Guy Debord

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Guy-Ernest Debord

Guy-Ernest Debord (* 28. Dezember 1931 in Paris; † 30. November 1994 bei Bellevue-la-Montagne, Département Haute-Loire) war ein französischer Autor, Filmemacher, Künstler und Revolutionär sowie einflussreiches Gründungsmitglied der Situationistischen Internationale.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusammen mit Asger Jorn gründete Debord in den 1950er Jahren in Paris die aus der Spaltung der Lettristen-Bewegung hervorgegangene Lettristische Internationale, aus der 1957 die Situationistische Internationale entstand.[1] In dieser eigentlich basisdemokratischen Gruppe nahm Debord eine häufig kritisierte Dominanzstellung ein.

Die S.I. – das waren zehn bis vierzig, über die Gesamtzeit circa 70 Mitglieder – übte in den 1960er Jahren einen bedeutenden Einfluss auf die damalige Studentenbewegung aus. Als in Straßburg 1966 Sympathisanten der S.I. in die dortige Studentenvertretung gewählt wurden, wehrte sich die S.I. jedoch gegen den an sie herangetragenen Anspruch, eine Führungsrolle gegenüber den Studierenden einzunehmen. Stattdessen veröffentlichte sie eine damals höchst skandalöse Broschüre Über das Elend im Studentenmilieu. 1972 löste sich die S.I., vor allem auf Betreiben von Guy Debord, nach zahlreichen vorangegangenen Ausschlüssen der noch verbliebenen Mitglieder selbst auf.

Debord unterhielt eine lang anhaltende Beziehung mit Alice Becker-Ho, die ab 1963 in der Situationistischen Internationale engagiert war. Sie heirateten 1972 und blieben ein Paar bis zu Debords Tod. Gemeinsam entwickelten sie 1977 ein Brettspiel und schrieben ein gleichnamiges Buch, Le Jeu de la Guerre (Kriegsspiel), das 1987 veröffentlicht wurde.

Nachdem 1984 sein Verleger Gérard Lebovici in Paris von einem unbekannten Attentäter ermordet worden war, verbrachte Debord die nächsten zehn Jahre in einem abgeschiedenen Dorf in der Auvergne und nahm sich dort 1994 nach längerer Krankheit das Leben.

Politische Position[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Guy Debord war ein radikaler Kritiker des Kapitalismus und der kapitalistischen Ideologie des Konsumismus, den er als Inszenierung „falscher Bedürfnisse“ anprangert. In seinem Hauptwerk Die Gesellschaft des Spektakels (1967) entwickelte er eine Theorie des Spektakels: „Das Spektakel ist das Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, dass es zum Bild wird.“

Debords Buch übte vor allem in Frankreich einen wichtigen Einfluss auf die Bewegung der Neuen Linken um den Pariser Mai 1968 aus. Seine antikapitalistische, situationistische Anschauung steht dem libertären Marxismus und dem Rätekommunismus nahe, übernimmt dabei aber auch andere Argumentationsmuster aus Teilen der Arbeiterbewegung, die der Sowjetunion gegenüber kritisch eingestellt waren. Das zentrale Anliegen Debords war die Aufhebung der Arbeitsgesellschaft und der „großen Trennung“ der Individuen voneinander durch eine die Arbeitswelt verändernde revolutionäre Praxis der Selbstverwaltung. Debord betonte dabei stets die künstlerische Dimension der Revolution, die Notwendigkeit der Umwälzung auch des alltäglichen Lebens.

Debord war auch ein scharfer Kritiker der Geheimdienste und beschuldigte diese vieler Verbrechen und geheimer Operationen zwecks Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse. Er ging etwa davon aus, dass die linksterroristischen Roten Brigaden insgeheim vom italienischen Staatsapparat geleitet wurden.[2]

Künstlerische Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Debord drehte mehrere Filme, die nur von sehr wenigen gesehen wurden. Er spielte mit den Möglichkeiten des Experimentalfilms, wobei er bisweilen die Zuschauerreaktionen und den abgedunkelten Kinosaal in die Vorführung miteinbezog: Einer seiner Filme, Hurlements en faveur de Sade („Geheul für de Sade“), bestand aus Stille und einem minutenlangen Schwarzbild, das gelegentlich zu weiß wechselte, wobei Zitate über Jugend oder Revolution sowie Gesetzestexte zu hören waren; das Geheul stellten dabei die lautstarken Proteste des empörten Publikums dar.[3]

Debord entwickelte 1977 das Brettspiel Le Jeu de la Guerre (Kriegsspiel); ein Versuch der Vermarktung scheiterte. Die Rechte an dem Spiel liegen bei Debords Witwe, Alice Becker-Ho.[4] Debord und Becker-Ho veröffentlichten 1987 ein Buch über eine Partie des Spiels, das 2016 vom Merve Verlag auf Deutsch veröffentlicht wurde.[5]

Ausstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 6. Januar bis 18. April 2005 (Beteiligung): Archilab: New Experiments in Architecture, Art and the City, 1950–2005. Mori-Kunstmuseum, Tokio 2005. (Katalog)
  • 2013: Guy Debord. Un art de la guerre. Bibliothèque nationale de France, Paris 2013. (Katalog)

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1952: Hurlements en faveur de Sade (75 min)
  • 1959: Sur le passage de quelques personnes à travers une assez courte unité de temps (18 min)
  • 1961: Critique de la Séparation (19 min)
  • 1973: La Société du Spectacle (80 min)
  • 1978: In girum imus nocte et consumimur igni (105 min)
  • 1994: Guy Debord, son art et son temps (60 min)

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Situationistische Internationale 1957-1972. Abgerufen am 7. Januar 2024.
  2. Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels. Klaus Bittermann, Berlin 1996, ISBN 3-923118-97-X, S. 292 ff.
  3. Werner Rappl: Schweigen Geheul Applaus. Zu den Filmen Guy Debords. In: Maske und Kothurn. Band 66, Nr. 3-4. Wien 2020, S. 141–158.
  4. Ben McGrath: Dept. of Isms: War Games. In: The New Yorker. 7. Januar 2009, abgerufen am 10. Dezember 2010.
  5. Paul Buckermann: Situationistisches Heeresgerät. Alice Becker-Ho und Guy Debords Buch über das Kriegspiel erscheint in deutscher Erstübersetzung. Jungle World, 10. März 2016, abgerufen am 15. Oktober 2017.