Gumuz (Volk)

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Mädchen der Gumuz

Die Gumuz (Eigenbezeichnung Bega;[1] deutsch auch Gumus. weitere Bezeichnungen Gumis, Gumz, Gombo, Bega-Tse, Sigumza, Mendeya, Debatsa, Debuga, Dehenda) sind eine Ethnie, die im westlichen Tiefland von Äthiopien in der Region Benishangul-Gumuz und in Fazogli im Sudan ansässig ist. In Äthiopien leben laut Volkszählung von 2007 rund 159.000 Gumuz[2].

Sprache und Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprache der Gumuz, das Gumuz, gehört zusammen mit anderen Sprachen der Region zu den Komuz-Sprachen, einer Untergruppe der nilosaharanischen Sprachfamilie.

Die Gumuz bilden traditionell eine segmentäre Gesellschaft ohne politische Zentralgewalt. Zu ihnen gehören verschiedene Untergruppen mit eigenen Selbstbezeichnungen. Sie sind in matrilinearen Clans organisiert, bei der Niederlassung eines Ehepaars gilt hingegen die Patrilokalität. Männern, die es sich leisten können, ist es erlaubt, mehrere Ehefrauen zu haben. Jeder Clan bestimmt einen sogenannten tesa, der bei Streitigkeiten vermittelt, Konflikte zwischen Clans werden heute auch vor staatlichen Gerichten ausgetragen. Die Clanzugehörigkeit bestimmt den Zugang zu Land.[3]

Sowohl das äthiopisch-orthodoxe und – in jüngerer Zeit – das evangelikale Christentum als auch der Islam sind bei den Gumuz verbreitet, daneben haben sie ihre traditionelle Religion mit dem Glauben an einen Schöpfergott (Reeba).[3] Sie verehren die Natur, wobei Gott und die Sonne gleichbedeutend sind. Bei zeremoniellen Ereignissen tragen sie aus Ehrerbietung Sonnenschirme.

Die Gumuz leben im Tiefland im Westen Äthiopiens nördlich des Blauen Nils, wohl erst seit dem 19. Jahrhundert leben einige auch südlich des Blauen Nils;[4] daneben gibt es Berichte von einer isolierten Gruppe von Gumuz in einem Tal bei Metemma. Ihr Gebiet ist heiß, von Malaria betroffen und fruchtbar. Die Gumuz betreiben vor allem Wanderfeldbau mit Hacken und bauen Baumwolle, Kaffee, Erdnüsse, Hirse, Ölsaaten, Bohnen und Sorghum an. Des Weiteren betreiben sie auch Bienenhaltung, Goldwaschen, Viehzucht sowie Jagd, Fischerei und Sammeln. Die Gumuz nehmen am regionalen Handel teil und verkaufen Baumwolle und Tabak als Cash Crops sowie Tierhäute und Gold auf den lokalen Märkten und im angrenzenden Sudan.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Gumuz-Frau mit ihrem Baby und Waren auf dem Weg zum oder vom Markt

Archäologen haben Stätten im heutigen Benishangul-Gumuz gefunden, die sie auf Ende des 1. Jahrtausends v. Chr. oder Anfang des 1. Jahrtausends n. Chr. datieren und den Vorläufern der heutigen Komuz-sprachigen Volksgruppen zuordnen.[4]

Eigenen Überlieferungen zufolge bewohnten die Gumuz früher höher gelegene Gebiete im Westen der Provinz Gojjam, bevor sie von Amharen und Agau ins Tiefland verdrängt wurden.[5] Frühe europäische Reisende wie James Bruce, Henry Salt und Charles Tilstone Beke berichteten noch im 18. und 19. Jahrhundert von Gumuz in diesen Regionen.[6]

Das Gebiet der Gumuz war traditionell Grenzland zwischen den politischen Zentren Äthiopiens und des Sudan. Die Gumuz waren Opfer von Sklavenjägern, die sowohl aus dem äthiopischen Hochland und von den Oromo als auch aus dem Sudan und von den lokalen Agaw kamen. 1898 wurde das Gebiet gewaltsam in Äthiopien eingegliedert,[3] und bis in die 1930er Jahre lieferten die Gumuz Gold und Sklaven als Tribut.[7] In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nutzten äthiopische und sudanesische Eliten das Gebiet zur Großwildjagd, insbesondere auf Elefanten.[3]

Bis in die 1980er Jahre war die abwertende Bezeichnung Shanqella – die auch andere dunkelhäutige Volksgruppen im Westen Äthiopiens umfasst – für die Gumuz gebräuchlich. Die meisten benachbarten Gruppen sahen auf die Gumuz herab.[3]

