Lemma Giebel.
  14. a b c d e f g h i j k l m n o p q Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst. Berlin 1929–1932 (4 Bände).
  15. Nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst. Berlin 1931. Bei Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. 4. Auflage. , Kröner, Stuttgart 2005, wird darunter eine Bogenkonstruktion verstanden, vgl. Bogen (Architektur)#Giebelbogen.
  16. Absatz nach Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, Lemma Glockengiebel.