In den 1980er Jahren siedelte das Derg-Regime unter Mengistu Haile Mariam Hunderttausende Menschen aus anderen Landesteilen in das westliche Tiefland um. Dies führte zu Konflikten zwischen den alteingesessenen Volksgruppen wie den Gumuz und den Neuankömmlingen.[3] Gegenwärtig vergibt die Regierung Land im Gumuz-Gebiet an Investoren.[1]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wolde-Selassie Abbute: Identity, Encroachmeht and Ethnic Relations. The Gumuz and Their Neighbours in North-Western Ethiopia. In: Günther Schlee, Elizabeth Watson (Hrsg.): Changing Identifications and Alliances in Northeast Africa. Band 1: Ethiopia and Kenya. (Integration and conflict studies. 2). Berghahn, New York NY u. a. 2009, ISBN 978-1-84545-603-0, S. 155–172.
  • Wolde-Selassie Abbute: Gumuz and Highland resettlers. Differing strategies of livelihood and ethnic relations in Metekel, Northwestern Ethiopia. (= Göttinger Studien zur Ethnologie. 12). Lit, Münster 2004, ISBN 3-8258-7819-8. (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 2002)
  • Abdussamad H. Ahmad: The Gumuz of the Lowlands of Western Gojjam. The frontier in History 1900–1935. In: Africa. 50, 1, 1995, ISSN 0001-9747, S. 53–67.
  • Abdussamad H. Ahmad: Trading in Slaves in Bela-Shangul and Gumuz, Ethiopia. Border Enclaves in History, 1897–1938. In: Journal of African History. 40, 1999, ISSN 1548-1867, S. 433–446.
  • Vinigi L. Grottanelli: I Preniloti. Un'arcaica provincia culturale in Africa. In: Annali Lateranensi. 12, 1948, ZDB-ID 301707-2, S. 280–326.
  • Eike Haberland: Über einen unbekannten Gunza-stamm in Wallegga. In: Rassegna di Studi Etiopici. 12, 1953, ZDB-ID 300675-x, S. 139–148.
  • Wendy James: Sister exchange marriage. In: Scientific American. 233, 6, 1975, ISSN 0036-8733, S. 84–94.
  • Wendy James: From aboriginal to frontier society in western Ethiopia. In: D. L. Donham, Wendy James (Hrsg.): Working papers on society and history in Imperial Ethiopia. The southern periphery from 1880 to 1974. African Studies Center – Cambridge University Press, Cambridge 1980, S. 37–67.
  • Wendy James: Lifelines. Exchange marriage among the Gumuz. In: Donald Donham, Wendy James (Hrsg.): The Southern Marches of Imperial Ethiopia. Essays in History and Social Anthropology. (= African studies series. 51). Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1986, ISBN 0-521-32237-5, S. 119–147.
  • Friedrich Klausberger: Bashanga, das Strafrecht der Baga-Gumuz. In: Ethnologische Zeitschrift. 1, 1975, ISSN 0014-181X, S. 109–126.
  • Richard Pankhurst: The history of the Bareya, Shanqella and other Ethiopian slaves from the borderlands of the Sudan. In: Sudan Notes and Records. 58, 1977, ISSN 0375-2984, S. 1–43.
  • Peter Wallmark: The Bega (Gumuz) of Wellega. Agriculture and subsistence. In: M. Lionel Bender (Hrsg.): Peoples and cultures of the Ethio-Sudan borderlands. Michigan State University – African Studies Centre, East Lansing MI 1981, S. 79–116. (Committee on Northeast African Studies Monograph 10, ZDB-ID 2207606-2)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Wolde-Selassie Abbute: Identity, Encroachmeht and Ethnic Relations: The Gumuz and Their Neighbours in North-Western Ethiopia. In: Günther Schlee, Elizabeth Watson (Hrsg.): Changing Identifications and Alliances in Northeast Africa: Ethiopia and Kenya. 2009, ISBN 978-1-84545-603-0, S. 155–172.
  2. Zentrale Statistikagentur: Summary and Statistical Report of the 2007 Population and Housing Census Results (Memento vom 5. März 2009 im Internet Archive) (PDF; 4,7 MB), S. 84.
  3. a b c d e f g Jon Abbink: Gumuz ethnography. In: Siegbert Uhlig (Hrsg.): Encyclopaedia Aethiopica. Band 2, 2005, ISBN 3-447-05238-4.
  4. a b Alfredo González-Ruibal, Víctor M. Fernández Martínez: Exhibiting Cultures of Contact: A Museum for Benishangul-Gumuz, Ethiopia. (Memento vom 24. Januar 2011 im Internet Archive) In: Stanford Journal of Archaeology, Band 5, 2007, S. 61–90.
  5. Wolde-Selassie Abbute: Gumuz and Highland resettlers. Differing strategies of livelihood and ethnic relations in Metekel, Northwestern Ethiopia. (= Göttinger Studien zur Ethnologie. 12). 2004, ISBN 3-8258-7819-8.
  6. Wendy James: Lifelines: exchange marriage among the Gumuz. In: Donald Lewis Donham, Wendy James (Hrsg.): The Southern Marches of Imperial Ethiopia: Essays in History and Social Anthropology. Cambridge University Press, Cambridge 1986, ISBN 0-521-32237-5, S. 119–147.
  7. LaVerle Berry: Mätäkkäl. In: Siegbert Uhlig (Hrsg.): Encyclopaedia Aethiopica. Band 3, 2008, ISBN 978-3-447-05607-6.